Freizeit und Reise

Auf der Jamtalhütte (v.l): Alfons Parth, Eckart Witzigmann, Frédéric Morel, Dieter Koschina, Konstantin Filippou und Simon Hulstone. Vorne knieend (v.l.): Jacob Jan Boerma und Martin Sieberer.. (Foto: Friedrich H. Hettler)

17.07.2017

Hochgenuss hoch fünf auf über 2000 Metern

Der 9. „Kulinarische Jakobsweg“ 2017 im Tiroler Paznaun

Vor einer imponierenden und faszinierenden Bergkulisse geht es in einer gut eineinhalbstündigen Tour von der Scheiben Alm in Galltür (1833 Meter) hinauf zur Jamtalhütte auf 2165 Meter. Der Wanderweg verläuft entlang des Jammtalbachs immer kontinuierlich leicht bergauf, ohne dass man sich verausgaben beziehungsweise an die Grenzen seiner Kondition gehen muss. An den Hängen weiden Kühe und Alpenrosen sowie diverse andere Pflanzen und Blumen blühen am Wegesrand. Grandios ist auch das Panorama, das sich uns zum riesigen Jamtal-Gletscher mit der vorderen und hinteren Jamspitze bietet. Warum sind wir eigentlich überhaupt unterwegs zur Jamtalhütte? Gibt es hier etwas Besonderes? Die Alpenvereinshütte liegt mitten in der Silvretta im Talschluss des Jamtals südlich von Galtür, einer der schönsten Landschaften der Alpen, ideal für Berg-, Kletter- und Skitouren. Die Jamtalhütte ist umgeben von den höchsten Erhebungen der Silvretta, wie Fluchthorn, Jamspitzen und Dreiländerspitze, um nur drei der 44 Zwei- und Dreitausender zu nennen. Sie bilden die Zacken einer krönenden Landschaft, in deren Zentrum sich die Hütte befindet. Der großen Gletscherflächen wegen wird dieses Gebiet der Silvretta auch „blaue Silvretta“ genannt. Da die Seitentäler sternförmig zur Hütte führen, bietet die Jamtalhütte vielfältige Touren- und Wandermöglichkeiten in Fels und Eis in allen Schwierigkeitsgraden und zwar im Sommer und Winter. Das Gebiet eignet sich aber nicht nur für Touren für Erwachsene, es ist auch ein ideales Wandergebiet für Familien mit Kindern. Darüber hinaus gibt es Übungsmöglichkeiten in den Klettergärten in und bei der Hütte, am Westlichen Gamshorn, sowie der Klettersteig am Pfannknecht. Für Biker bietet das Jamtal eine ideale Kombination aus einer relativ leichten Schotterstraßenauffahrt, einzigartigen Gebirgskulissen, mit der Jamtalhütte eine tolle Einkehrstation und eine leichte Abfahrt auf der Schotterstraße. Die Jamtalhütte ist darüber hinaus das alpine Ausbildungszentrum der Sektion Schwaben des Deutschen Alpenvereins (DAV) in der Silvretta/Tirol.
Hier wurde der mittlerweile Neunte „Kulinarische Jakobsweg“ offiziell eröffnet. Jeden Sommer können nämlich Urlauber im Tiroler Paznaun einen Genusssommer der besonderen Art erleben. Dahinter steht ein natürlich, gutes Konzept: Bei den fünf Wanderungen, die in Galtür, Ischgl, Kappl und See starten, sollen Urlauber die Natur und das natürlich beste Essen der Region aus regionalen Produkten genießen. Schließlich macht Wandern nicht nur bewandert, sondern auch sehr hungrig. Im Schweiße seines Angesichts hat man sich dann quasi den kulinarischen Hochgenuss verdient beziehungsweise erwandert. Auf dem „Kulinarischen Jakobsweg“ erwartet Wanderer, Biker und Kulinarik-Fans bis in den Herbst hinein nicht nur eine beeindruckende Bergwelt, sondern ein von fünf internationalen Sterneköchen zusammengestelltes Gericht in uriger Hüttenatmosphäre. Jeder der fünf Kochprofis übernimmt nämlich für den Sommer die Patenschaft für eine der fünf Alpenvereinshütten und kreiert ein exklusives Gericht für die Sommerspeisekarte. Die Idee für den „Kulinarischen Jakobsweg“ hatte Alfons Parth, Obmann des TVB Paznaun – Ischgl und selbst bekennender Gourmet. Allerdings sollen die ausgewiesenen Spitzenköche keine Sterneküche auf die Hütten „zaubern“, sondern, wie Parth es ausdrückt, „ess- und leistbare“ Gerichte.
Schirmherr des Kulinarischen Jakobswegs ist der Koch des Jahrhunderts, Eckart Witzigmann, der dieser Idee, laut eigener Aussage, anfangs aber eher skeptisch gegenüberstand. Allerdings überzeugte ihn das Konzept, mit regionalen Produkten für Hochgenuss zu sorgen. Ein faches Essen als Delikatesse zubereitet ist die Aufgabe der Sterneköche. Wobei für Witzigmann einfach nicht ideenlos heißt. So können sich Wanderer und Biker nach ihrer Tour für ihre Anstrengung selbst belohnen und gleichzeitig, so Witzigmann, stellt das jeweilige Gericht für die Hüttenwirte eine Herausforderung dar.
Nach 2016 waren es auch heuer wieder fünf Sterneköche, die ein besonderes Gericht kreiert haben: Konstantin Filippou geht für Österreich ins Rennen, Fréderic Morel für Deutschland, Dieter Koschina kocht für Portugal, Jacob Jan Boerma für die Niederlande und Simon Hulstone für Großbritannien.
