Kommunales

Auch außerhalb der Alpen sieht sich die Bergwacht Bayern gefordert. (Foto: BSZ)

19.11.2010

Absturzgefahr im Flachland

Bayerns Bergwacht gründet landesweit teure neue Stationen – Die Kommunen zögern bei der finanziellen Unterstützung

Wer im Altmühltal Nervenkitzel sucht, wird auf den ersten Blick kaum welchen finden: Hohe Berge, enge Schluchten und reißende Flüsse – Fehlanzeige. Stattdessen spottet man, die Altmühl sei das langsamste Gewässer Deutschlands. Im Sommer tummeln sich auf ihr zahlreiche Familien, Senioren und Jugendgruppen in Kanus. Trotz Idylle und Harmlosigkeit gibt es aber in der 3000 Einwohner zählenden Gemeinde Dollnstein jetzt eine Bergwacht. Das klingt zunächst wie ein Witz. Aber wenn man genau hinschaut, dann finden sich durchaus Orte, an denen diese zum Einsatz kommen kann.
Vor 80 000 Jahren spülte sich die Urdonau ihren Weg durch das Kalkgestein frei. Dabei hinterließ sie an manchen Orten steile Hänge, aus denen bis zu 50 Meter hohe Felsen hervorragen. Die Gegend um Dollnstein und Konstein gilt deshalb als Eldorado für Kletterer, mit Routen bis zum Schwierigkeitsgrad 10. Als dann im Herbst 2009 die Bergwacht Bayern beim Dollnsteiner Bürgermeister Hans Harrer (parteilos) anrief und ihn vom Plan der Eröffnung einer Niederlassung in Kenntnis setzte, dachte dieser zunächst, das Ansinnen der Retter würde die Felsen betreffen. Allerdings: Viele Unfälle mit Kletterern hatte es bis dahin in und um Dollnstein nicht gegeben, an zwei bis drei in den vergangenen Jahren erinnerte sich der Bürgermeister.
Auch in anderen Orten baut die Bergwacht Bayern derzeit neue Stationen auf, dazu zählen unter anderem Frammersbach (Landkreis Main-Spessart), Ludwigsstadt (Landkreis Kronach) und Flossenbürg (Landkreis Neustadt an der Waldnaab). Allen gemeinsam ist der Umstand, dass ihre Topografhie eigentlich kein alpines Gelände aufweist. Warum also dann das Engagement der Bergwacht?
Der Grund ist das vor einem Jahr novellierte bayerische Rettungsdienstgesetz. Dort heißt es, dass die Bergwacht Bayern für die Rettung verletzter, erkrankter oder hilfloser Personen im Gebirge, Höhlen oder einfach „unwegsamen Gelände“ zuständig ist. Zum Patientenkreis zählen damit nicht nur Alpinisten und Skifahrer, sondern auch erschöpfte Wanderer, abgerutschte Sportkletterer, gestürzte Mountainbiker und verletzte Waldarbeiter.
Und von diesen gibt es im Altmühltal jede Menge, davon ist zumindest Jürgen Schmieder, Leiter der Bergwacht Frankenjura, überzeugt: „Das sind die Personen, für die unsere Bergwacht zur Verfügung steht, wenn sie im unwegsamen Gelände verunglücken.“ Die Bergwacht bietet für solche Rettungen hochspezialisierte Helfer, mit Kletter-Erfahrung und entsprechender Ausrüstung. Mit ihren kleinen Jeeps kommen sie tief in die Wälder hinein, mit geländegängigen Tragen auch schmale Wege hinauf und wenn es sein muss, fliegt ein mit einer Seilwinde ausgestatteter Rettungshubschrauber in 20 Minuten aus Nürnberg an.
Diese Aussichten überzeugten den Dollnsteiner Bürgermeister Hans Harrer. Aber auch der Kommandant der dortigen Freiwilligen Feuerwehr, Franz Mittermeier, träumt von einem Schulterschluss der Rettungsdienste, der so manchen Einsatz einfacher gestalten könnte. Der oberste Brandbekämpfer des Dorfes ließ sich auch gleich zum Sprecher der Dollnsteiner Bergwacht wählen. „Ich kann mich noch gut an die rund 20 Einsätze in den vergangenen zehn Jahren erinnern, in denen die Feuerwehr an ihre Grenzen stieß.“ So erschlug beispielsweise im September 2008 ein herabstürzender Felsbrocken einen 41-Jährigen beim Klettern im Wald. Die Feuerwehr musste die Leiche des Mannes von dem steilen Hang bis zur nächsten Straße tragen. Hilfe kam damals nur von anderen Kletterern, die Seile spannten, an denen sich die Feuerwehrmänner festhalten konnten.


Skeptische Gemeinderäte

Die ungeklärte Frage in Dollnstein ist aber noch die langfristige Finanzierung des Projekts. „Die Unterbringung wird traditionell von den Kommunen unterstützt“, sagt Gerhard Opperer, Geschäftsführer der Bergwacht Bayern. Vorerst kann ein Fahrzeug in Dollnstein bei der Feuerwehr untergestellt werden. Wie aber ein Anbau für mehrere Geländewagen finanziert werden soll, „ist ein echtes Problem“, klagt Bürgermeister Harrer.
Wie soll aber der Gemeinderat auch von einem Projekt überzeugt werden, das, anders als der Brandschutz, keine klassische kommunale Aufgabe darstellt. Außerdem sind die meisten Kommunen derzeit zu massiven Sparanstrengungen gezwungen.
„Der Aufwand für eine Gemeinde ist überschaubar“, versichert dagegen Gerhard Opperer. Oftmals hätten sich Lösungen finden lassen, in denen die Kommunen eine Garage im Bauhof oder ein Baugrundstück kostenlos abgetreten hätten. Wie die Gemeinden aber konkret der Bergwacht helfen, das entscheidet sich von Fall zu Fall. Und bis das Problem akut wird, könnte sich auch der Dollnsteiner Gemeindehaushalt wieder konsolidiert haben.
Frühestens in zwei Jahren werden die momentan rund 35 Anwärter zu Bergwachtlern ausgebildet sein. Vorher steht noch eine anspruchsvolle Ausbildung in Klettern, Skifahren, Notfallmedizin sowie Winter-, Sommer- und Luftrettung an. Bis dahin kostet die Bergwacht die Gemeinde Dollnstein nichts – außer die frei Zeit ihrer Einwohner. (Ralf Fischer)

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