Kommunales

26.07.2013

Comeback der Kommunalanleihe

In Zeiten knausriger Banken holen sich Kommunen die Kredite wie schon in der Weimarer Republik gern auch mal bei ihren Bürgern

Die beiden größten fränkischen Städte, Nürnberg und Würzburg, wappnen sich für einen schwieriger werdenden Kreditmarkt: Durch eine gemeinsame Kommunalanleihe machen sich die beiden Kommunen unabhängiger von Banken. Denn diese haben aufgrund neuer Regeln zum Eigenkapital weniger Spielraum bei der Kreditvergabe.
„Dadurch schrumpft für uns das Angebot“, so Würzburgs Stadtkämmerer Christian Schuchardt. Statt zehn akzeptabler Kreditofferten, wie einst, gebe es heute oft höchstens noch vier oder fünf. Deshalb fand die 100 Millionen Euro schwere, mit 1,875 Prozent festverzinste „Franken-Anleihe“ bei den Stadträten beider Kommunen sofort Zustimmung. Seit Mitte Mai wird sie angeboten. Das Interesse ist groß, obwohl die Emission von Kommunalanleihen in Deutschland noch ungewöhnlich ist – oder vielmehr ungewöhnlich wurde, denn früher sah es hierzulande schon mal anders aus. In der Weimarer Republik etwa war es üblich, dass sich Städte ihr Geld auch am Kapitalmarkt liehen. Das Modell wurde aber bereits während seiner Hochphase zu Beginn der 1930er Jahre im Zuge der knallharten Deflationspolitik von Reichskanzler Heinrich Brünning diskreditiert. Wegen des stets guten Kreditangebots durch die privaten Banken gerieten kommunale Anleihen nach dem Zweiten Weltkrieg in Vergessenheit. Hannover platzierte 2009 als erste deutsche Stadt wieder eine Anleihe über 105 Millionen Euro.
Denn unsichere Zeiten verlangen von Investoren mehr denn je, ihre Anlagen geschickt auszuwählen. „Kommunalanleihen sind attraktiv, denn Städte und Gemeinden gelten als bombensicher“, so Ralf Josten, Experte für Kommunalfinanzierung bei der Kreissparkasse Köln. Gemäß der Finanzverfassung liegt die Verantwortung für die Kommunen und deren Finanzausstattung ja bei den Ländern. Kann eine Kommune ihren Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen, weil sie keinen Kredit erhält, hat erst das Land und letztlich der Bund einzuspringen. Kommunen können also nicht pleite gehen. Die „Franken-Anleihe“ ist für Josten darum eine „tolle, intelligente Lösung“.


Gemeinden können ja nicht pleite gehen – oder doch?


Doch nicht alle Banker halten das Ausfallrisiko für Kommunalanleihenehmer für weiterhin vernachlässigbar. Jörg Hopfe, zuständig für öffentliche Kunden bei der NRW-Bank, zeigt die „angebliche Sicherheit“ kommunaler Anleihen in den aktuell unsicheren Zeiten bereits erste Kratzspuren. Bei einem Kongress der Kommunalkassenverwalter im Juni in Würzburg äußerte er: „Vor der Zahlungsunfähigkeit zu stehen, das könnte auch Kommunen passieren.“ Zwar werde das Grundgesetz so interpretiert, dass das Land für die Schulden der Städte und Gemeinden einsteht.
„Das zeigt uns auch die Erfahrung“, bestätigt Stadtkämmerer Schuchardt. So werden in Nordrhein-Westfalen derzeit 34 überschuldete Städte und Gemeinden vom Land mit rund einer Milliarde Euro als Konsolidierungshilfe alimentiert. „Doch dass die Länder für die Kommunen haften, ist letztlich nirgends konkret ausformuliert“, gibt der Würzburger Kassenwart zu bedenken. Nürnberg will übrigens in einem zweiten Schritt auch das finanzielle Polster seiner Bürger nutzen. Für fünf Jahre sollen die ihr Geld bei der Frankenmetropole fest anlegen können. „Perspektivisch haben auch wir das vor“, so der Würzburger. In anderen Städten gibt es schon länger Bürgerkredite. Im Frühjahr 2012 legten zum Beispiel die Stadtwerke Augsburg Energie GmbH ein Bürgerkredit-Projekt zum Ausbau ökologischer Energien mit einem Volumen von zwölf Millionen Euro auf. Bis zum Jahr 2017 ist das Geld zu einer Rendite von drei Prozent angelegt.
Riesige Summen strömen durch Bürgerkredite allerdings nicht in die kommunalen Kassen. Die hessische Stadt Oestrich-Winkel, die bekannt wurde, weil sie ein Feuerwehrauto durch einen Bürgerkredit finanzierte, lieh sich von den Bürgern bescheidene 83 000 Euro. Die Stadt Nürnberg, die mit 1,3 Milliarden Euro verschuldet ist, will zwischen fünf und zehn Millionen Euro einnehmen. Das ist zwar besser als nichts, muss jedoch in Relation zum Aufwand gesehen werden. Schließlich wollen, anders als bei klassischen Kommunaldarlehen oder Kassenkrediten, viele hundert Kreditgeber verwaltet und betreut werden.
Wobei es hier inzwischen auch Hilfe von externen Experten gibt. Die Mainzer Organisation LeihDeinerStadtGeld bietet Kommunen und kommunalen Unternehmen an, alle administrativen Aufgaben rund um den Bürgerkredit zu übernehmen. Das beginnt bei der Verwaltung der einzelnen Bürgerkreditverträge bis hin zur Koordinierung der Zins- und Tilgungsleistungen an die Einwohner.
Die Attraktivität unter der Bevölkerung steht und fällt allerdings mit den konkreten Projekten, für die das Geld benötigt und ausgegeben wird. In Würzburg wäre die Sanierung des Theaters ein dankbares Thema. Nürnberg dagegen will Schulen und Kindergärten mit dem Geld der Bürger bauen. Investitionsbedarf, der mit Bürgerkrediten abgedeckt werden könnte, haben viele Gemeinden außerdem bei ihren Straßen, im öffentlichen Nahverkehr, bei der Wasser- und Abwasserversorgung, bei Sportanlagen und bei Krankenhäusern.
(Pat Christ)

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