Kommunales

Auch älterer Hausrat kann noch eine Menge Geld wert sein. (Foto: Bilderbox)

26.11.2010

Comeback der Sperrmüll-Touristen

Fixe Termine statt periodischer Entsorgung sollen das Schwarzmarktgeschäft mit dem Abfall stoppen

Manchmal kann das Thema Sperrmüllentsorgung ziemlich lustig sein und für Verwirrung sorgen: Wie zum Beispiel Mitte August dieses Jahres in Augsburg, als ein Rentner eine antike Toilettenschüssel mitnahm, die der Betreiber einer Flohmarkthalle zum Kundenfang auffällig vor seinem Geschäft platziert hatte. Der 71-jährige Passant dachte, dass jenes Teil für den Müllcontainer bestimmt sei, packte die Schüssel ein und fuhr davon – ohne freilich zu ahnen, dass der Wert des guten Stücks bei rund 700 Euro lag. Joseph Beuys und die ahnungslose Putzfrau lassen grüßen.
Neben dieser eher harmlosen Form von so genanntem Sperrmülltourismus gibt es seit vielen Jahren jene Menschen, die regelmäßig auf den neuen Entsorgungs-Termin warten, um dann wühlend durch die Straßen zu ziehen. Sie wurden einerseits meist geduldet, denn sie senkten das Müllaufkommen in den Verbrennungsanlagen, wenn sie die sperrigen Sachen mitnahmen – und die Einwohner durften sich als großherzige Spender fühlen. Andererseits hatten die Gemeinden oft massive Probleme mit der Sauberkeit, wenn die Ramschtouristen kamen und im Sperrmüll wühlten.


Organisierte Clans


Diese Problem hat sich in den meisten bayerischen Gemeinden verringert, seit viele Landkreise von der periodischen Entsorgung – meist im Frühjahr und Herbst – auf ein neues System umgestellt haben: den Sperrmüll auf Abruf. Die Bürger können damit den Abholdienst mit ein paar Wochen Vorlauf anfordern und ihren Sperrmüll nach wie vor zwei Mal im Jahr, aber eben ganz individuell, entsorgen lassen. Dies macht sie flexibler, wenn zum Beispiel ein Umzug ansteht oder der Keller ausgemistet werden muss. Außerdem lohnt sich der Weg für Sammler nicht mehr, wenn es statt der fixen Termine nur noch individuell vereinbarte Abholungen gibt.
Laut der Einschätzung von Fachleuten des bayerischen Umwelt- und Gesundheitsministeriums haben mittlerweile die meisten Landkreise das System umgestellt; „aus Praktikabilitätsgründen“ wie ein Sprecher sagt, um der jährlich mehr als 200 000 Tonnen Sperrmüll allein in Bayern Herr zu werden.
Doch in manchen Orten gibt es das alte System noch immer und auch die damit verbundenen Probleme. Im Landkreis Coburg läuft die periodische Entsorgung zurzeit auf Hochtouren, denn es ist Herbst. Hier wird erst im Januar 2011 der Sperrmüll auf Abruf eingeführt. „Wir sind die Letzten im Zweckverbandsgebiet“, sagt Abfallberater Wolfgang Sommer vom Landratsamt Coburg. Die Landkreise Lichtenfels und Kronach sowie die Stadt Coburg haben längst das neue System eingeführt. Sommer findet deshalb, es sei höchste Zeit, dass auch im Landkreis Coburg die Umstellung kommt, denn die Sperrmülltouristen seien in den vergangenen Jahren immer problematischer geworden: „Sie kommen vor allem aus Polen und Tschechien, teils in organisierten Clans mit Transportern und Anhängern, sammeln das Zeug ein und verkaufen es wieder.“
Mittlerweile, so der Verwaltungsmitarbeiter, sehe es nach solchen Aktionen „teilweise aus wie auf dem Schlachtfeld“. Zwar landen so laut Sommer 400 bis 500 Tonnen Sperrmüll pro Jahr allein im Landkreis Coburg nicht mehr im Ofen. Der Abfallberater plädiert dennoch für das neue Konzept, das der Kreistag bereits im Dezember 2008 beschlossen hat. Denn Unbekannte stellen oft Kühlgeräte, Altreifen oder Fernseher zum Sperrmüll, die eigentlich von der Sammlung ausgeschlossen sind und dann auf Kosten der Allgemeinheit nachträglich abgeholt und beseitigt werden mussten. Durch solche anonymen Abladungen stieg die Müllmenge weiter an.
„Wie auf dem Schlachtfeld“
Die Bürger im Landkreis Coburg können ab Januar bis maximal fünf Wochen vor dem gewünschten Termin bei einer Hotline des Abholbetriebes anrufen und einen Termin vereinbaren. Statt bisher vier Kubikmeter dürfen nun fünf Kubikmeter pro Termin entsorgt werden. Dennoch ist die Abholung im Landkreis Coburg weiterhin kostenlos, während etwa die Einwohner in Neustadt 10 Euro zahlen müssen und die Bürger der kreisfreien Stadt Coburg gar 14 Euro berappen sollen. „Das Gute ist, dass die Bürger ihren Sperrmüll nun relativ schnell und spontan entsorgen können, ohne auf die vorgegebenen Termine achten oder selbst zum Heizkraftwerk fahren zu müssen“, wirbt Sommer. Außerdem entstehen für das Kraftwerk keine Belastungsspitzen mehr wie früher noch.
Der Abfallberater beobachtet zurzeit aber ein Phänomen, das es auch in anderen Landkreisen kurz vor der Umstellung gegeben hat: Die Sperrmüllberge türmen sich gewaltiger vor den Häusern auf als in den vergangenen Jahren. Sommer rechnet bei der Bilanz für das Jahr 2010 mit mindestens 2200 Tonnen für den Landkreis Coburg, nach lediglich 2000 Tonnen im Jahr 2009, also 10 Prozent mehr. „Die Bürger wollen ihren Sperrmüll noch schnell entsorgen, bevor eine neue Rechtslage auf sie zukommt“, sagt Sommer. Erfahrungen aus dem Landkreis Kronach zeigen, dass die Sperrmüllmenge im Jahr der Einführung des neuen Systems merklich zurückging. „Auch wir werden anfangs eine Abfalldelle haben, doch dann wird der Turnaround kommen“, so Sommer. (Sebastian Winter)

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