Freizeit und Reise

Der therapeutische Fango setzt sich aus Tonerde und Thermalwasser zusammen. (Foto: Friedrich H. Hettler)

24.04.2017

Raus aus dem Schlamm, rauf aufs Radl

Zur Erholung und Fango-Kur in die Euganeischen Hügel

Die Euganeischen Hügel (italienisch: Colli Euganei) sind eine Hügelkette vulkanischen Ursprungs, die sich in Norditalien nur wenige Kilometer südwestlich von Padua aus der Poebene erhebt. 1989 wurden sie zum ersten Naturpark der Region Venetien ernannt (Parco regionale dei Colli Euganei mit einer Fläche von 18 694 Hektar).
Die gesamte Hügelkette hat eine Länge von ungefähr 15 und eine Breite von etwa zwölf Kilometern. Die höchste Erhebung ist der Monte Venda mit 601 Metern. Die charakteristischen Kegelformen, in denen sich die Euganeischen Hügel heute darbieten, bestehen überwiegend aus vulkanischem Gestein, das zudem nur lokal vorkommt und zwei vulkanischen Phasen entstammt.
Der Name der Hügelkette ist vom halb-mythischen Volk der Euganeer entlehnt, die das Gebiet vor den Venetern bewohnt haben sollen. Bekannt ist das Gebiet heute vor allem wegen seiner geothermischen Aktivitäten, die Abano Terme, Montegrotto Terme, Battaglia Terme und Galzignano Terme zu bedeutsamen Kurorten machen. Die vier Thermenorte genießen einen guten Ruf in ganz Europa und sind jährlich das Ziel unzähliger Kururlauber, chronisch Kranker und Sportler, die hier neben ausreichender Entspannung vor allem Linderung ihrer Schmerzen durch das heilende Wasser suchen. Schon die Römer wussten von den Heilkräften des Thermalwassers und bauten umfangreiche Thermenanlagen, deren Überreste noch heute zu besichtigen sind. Beinahe alle Hotels in den Thermalorten besitzen eigene Thermalquellen und wunderschöne Badelandschaften, die den Aufenthalt in der Region zu einem wahren Erlebnis werden lassen.
Die Euganeischen Thermen sind das größte Thermalzentrum Europas, dessen internationale Anerkennung auf die Kur- und Vorsorgebehandlungen zurückzuführen sind, die mit hyperthermalem Wasser sowie zertifiziertem und patentiertem Qualitätsfango durchgeführt werden.
Die Wirkung der Kuren, heute durch wissenschaftliche Studien belegt, und die außerordentliche schöne Natur dieser Gegend galten in den Augen der alten Veneter als göttliche Gnade. In der vorrömischen Zeit stiegen die zahlreichen Kalt- und Warmwasserquellen mit den herb duftenden Rauchwolken auf ganz natürlichem Weg aus dem Boden – die die Bewohner dieses Landstrichs ein beeindruckendes Schauspiel.
Dem Kult um Aponus gewidmet, machten die Römer aus dem gesamten Gebiet einen der wichtigsten Kur- und Erholungsorte des Kaiserreichs, die sogenannten acquae patavinae.
Das Thermalwasser des Euganeischen Beckens, am Anfang Regenwasser, sammelt sich in den unberührten Becken der Lessini Berge in den venetischen Voralpen auf rund 1500 Metern Höhe. Das Wasser fließt unterirdisch bis zu einer Tiefe von 2000 bis 3000 Metern. Nach einer Strecke von 80 Kilometern und angerechert mit Mineralsalzen, erreicht das Thermalwasser die Thermenanlagen, wo es dann mit hoher Temperatur, die die 85 Grad Celsius übersteigt, an die Oberfläche tritt.
Dieses Thermalwasser wird aufgrund seiner chemisch-physikalischen sowie therapeutischen Eigenschaften als hyperthermales, salzbromjodhaltiges Wasser eingestuft. Die gelösten Elektrolyte, wie Natrium, Chlor und der hohe Anteil an Stickstoff sind notwendig für den Reifeprozess des Thermalfangos. Innerhalb von drei bis sechs Monaten verwandelt sich die Tonerde dank des konstanten Durchflusses von Thermalwasser in Naturfango mit qualitativ hohen entzündungshemmenden Eigenschaften.
