Kommunales

30.07.2010

„Armen-Ghettos vorprogrammiert“

Hartz-IV-Empfängern sollen künftig nur mehr Anspruch auf kleine Wohnungen haben

Ein Vorstoß des Bundesarbeitsministeriums zu den Unterkunfts-Regelungen von Hartz-IV-Empfängern hat die Kommunen in Bayern aufgeschreckt. Bei dem Plan geht es darum, die Städte aus Vereinfachungsgründen künftig selbst entscheiden zu lassen, wie viel Miete und Heizkosten sie für die Langzeitarbeitslosen bezahlen. Eine Arbeitsgruppe der Gemeindefinanzkommission hatte vorgeschlagen, dass der gesetzliche Standard bei Wohnungen für alleinstehende Hartz-IV-Empfänger auf bis zu 25 Quadratmeter reduziert werden könne.
Bislang werden Empfängern von Arbeitslosengeld II die Unterkunfts- und Heizkosten erstattet, soweit sie als angemessen gelten. Die Größe der Wohnung gilt dabei als Richtwert. Bei einem Single-Haushalt sind dies derzeit 50 Quadratmeter, für jede weitere Person kommen 15 Quadratmeter hinzu. Die Werte basieren auf einem Urteil des Bundessozialgerichts in Kassel. Die Richter hatten das Vorgehen von Arbeitsagenturen für rechtswidrig erklärt, den Betroffenen deutlich kleinere Wohnungen zuzuweisen.
Kritiker befürchten, dass der neue Vorschlag des Bundes ein taktisches Manöver ist, um seinen Anteil von mittlerweile nur noch 23,6 Prozent der Kosten für jede Hartz-IV-Unterkunft noch weiter zu reduzieren. Schließlich bestehe die Gefahr, dass die hoch verschuldeten Kommunen dank ihrer neuen „Entscheidungsfreiheit“ dazu gezwungen werden, die Wohnungsgrößen erheblich zu senken.
Sollte das Vorhaben umgesetzt werden, bedeutet dies jedoch auch, dass sich einige Langzeitarbeitslose auf einen Umzug gefasst machen müssten. Auch wenn das Arbeitsministerium solchen Überlegungen mit dem Argument widerspricht, die Kommunen würden verpflichtet, den ortsüblichen Mietspiegel zu beachten und Hartz-IV-Empfänger bei der Wohnungsgröße nicht schlechter zu behandeln als Menschen mit geringem Arbeitseinkommen, hagelte es Kritik: „Bei allem Verständnis, für Verwaltungsvereinfachung zu sorgen, haben wir doch unsere Zweifel, ob 25 Quadratmeter angemessen sind“, bangt der Sprecher der Diakonie Bayern, Daniel Wagner. „Man kann den Rotstift nicht bei Leuten ansetzen, die sowieso nichts haben.“
In schärferer Form reagierte der Deutsche Mieterbund auf die Pläne aus Berlin: „Die Vorstellung, bei den Unterkunftskosten für Hartz-IV-Empfänger sparen zu wollen, ist unerträglich. Das ist der nächste Sparhammer, der einkommensschwache Haushalte betrifft“, schimpft Präsident Franz-Georg Rips. „Leidtragende werden hunderttausende von Hartz-IV-Empfängern sein, denen die Abschiebung in Billig- und Kleinstwohnungen droht“, erklärte Rips.
Der Verband bayerischer Wohnungsunternehmen (VdW) prophezeit gar einen „Wettstreit der Kommunen um die niedrigsten Unterbringungskosten für Hartz-IV-Empfänger, bei dem Armen-Ghettos mit Einfachstunterkünften für Einkommensschwache vorprogrammiert sind“, wie Verbandsdirektor Xaver Kroner sagte. Die negativen Folgen für die Städte würden vermeintliche Ersparnisse bei Weitem überwiegen.
Kroners Angst, dass als Folge des Verwaltungs-Vereinfachungs-Projekts die Wohngeldleistungen bei vielen Städten sehr niedrig angesetzt werden, ist allerdings vom Tisch. Das Bundesbauministerium bestätigte am Donnerstag, dass der Anteil des Bundes am Wohngeld nicht – wie ursprünglich vorgesehen – gekürzt wird. An der Streichung des Heizkostenzuschusses will Bauminister Peter Ramsauer (CSU) jedoch festhalten.
Die Wohnungs- und Siedlungsbau Bayern GmbH, einer der größten der rund 125 000 VdW-Partner, bietet in München, Augsburg, Nürnberg, Haar, Lenting, Bayreuth und Fürth knapp 20 000 eigene Wohnungen an. Davon sind rund 7000 Sozialwohnungen, von denen wiederum etwa 60 Prozent an Hartz-IV-Empfänger vermietet werden. Geschäftsführerin Dagmar Frentzen fürchtet um ihre Einnahmen, wenn der Bund an der Streichung des Heizkostenzuschusses festhalten und die Verantwortung für die Kosten auf die Kommunen abwälzen würde: „Die Mietrückstände würden steigen, weil die Hartz-IV-Empfänger ihre Miete schlicht nicht mehr bezahlen könnten.“ Nachfolgend hätten Vermietungsunternehmen Probleme, in die Modernisierung und Instandhaltung der betroffenen Wohnungen zu investieren. (sebastian Winter)

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