Kommunales

Die neue Lagune im Nürnberger Tiergarten setzt in zweierlei Hinsicht neue Standards: Sie ist das erste Freiluft-Delfinarium Deutschlands. Zudem wird das Wasser in den Becken in einer bisher einzigartigen technischen Anlage aufbereitet und gereinigt – ganz ohne Chlor. (Foto: Wraneschitz)

19.08.2011

Bessere Lebensbedingungen für Flipper

Das Delfinarium im Nürnberger Tiergarten setzt mit umweltfreundlicher Energieversorgung und Wasseraufbereitung in der Lagune neue Maßstäbe

Für 24 Millionen Euro hat der Nürnberger Zoo eine Außenanlage des Delfinariums inklusive Seekuh-Haus gebaut. Knapp drei Hektar Gelände am Schmausenbuck wurden zur Landschaftstribüne umgestaltet. Seit Mitte Juli ist die Anlage in Betrieb – mit beachtlicher Technik. Allerdings ist die Lagune bei einigen Tierschützern bereits heftig umstritten. Die Kritik an der Delfinlagune im Nürnberger Tiergarten reißt auch nach der Eröffnung vor wenigen Wochen nicht ab. So biete der Zoo entgegen seiner Ankündigung im neuen Delfinarium weiter „Delfinshows“ an, kritisierten das westfälische Wal- und Delfinschutz-Forum und das baden-württembergische Projekt Walschutzaktionen. In Delfin- und Walshows werden die Tiere nach Ansicht der Umweltschützer zu „unnatürlichem Verhalten“ gezwungen. Um das Image einer Zirkusvorstellung abzulegen, spreche die Zooleitung stattdessen von „Präsentationen“.
Shows mit Delfinen gibt es längst nicht mehr
Der stellvertretende Leiter des Tiergartens, Helmut Mägdefrau, erklärt dazu: „1971 haben Delfine Kinder in Booten durchs Becken gezogen. Das war wirklich noch Show. So etwas gibt es heute nicht mehr.“ Nach und nach sei der Informationsgehalt der Vorstellungen erhöht worden – unter anderem, um mit Klischees aufzuräumen wie dem, dass die Meeressäuger bei Lautäußerungen ihr Maul öffneten. „Dinge wie das Balancieren mit Bällen wird es aber trotzdem weiterhin geben“, sagte der Biologe. Oberbürgermeister Ulrich Maly kann die anhaltende Kritik seitens der Tierschützer nicht so recht nachvollziehen. „Entweder ist man gegen einen Tiergarten oder dafür.“ Eine einzige Tierart dürfe man da nicht herausgreifen.
1971, also genau vor 40 Jahren, begann in Nürnberg die Delfinhaltung. Seither zog das „Delfinarium“ ein Millionenpublikum nach Franken, das sich auch von steigenden Eintrittspreisen nicht abschrecken ließ.
Schon 1998 stellten sich die Tiergartenmacher die Frage: Neubau oder Ende des betagten Delfinariums? Vor rund zehn Jahren dann gab es erste Ideen, den Lebensraum der Delfine ins Freie zu verlagern und wesentlich zu erweitern. Doch richtig ernst wurde es mit Amtsantritt des jetzigen Tiergartenchefs Dag Encke. Vor allem ihm scheint man es zu verdanken, dass eine große Stadtratsmehrheit die Anlage akzeptiert hat – trotz des mehr als doppelt so hohen Kostenaufwands. Die Gesamtkosten für das neue Delfinarium belaufen sich statt der ursprünglich angenommenen 10,3 Millionen Euro auf 24 Millionen.
Die Ratsherren konnten bei der Bewilligung der Lagune ruhig großzügig sein – zahlen tun es letztendlich die Besucher durch deutlich höhere Eintrittspreise. Denn im neuen Eintritt ist der Delfinariumsbesuch ab sofort mit eingerechnet. Ob Besucher sich dafür interessieren oder nicht.
