Kommunales

Der historische Doppelbogen über die Vils erinnert an eine Brille, hinter der sich eine idyllische Altstadt erstreckt. (Foto: Mitsching)

05.11.2010

Blick durch die Stadtbrille

Das oberpfälzische Amberg feilt beharrlich an seinem Image als Kunst- und Kulturstadt

Man geht durch die „Stadtbrille“ – und staunt. Der historische Doppelbogen über der Vils eröffnet den Blick auf Ambergs Altstadt: fast ein bisschen venezianisch angehaucht mit all den Brücken, mit den Gondeln, die hier Pletten heißen. Auf ein paar Metern begegnen sich Renaissance, Barock, Gotik – und die Wirtshausschilder von sechs ortsansässigen Brauereien, mit denen sich gut (heuer zum zweiten Mal) ein herbstliches Festival „Wirtshaus und Kultur“ feiern ließ. Das erste Gasthaus mit so bodenständigen Angeboten wie „Bauchstecherl mit Apfelmus oder Kraut“ und dem „Amberger Glasmacherbraten“, das zweite mit Bernhard Lubers „Erlboch-Muse“ und seiner Steirischen. Dazu Lesungen aus Franz Xaver von Schönwerths Sagen- und Märchensammlungen, weil man ja seinen 200. Geburtstag heuer feiert.
Das Vorurteil von Provinz und Kleinstadt verfliegt schnell, wenn man die Plakate in der Stadt studiert: Da liest man von Gastspielen mit dem Bariton Christian Gerhaher, dem frisch gekürten „Opernsänger des Jahres 2010“ und Star der Wiener und Münchner Staatsopern. Der Stadtwanderer entdeckt auch Ankündigungen von Konzerten mit dem Pianisten Martin Stadtfeld, der schon mehrfach mit dem „Echo“ ausgezeichnet wurde. In der Erinnerung sind auch örtliche Gastspiele des Mahler Chamber Orchestra (1997 von Claudio Abbado gegründet). Das alles wird in einem historischen Stadttheater im Empire-Stil geboten, das nach der Säkularisation in ein Kloster eingebaut wurde.
Kein Wunder, dass Kulturreferent Wolfgang Dersch ins Schwärmen gerät und die Schlagzeile „Kultur im historischen Ambiente – aber preisbewusst!“ für Amberg improvisiert. Dabei weiß er genau, welche Gratwanderung das ist mit der Kultur für eine knapp 45 000 Einwohner zählende Bevölkerung – und einem seit zehn Jahren gleichbleibenden Kulturetat, dazu einem schrumpfenden Arbeitsplatzangebot: Siemens beschäftigt hier zwar noch 4300 Mitarbeiter, aber die Bundeswehr ist nicht mehr da. Amberg hat zwar eine prima Verkehrsanbindung und gleich vier Gymnasien – ihm haftet aber auch Ruf einer etwas verschlafenen ehemaligen oberpfälzischen Residenzstadt an.

Lokale Kulturgewächse

Dagegen kämpft Dersch nach Kräften an und setzt auf „weiche Standortfaktoren“ – auch wenn an den Cafétischen als bester Zug Ambergs der nach Regensburg gelobt wird, weil man hier an der Vils keine Arbeit findet. Ambergs Angebot in Sachen Kultur nützen im Amberger Stadttheater derzeit 199 Abonnenten (bei 500 Sitzplätzen) für ein von außerhalb organisiertes Schauspielprogramm und sechs Abonnementskonzerte. Natürlich fährt Ambergs ambitioniertes Kulturpublikum auch nach Regensburg, Nürnberg oder München und weiß, was gut ist – schätzt es aber, wenn es Christian Gerhaher und seinen Begleiter Gerold Huber hier für 19 Euro genießen kann, und das mit einem keinesfalls provinziellen Programm (neben Haydn und Beethoven auch Schönberg, Webern und Berg). Ob Gerhaher nach Amberg kommt, weil Dersch sein Schulkamerad aus Straubinger Zeiten war?
Aber der Kulturreferent kann auch eine Menge originaler Amberger Kulturgewächse aufzählen: das Spontantheater SPOT, ein Kindertheaterfestival, wo die Kinder Jury spielen dürfen, das Amberger Sinfonieorchester mit seinen Semiprofessionals, den Oratorienchor und die Chorgemeinschaft, ein Ensemble con brio und das „young.amberg.classic“ mit den jungen Gymnasiasten, die auch im Landes- oder Bundesjugendorchester spielen.
Den großen Bekanntheitsschub als Kulturstandort bekam Amberg 2003 durch die Landesausstellung zum „Winterkönig“ Friedrich V. von der Pfalz – das verpflichtete und es hieß „nachlegen“. Das Amberger Cultur Centrum (ACC) tut es alle zwei Jahre mit einer großen Kunstausstellung (Marc Chagall, Joan Miró, namhafte Künstler des 20. Jahrhunderts) – viele Touristen verbinden Amberg geradezu mit diesem sommerlichen Angebot. Nicht um die Säulenheiligen der Kunstgeschichte geht es Wilhelm Koch in seinem pfiffigen Luftmuseum direkt an der Vils: Jetzt ist Amberg auch ein „Luftkunstort“.
Das klingt so originell, dass die ACC-Besucher noch die paar Schritte durch die Stadtbrille in die Altstadt machen. Die hätte mit der wunderbaren barocken Provinzialbibliothek oder der Klosteranlage der Malteser und ihrem Innenhof, wo man so schön Orffs Carmina burana aufführen kann, noch eine Menge anderer attraktiver Kulturschauplätze, die 2011 erstmals auch das Festival „Der Fränkische Sommer“ nutzen wird.
Und dann holt Wolfgang Dersch aus seinem Schreibtisch einen fein herausgeputzten Plan in Foliantengröße: die Bewerbung für die Landesausstellung 2016. Dann geht es um 500 Jahre bayerisches Reinheitsgebot – und die Bierstadt Amberg bewirbt sich mit ihren Brauereien, den Mälzereien im Landkreis, der Zeuglbier-Tradition und dem Renaissance-Bau des Schießstadls, wo das Ganze stattfinden könnte. Auch wenn – wen wundert’s – Kulmbach als Konkurrent seinen Maßkrug in den Bewerbungsring wirft: „Ich schätze unsere Chancen gut ein“, sagt Dersch und argumentiert mit dem historischen Ausstellungsgebäude, der Konzentration auf die Altstadt und der Verbindung zu den Biermetropolen in Böhmen: Auf der A 6 ist Amberg allemal einen Kulturstop wert, bei dem offenbar niemand verdursten muss. > (Uwe Mitsching)

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