Auf der Jamtalhütte stellte jeder der fünf Spitzenköche sein Gericht vor. Von Konstantin Filippou gibt es auf der Friedrichshafener Hütte einen knusprigen Ofenkartoffel von Topinambur mit Kren und Schnittlauchrahm. Konstantin Filippou erkochte sich mit seinem gelichnamigen Restaurant in Wien mittlerweile einen Michelin Stern sowie drei Hauben und 18 Gault Millau Punkte. Vom gebürtigen Bretonen Fréderic Morel stammt das Gericht, das auf der Niederelbehütte serviert wird – geschmorte Almochsenschulter mit gebratenen Erdäpfeln und Gemüse. Morel begeistert im Hamburger Se7en seine Gäste unter anderem mit Gerichten, die „Schweinerei mit Apfel und Senf“ heißen – ein mit Austernsauce marinierter Schweinerücken, dem ein paar sehr spezielle Aromen zur Seite gestellt werden wie bretonische Kuttelwurst, Blutwurst und Senfsaat. Im November 2014 wurde er mit 26 Jahren Hamburgs jüngster Sternekoch. An dieser Stelle noch ein paar Worte zur Niederelbehütte. Diese Hütte ist ein beliebtes Ausflugsziel für Wanderer in der Verwallgruppe und befindet sich auf 2300 Metern Höhe, westlich von Landeck beziehungsweise südlich der Linie Allgäu/Lechtal/Arlberg/Verwall. Sie befindet sich auf einem Bergrücken umgeben von zwei Gebirgsseen im hinteren Sessladtal und ist auch für längere Aufenthalte bestens geeignet. Die Hütte ist von Kappl aus in zwei his drei Stunden ohne große Schwierigkeiten erreichbar. Bei Hüttenwirtin Petra Jehle angekommen, kann und darf man sich erstmal zurücklehnen und den Blick auf die Verwallgruppe und den Seßsee genießen. Die rührige, aufgeschlossene und lustige sowie stets freundliche Wirtin sorgt mit ihrem Team derweil fürs leibliche Wohl und dafür, dass der Besuch bei ihr auf der Hütte auch ein Erlebnis wird. Das muss man einfach einmal erlebt haben.
Das Gericht auf der Ascherhütte, Schwarzwurst – gebraten mit Kartoffelpüree und roh mariniert auf Süßwein-Apfelkompott, stammt von Dieter Koschina (Villa Joya in Albufeira). Er kocht gern im „John-Wayne-Stil“. Für ihn bedeutet das auf die individuellen Wünsche seiner Gäste einzugehen und ein Gericht aus den Zutaten zu zaubern, die der Kühlschrank gerade so hergibt – auch wenn das Gericht so nicht auf der Speisekarte steht. Seine Leidenschaft und sein Talent haben ihm zwei Michelin Sterne beschert. Jacob Jan Boerma hat sich seine drei Sterne nicht einfach nur erkocht, sondern diese durch seine vielen Trips in die kulinarische Welt erreist, erkundet und erschnuppert. Die Summe dieser Erfahrungen bringt der Niederländer in seiner kosmopolitischen, kreativen Küche gekonnt und handwerklich versiert auf die Teller seiner Gäste. 2002 eröffnete Boerma sein Restaurant De Leest in Vaassen. Auf der Heidelberger Hütte gibt es von ihm Rindsschultersteak mit geräuchertem Kartoffelpüree, Senf, Kohlrabi und Vadouvan (eine fermentierte Masse aus Zwiebeln, Knoblauch und diversen Gewürzen, eine französische Version des indischen Originals Vadagam). Geschmorte Schweinebacke mit Knollensellerie-Risotto, Räucherschinken und Trüffeln wird auf der Jamtalhütte von Simon Hulstone aufgetischt. Mit seinem Mix aus internationaler und traditioneller Küche überzeugt Hulstone in seinem Restaurant The Elephant in Torquay Gäste und Kritiker gleichermaßen. Seit 2005 kann er sich mit einem Michelin Stern schmücken. Aber nicht nur auf diesen fünf Hütten wird man kulinarisch verwöhnt. Die Küchenmannschaft des Ischgler Hotels Trofana Royal, wo Küchenchef Martin Sieberer, der auch die Koordination der Sterneköche und ihrer Gerichte zuständig ist, den Kochlöffel schwingt, zaubert Menüs auf den Tisch, die jedes Herz höher schlagen lassen. Einfach nur exquisit und zum Zunge schnalzen. Kein Wunder, denn Sieberer zählt seit Jahren zu den besten Köchen Österreichs. Seine aktuelle bewertung drei Hauben und 18 Gault Millau Punkte. Beim Kulinarischen Jakobsweg gehen nachhaltiger Tourismus, internationale Sterneküche und -köche, regionale Produkte und uriges Bergerlebnis eine einzigartige Verbindung ein. Also die Berg-/Wanderschuhe geschnürt, den Rucksack gepackt und umgeschnallt, die Wanderstöcke in die Hände und hinauf zu den Gipfeln der Genüsse. (Friedrich H. Hettler) (Unterwegs zur Jamtalhütte; Blick hinunter ins Jamtal Richtung Galltür; der Gletscher am Talschulss des Jamtals; hier gehts zur Niederelbehütte; weidende Kühe an den Hängen und hübsch geparkt auf dem Parkplatz der Menta Alm; der See vor der Niederelbehütte - Fotos: Friedrich H. Hettler)

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