Bayerns Umweltminister Markus Söder nennt das Delfinarium „etwas Einzigartiges“. „Hier wird Natur erlebbar gemacht.“ Kinder wie Erwachsene könnten in der Lagune ein Gefühl für den Wert der Natur bekommen. Deshalb leiste die Delfinlagune auch einen Beitrag zum Natur- und Artenschutz.
Rückzugsmöglichkeit bei acht Metern Wassertiefe
Einzigartig und zwar deutschlandweit ist das Delfinarium im Nürnberger Zoo zweifelsohne: Die neue Anlage für die Meeressäugetiere bietet eine sechsmal größere Wasserfläche und das Fünffache des Volumens im Vergleich zum alten Delfinarium. Im Stil eines aufgelassenen Steinbruchs gestaltet, soll die Lagune mit ihrem kristallklaren Wasser, den großen Felsblöcken und Baumstämmen ein Gefühl von Großzügigkeit vermitteln.
Ein Novum: Die Becken sind draußen unter freiem Himmel. Zudem wird das Wasser in den Becken in einer bisher einzigartigen technischen Anlage aufbereitet und gereinigt – ganz ohne Chlor. Das Wasser klärt sich mithilfe von speziellen Filteranlagen und Ozon.Pro Stunde werden 1200 Kubikmeter Wasser durch den Filterkreislauf gepumpt. Sinkstoffe saugt man schon vorher unter Wasser ab. Laub oder andere Fremdkörper, die auf dem Wasser schwimmen, werden mittels Oberflächenströmung entfernt.
Für die zurzeit vier Nürnberger Delfine Moby (51 Jahre), Jenny (25), Noah (18) und Sunny (12) ist das einzige Freiluft-Delfinarium Deutschlands eine wesentliche Verbesserung ihrer Lebensumstände: Zu den bislang etwa 2 200 Kubikmeter fassenden beiden Hallenbecken kommen jetzt weitere 5 460 m³ Meerwasservolumen im Freien dazu.  Bei Wassertiefen bis zu acht Metern bieten sich den Tümmlern nach Tiergartenangaben auch genügend Rückzugsmöglichkeiten. 
Für die im Manatihaus lebenden drei Seekühe Mara, Zorro und Herbert ist ihr neues Becken ein noch viel größerer Fortschritt. Denn bislang hatten sie einen nicht wirklich ausreichenden Lebensraum. Der wird ihnen nun in immerhin 700 m³ Süßwasser geboten. Im umgebenden gläsernen Gebäude, in Passivhausbauweise errichtet, ist ein Dschungelleben mit frei lebenden Tieren sowie ein Urwald mit etwa 50 Pflanzen- und Baumarten wie Kakao, Papaya, Bananen und Ananas zu erleben. Hier herrschen das ganze Jahr über tropisch-feuchtwarme, gleichmäßige Temperaturen.
Den Besuchern dürfte die neue Lagune gefallen: Denn im Vergleich zu früher können sie die Delfine nun den ganzen Tag und nicht nur während der Vorführungen betrachten. Doch nur, wenn es nicht stark regnet.
Auch bei der Energieversorgung von Delfinlagune und Tropenhalle kommt ein ausgeklügeltes Konzept zum Tragen. Eine thermische Solaranlage erwärmt sowohl das Salzwasser in den sechs Becken der Lagune als auch das Süßwasser im Manatihaus. Die 120 Quadratmeter große Solaranlage befindet sich auf dem Dach eines eigenen Technikgebäudes; sie erzeugt bis zu 60 Kilowatt Wärme im Jahr, je nach Dauer der Sonneneinstrahlung – so viel, wie es braucht, um vier bis sechs Einfamilienhäuser ein Jahr lang zu beheizen
Im Winter werden die zwei Show-Becken mit einer Traglufthalle überdeckt sein. Das Luft-Dach kommt nicht nur den Besuchern zugute, sondern auch dem Energieverbrauch der gesamten Anlage.
(Claudia Schuh, Heinz Wraneschitz)

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