Kommunales

Franz Xaver Peteranderl steht seit 2009 an der Spitze der Interessenvertretung des bayerischen Baugewerbes.

13.04.2012

"Das Insolvenzrisiko unserer Betriebe wird erhöht"

Franz Xaver Peteranderl, Präsident des Landesverbands Bayerischer Bauinnungen, über die Möglichkeit für Kommunen, Zahlungen künftig noch länger aufzuschieben

Säumige Zahler unter den Kommunen können Baubetriebe bald noch länger hinhalten. Eine neue Richtlinie aus Brüssel vereinheitlicht die Zahlungsfristen in Europa. Für Deutschland heißt das: Die Frist für Abschlagszahlungen wird von 18 auf 60 Tage verlängert, die Schlusszahlung hat bald 60 statt 30 Tage Zeit. Ein Albtraum für die Branche.
BSZ Herr Peteranderl, warum konnte die Interessenvertretung von Bau und Handwerk das nicht verhindern?
Peteranderl Die europäische Zahlungsverzugsrichtlinie betrifft alle Mitgliedstaaten und jeweils eine Vielzahl von Branchen in diesen Staaten. Leider waren wir als deutsche Bauwirtschaft mit unserer Kritik auf europäischer Ebene ziemlich allein. Vielleicht versprachen sich viele Kollegen in anderen Mitgliedstaaten tatsächlich Verbesserungen ihrer nationalen Situation. Ohne Mitstreiter aus anderen europäischen Staaten tut man sich auf europäischer Ebene schwer - auch wenn man aus nationaler Sicht gute Argumente für die eigene Position hat. BSZ Wie schaut es derzeit mit der Zahlungsmoral der Kommunen in Bayern allgemein aus?
Peteranderl Das bayerische Baugewerbe führt aktuell eine Umfrage bei seinen Mitgliedsbetrieben zur Zahlungsmoral der öffentlichen und privaten Auftraggeber in Bayern durch. Die bislang eingegangenen Antworten zeichnen für die öffentlichen Auftraggeber nach wie vor ein unerfreuliches Bild. Mehr als die Hälfte der befragten Bauunternehmen beklagt Überschreitungen der heute geltenden Zahlungsfristen um bis zu einen Monat. Deutlich mehr als 20 Prozent unserer Mitgliedsbetriebe müssen bis zu sechs Monate über die Zahlungsfristen hinaus auf ihr Geld warten. BSZ Können Zahlungsverzögerungen Baubetriebe in Probleme bringen?
Peteranderl Baubetriebe sind vorleistungspflichtig. Sie erbringen also ihre Bauleistung und schaffen dem Auftraggeber hierdurch einen Mehrwert; dann müssen sie zusehen, dass sie zu ihrem Geld kommen. Die Personalkosten und die Baustoffe werden also vom Auftragnehmer vorfinanziert. Dass dann jeder Tag Zahlungsverzug die Liquidität der Betriebe belastet, liegt auf der Hand. Hinzu kommt, dass sich die Betriebe rechtlich zwar gegen die Insolvenz des Auftraggebers absichern können; das Problem der fehlenden Liquidität ist vom Gesetzgeber hingegen bislang ungelöst. BSZ Gibt es viele negative Beispiele?
Peteranderl Leider gibt es zu viele Fälle, in denen der Auftraggeber versucht, aus der Vorleistungspflicht des Bauunternehmers, den schon heute langen Zahlungsfristen und der gerade in Bausachen oftmals viel zu langen Verfahrensdauer bei Gerichtsverfahren zu profitieren. Wir kennen Fälle, in denen Mitgliedsbetriebe während des laufenden Bauprozesses von der fehlenden Liquidität erdrückt wurden und Insolvenz anmelden mussten. BSZ Wie kann sich die Verlängerungsfrist ungünstigstenfalls auf einen Betrieb auswirken?
Peteranderl Für die Baubetriebe würde es bedeuten, dass sie noch länger auf ihr Geld warten müssten. Durch die weiteren Zahlungsverzögerungen würde sich das Insolvenzrisiko der Betriebe deutlich erhöhen. Bei einem Bauvertrag auf der Grundlage des BGB war etwa bisher die fertiggestellte Bauleistung sofort abzunehmen. Die Werklohnforderung wurde dann ohne Vereinbarung bei der Abnahme fällig. BSZ Was verspricht sich die EU nach Ansicht Ihres Verbands von dieser Maßnahme?
Peteranderl Die EU sah in den unterschiedlichen Zahlungsbestimmungen und Zahlungsfristen in den einzelnen Mitgliedsstaaten ein Hemmnis für den Binnenmarkt. Die Gefahr einer Verschlechterung in einzelnen Ländern oder für einzelne Branchen, auf die wir bereits frühzeitig hingewiesen haben, wurde nicht ausreichend ernst genommen. Für das bayerische Baugewerbe kann ich sagen, dass uns in diesem Fall keine Richtlinie lieber gewesen wäre als diese. BSZ Werden Sie das Gespräch mit den Kommunen suchen, um gegebenenfalls eine einvernehmliche Lösung zu finden?
Peteranderl Ich sehe hier – ehrlich gesagt – wenig Spielraum für eine einvernehmliche Lösung. Wir wollen erreichen, dass die derzeitigen VOB-Fristen, die von unseren Mitgliedsbetrieben ohnehin als zu lang erachtet und obendrein in vielen Fällen nicht eingehalten werden, keinesfalls verlängert werden. BSZ Ließen sich Teile der Richtlinie eventuell noch abwenden durch entsprechende Lobbyarbeit? 
Peteranderl Die europäische Richtlinie ist bereits letztes Jahr in Kraft getreten und muss bis März 2013 in deutsches Recht umgesetzt werden. Bei der nationalen Umsetzung können und müssen wir ansetzen. Der Bundesgesetzgeber muss sich bewusst werden, dass er mit dem aktuell vorliegenden Referentenentwurf das Ziel der Richtlinie, Zahlungsfristen zu verkürzen, ad absurdum führt. Auftraggeber werden im Gegenteil Zahlungsfristen auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen verlängern und erstmals „Abnahmefristen“ einführen können. Wir werden auf nationaler Ebene sehr deutlich eine Umsetzung der Richtlinie einfordern, die den status quo im Werkvertragsrecht zumindest nicht verschlechtert.
(Interview: André Paul)

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