Die Badetherapie besteht darin, den Körper in eine mit reinem, warmen Thermalwasser gefüllten Wanne einzutauchen, das mit Ozon angereichert wird. Die chemische Zusammensetzung des Thermalwassers begünstigt auf natürliche und wirksame Weise die Heilung von chronischen Entzündungsprozessen.
Der therapeutische Fango der Euganeischen Thermen setzt sich aus zwei Grundelementen zusammen: Tonerde, die aus dem kleinen Costasee in der Gemeinde Arqua Petrarca gewonnen wird, und Thermalwasser. Im Allgemeinen wird davon ausgegangen, dass die Wirksamkeit des therapeutischen Fangos mit der Temperatur zusammenhängt, die von der Tonerde abgegeben wird. Das Thermal-Studienzentrum Pietrod’Abanao hat jedoch auch die Existenz einer wichtigen Komponente organischen Ursprungs nachgewiesen.
Wenn man den Fango im Thermalwasser auf optimale Temperatur in den dafür vorgesehenen Becken oder Silos ruhen lässt, so bildet sich an der Wasseroberfläche nach etwa 60 Tagen (Reifeperiode) ein komplexes Konglomerat von Mikroorganismen. Es handelt sich um einen blaugrün gefärbten Biofilm, der hauptsächlich durch die Vermehrung von Cyanobakterien und Diatomeen, lange Zeit für „einfache“ Algen gehalten, entsteht. Die endemischen Cyanobakterien erzeugen besondere Wirkstoffe, die eine entzündungshemmende Wirkung besitzen, gleich stark wie entsprechende Arzneimittel, jedoch ohne Nebenwirkungen.
Der Fango wird mit einer Temperatur von 38 bis 42 Grad Celsius für etwa 15 Minuten direkt auf die Haut aufgetragen. Am Ende der Anwendung und nach der darauffolgenden, reinigenden Dusche taucht man in das 36 bis 38 Grad warme Thermalwasser – acht bis 15 Minuten – ein. In der anschließenden Ruhephase tritt die Schwitzreaktion ein. Eine anschließende Massage vervollständigt die Behandlung und regt die Hautdurchblutung an.
Wer sich in der Provinz Padua einmal eine Schlammbad-Behandlung gönnen möchte, ist sowohl im Hotel Terme Antoniano in Montegrotto Terme als auch im Atlantic Terme Natural Spa & Hotel in Abano nicht schlecht beraten. Beide Häuser sind einige der wenigen Hotels in der Region, die heute noch eine eigene Fango-Abteilung und –Becken besitzen.
Das 4-Sterne-Hotel Terme Antoniano liegt eingebettet in einem parkähnlichen Garten. Das Haus verfügt über 160 Zimmer, vier Thermal-Schwimmbäder sowie ein Wellnesszentrum mit neuer Sauna, Schwitzgrotte und Kneippbad, 20 Behandlungsräume für Fango, acht Massagezimmer und eine Abteilung für Inhalationstherapien. Neben regenerierenden Fangobehandlungen bietet das Hotel in der Beauty-Abteilung auch spezielle Gesichts- und Körperanwendungen sowie physiotherapeutische Behandlungen an. Hervorzuheben ist auch die ausgezeichnete Küche, die Gourmets mit regionalen, saisonalen Produkten und vollmundigen Weinen der Region verwöhnt.
Im Herzen der italienischen Ortschaft Abano Terme gelegen, beherbergt das kleine, ebenfalls familiengeführte Atlantic terme Natural Spa & Hotel 56 Zimmer, zwei Thermalschwimmbäder, ein Salzzimmer sowie einen großzügigen Wellnessbereich. Neben der bekannten Fangotherapie bietet das Haus auch Kriothermal Training sowie Inhalationen zur Reinigung der Atemwege an. Die deutsche Hotelärztin Christine Enthammer ist Spezialistin für F. X. Mayr und begleitet die Gäste vor Ort bei dem Entgiftungsprogramm.
