Zu einem sozialpolitischen Rundumschlag in Finanzierungsfragen holte diese Woche Josef Mederer (CSU), Präsident des Bayerischen Bezirketags und Präsident des Bezirks Oberbayern, in Nürnberg aus. Während einer Pressekonferenz im Vorfeld der Hauptausschusssitzung des Bayerischen Bezirketags am 12. und 13. Okotober 2016 im mittelfränkischen Triesdorf (Landkreis Ansbach) kritisierte Mederer die beharrliche Weigerung der bayerischen Staatsregierung, die Jugendhilfekosten für die unbegleitet eingereisten minderjährigen Ausländer (UMA) zu übernehmen.
Für das laufende Jahr rechnen Bayerns Bezirke damit, dass rund 140 Millionen Euro an Kosten bei ihnen hängen bleiben. „Und wir gehen von 300 Millionen bis 400 Millionen Euro für die kommenden beiden Jahre aus, die die Bezirke an Jugendhilfekosten finanzieren müssen. Das entspricht je nach Bezirk einer Umlageerhöhung um ein bis zwei Punkte“, sagte der Präsident.
Bezirke finden "wenig Gehör" bei der Staatsregierung
Eigentlich könnte es den Bezirken egal sein, ob sie auf diesen Kosten sitzenbleiben, weil sie diese ja über die Bezirksumlage wieder zurückholen können. „Aber mir geht es um den sozialen Zusammenhalt in der kommunalen Familie Bayerns“, so Mederer. Denn schließlich würden dann die Kommunen belastet, die diese höhere Umlage bezahlen müssten. Für dieses Anliegen finden die Bezirke laut Mederer derzeit aber „wenig Gehör“.
Doch das Finanzierungsproblem wird nicht geringer, wie die Kostenschätzung der Bezirke für 2017 und 2018 zeigt. Denn die jetzt noch Minderjährigen würden dann, wenn sie über 18 Jahre alt werden, in die Finanzierungszuständigkeit der Bezirke fallen. „Derzeit haben wir rund 11.200 junge unbegleitete Flüchtlinge im Freistaat. Doch wir wissen nicht, wie sich die Lage entwickeln wird“, so Mederer. Wenn wieder mehr Flüchtlinge nach Deutschland kommen, könne sich diese Zahl auch erhöhen.
Und noch ein Grund für die Kostenübernahme für die UMAs ist Mederer wichtig: „Wenn wir die Bezirksumlage erhöhen, werden das ganz sicher gewisse politische Gruppierungen in den Kommunalparlamenten für sich ausnutzen.“ Ohne die AfD beim Namen zu nennen, betonte Mederer, dass er genau das nicht will. Außerdem erhalte der Freistaat vom Bund entsprechende Finanzmittel für die Kosten, die durch die Flüchtlingsaufnahme entstehen. „Diese Mittel reicht er aber nicht an uns Bezirke weiter!“
Steuernd eingreifen
Mederer stört es auch, dass die Bezirke nur zahlen dürfen, aber nicht steuernd eingreifen können. So seien etwa die Bemühungen der Landkreise Cham und Fürstenfeldbruck sehr vorbildlich. Dort würden die noch minderjährigen Flüchtlinge fit gemacht für ihr späteres selbstbestimmtes Leben. „Sie lernen, wie man einkauft, Essen kocht, die Wohnung einrichtet und die Wohnung putzt – eben alles lebenspraktische Dinge“, so Mederer. Diesen Ansatz hätten die Bezirke gerne in allen Landkreisen und kreisfreien Städten, in denen es UMAs gibt, umgesetzt. Doch das können sie nicht anweisen.
Ein weiterer Bereich, für den der Freistaat zwar seine Finanzierungszusage bei der letzten Kabinettsklausur in St. Qurin am 28. Juli 2016 gegeben hat, ist der Aufbau des landesweiten Krisendiensts für Menschen in psychischen Notlagen. Zwar sei das Gesetzgebungsverfahren hin zu einem bayerischen Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz (PsychKHG) eingeleitet, doch noch sind keine entsprechenden Mittel in den Haushalt des Freistaats eingestellt worden. „Wir können die Kosten für ein bayernweites Krisennetzwerk nicht alleine schultern“, betonte Mederer. Der Freistaat solle sich mit mindestens 50 Prozent an den Kosten beteiligen. Der in der Endausbaustufe 24 Stunden erreichbare Krisendienst soll vor allem Rettungsdienste, Notärzte, die Polizei und die Feuerwehr entlasten. Denn diese müssten bisher ausrücken, wenn es zu so einer psychischen Notlage kommt. „Der Großteil der Krisen ist mit einem Telefonat mit dem Betroffenen abarbeitbar“, so Mederer.
"Still" helfen
Ihm ist es auch wichtig, dass den Betroffenen „still“ geholfen wird und nicht die gesamte Notfallmaschinerie mit Blaulicht in die Wohnsiedlung fährt. „Wir wollen eine Entstigmatisierung von psychischen Krisen, denn in die kann jeder einmal kommen“, erläuterte der Bezirketagspräsident. Er geht davon aus, dass es sich um etwa 60.000 Anrufe im Jahr handeln wird. Insgesamt würden pro Jahr etwa 300.000 Menschen in Bayern psychiatrische Hilfe in Anspruch nehmen – Tendenz steigend.
„Gewinner des Krisendienstes sind die Krankenkassen“, so Mederer. Doch von ihnen seien die Bezirke am meisten enttäuscht, weil sie keinen Finanzierungsbeitrag für das landesweite Krisennetz leisten wollen. Doch sie sparen sich sehr viel an Kosten für nicht ausrückende Sanitäter, Notärzte und Feuerwehrleute sowie durch nicht stattfindende stationäre Aufenthalte.
Diskriminierung
Mederers dritter und letzter Finanzkritikpunkt bei der Pressekonferenz war der Regierungsentwurf für das geplante Bundesleistungsgesetz. Daran moniert Mederer, dass Menschen mit Behinderung diskriminiert werden. Denn sie würden monatlich nur 266 Euro aus der Pflegeversicherung erhalten, sollten sie zum Pflegefall werden. Nicht behinderte Menschen dagegen erhalten in der Pflegestufe 3 etwa 1900 Euro pro Monat. „Wenn ein Mensch mit Behinderung in einer Werkstatt gearbeitet hat und in die Pflegekasse Beiträge einbezahlt hat, hat er auch einen Leistungsanspruch“, betonte Mederer. Er sieht im jetzigen Gesetzesentwurf einen ganz klaren Verstoß gegen die UN-Behindertenrechtskonvention.
(
Ralph Schweinfurth)
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