Abano Terme und Montegrotto Terme liegen rund 55 Kilometer von Venedig entfernt, das in rund 30 Minuten bequem mit dem Zug erreichbar ist. Geschichtsträchtige Kunststädte wie Padua, Vicenza, Treviso und Verona befinden sich ebenfalls in nächster Nähe und sind damit ideale Ausflugsziele für Kulturinteressierte und Italienliebhaber. Zahlreiche Burgen, Abteien und mittelalterliche Dörfer verleihen der Region ihren ganz eigenen Charme. Die malerische Landschaft der Euganeischen Hügel schafft zudem optimale Bedingungen für eine Tour mit dem Bike, ausgiebige Spaziergänge, Wanderungen und Nordic Walking. Leidenschaftliche Golfer können auf nahegelegenen Golfplätzen abschlagen.
Wenn man schon einmal in der Provinz Padua Urlaub macht, sollte man auf alle Fälle auch Este, die Hauptstadt der antiken Veneter, besuchen. Eindrucksvoll ist neben dem Rathausplatz mit dem eleganten Palazzo del Municipio und dem Stadtturm der Porta Vecchia, insbesondere die Burg. Die Anlage hat einen quadratischen Grundriss und ist umgeben von einer mächtigen Mauer mit zwölf Türmen. Der Raum innerhalb der Mauern dient heute als öffentlicher Park.
Mitten in den Euganeischen Hügeln liegt der Ort Arqua Petrarca. Das Dorf, in dem der Dichter Francesco Petrarca seinen Lebensabend verbrachte, hat noch seinen ursprünglichen mittelalterlichen Charakter bewahrt. Der Zustand, in dem der Besucher den Alterssitz Petrarcas heute vorfindet, geht auf einen Nachbesitzer aus dem 16. Jahrhundert, den Adligen Pietro Paolo Valdezocco zurück. Er ließ das obere Stockwerk mit Fresken ausmalen, die sich auf die Hauptwerke des Dichters, Canzoniere, Trionfi und Africa beziehen. Zusammen mit dem Sessel und dem Bücherschrank Petrarcas sind diese Räume heute als Museum in Reminiszenz an Petrarca zu besichtigen.
Hervorragend erkunden kann man das Gebiet um Abanao und Montegrotto Terme aber auch mit dem Drahtesel. Dabei kommt der Pedalritter an zahlreichen herrschaftlichen Landhäusern wie zum Beispiel der Villa dei Vescovi in Luvigliano di Torreglia oder der Villa Benacchio in Galzignano Terme vorbei. Von diesen Landhäusern gibt es in der Region die stattliche Zahl von 4000. Auch ein Abstecher zur Benediktinerabtei Santa Maria Assunta von Praglia mit seinem sehenswerten Kapitelsaal und Refektorium lohnt sich.
Keineswegs fehlen darf eine Stippvisite in Padua mit dem Besuch der Basilika des Hl. Antonius. Hier befinden sich das Grab des Heiligen mit den Reliquien, die Meisterwerke von Donatello beim Hochaltar und die Fresken von Giusto de Menabuoi. Absolut sehenswert sind aber auch die pittoresken Plätze, der Palazzo della Ragione (Gerichtspalast), die antike Universität, wo einst Galileo Galilei unterrichtet hat und das Pedrocchi-Café, das älteste und eleganteste Kaffeehaus der Stadt. (Friedrich H. Hettler) (Das Abschöpfen des Fango für die Behandlung ist Handarbeit; der Fango beim Reifeprozess; der Rathausplatz in Este; das Petrarca-Haus und ein mit Fresken ausgemalter Raum im Obergeschoss; die Reliquienkapell in der Antonius-Basilika und die Kirche von außen - Fotos: Friedrich H. Hettler; das Atlantic Terme Natural Spa & Hotel in Abano Terme - Foto: Hotel; das Hotel Terme Antoniano in Montegrott Terme - Foto: Hotel)

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