Kommunales

Marian Offman spricht auf einer Kundgebung von in München lebenden Uiguren. Die in China beheimatete muslimische Minderheit fühlt sich von der Zentralregierung in Peking unterdrückt. Muslime, die sich für bedrängte Juden einsetzen, gab es dagegen noch nicht in München. (Foto: Goldmann)

10.10.2014

"Das öffentliche Bild Israels ist nicht angemessen"

Stadtrat Marian Offman (CSU) über die fehlende Angst vor gewaltbereiten Nazis, die Kooperation mit der muslimischen Gemeinde und München als Reiseziel für junge Israelis

Der Mann hat Mumm: Einem rechtsradikalen Redner schleuderte Offman – umringt von dessen Anhängern – „Lüge“ entgegen. Der jüdische Kommunalpolitiker vertraut auf den Schutz der Polizeibeamten, bisher waren sie immer rechtzeitig zur Stelle. Eine anhaltend hohe Gefahr für jüdische Einrichtungen sieht Offman dagegen durchaus. BSZ Herr Offman, auf dem Höhepunkt der Gaza-Krise gab es israelkritische Demonstrationen in München Wie bewerten Sie das?
Offman Im Gaza-Streifen herrscht eine besorgniserregende Situation, in jeglicher Hinsicht. Auf der anderen Seite muss ich feststellen, dass oftmals in der öffentlichen Wahrnehmung ein Bild von Israel gezeichnet wird, das nicht angemessen ist. Diese Einschätzung teile ich mit der Jüdischen Gemeinde. Was den Konflikt anbelangt hatte ich persönlich Angst um nahe Verwandte in Israel und um das Land. Dann gab es in München pro Palästina Demonstrationen und eine Demo für Israel. Bei den drei Veranstaltungen war ich mit dabei. Einmal habe ich für Israel mitdemonstriert, und bei den anderen beiden Demos war ich in der Funktion als Beobachter.

BSZ Kurz vor unserem Gespräch haben Sie einer Gruppe von Jesiden geholfen, sich mit ihren Anträgen im Behördendschungel zurechtzufinden. Haben sich diese Leute speziell an die Jüdische Gemeinde gewandt?
Offman Nein, gar nicht, es ist ein persönlicher Kontakt. Das Schicksal der Jesiden ist schon dramatisch. Ganze Landstriche wurden entwurzelt. Ich habe die Bilder der Morde gesehen. Die Menschen mussten selbst ihre Gräber ausheben. Das erinnert mich fatal an Bilder von 1940. Ich habe noch keine einzige Demonstration hier gesehen, welche diese Gräueltaten verurteilt. Das wird zwar verurteilt, aber niemand geht deshalb auf die Straße. Nur dann, wenn Bomben auf den Gazastreifen fallen, weil die Hamas vorher Raketen auf Israel geschossen hat, dann haben wir die kritischen Reaktionen in den Medien und natürlich die Zahl der täglich umgekommenen Menschen, was natürlich sehr bedauerlich ist. „Wir errichten ein Palästina auf den Trümmern Israels.“ Diese Doktrin steht bis heute in den Statuten der Hamas!

BSZ Wer mit Israelis spricht, vor allem mit jungen Leute, hört immer, dass sie Deutschland toll finden: Vor allem Berlin, aber auch München wird als Reiseziel geliebt – und das obwohl die Synagogen – so wie alle jüdischen Einrichtungen in Deutschland – immer von der Polizei bewacht werden müssen?
Offman Berlin ist einfach für junge Israelis die Stadt mit Zukunft und hat ebenso viele Startups wie Israel. Viele Israelis kommen aus Familien mit deutschen Wurzeln und sie haben erkannt, dass man mit seiner Vergangenheit im ehemaligen Land der Täter so verantwortungsvoll wie in kaum einem anderen Land umgeht. Eine enge Bindung besteht auch weil Israel fast ein europäisches Land ist, seine maßgeblich prägenden Wurzeln liegen in Mitteleuropa. Und was die Sicherheit der jüdischen Gemeinden angeht: Vor diesem Hintergrund der Konflikte muss immer noch Bedrohungspotenzial für die jüdischen Gemeinden gesehen werden.

 BSZ Wie erleben Sie selbst, ganz persönlich, die antiisraelischen Demonstrationen?
Offman Wenn ich zu Nazidemos oder ähnlich ausgerichteten Kundgebungen gehe, genieße ich eigentlich immer ein Höchstmaß an Schutz. Ein Beispiel: Als sich beim letzten Mal der Zug mit dem Demonstranten in Bewegung setzte, da hat sich einer von der Polizei bei mir vorgestellt und sagte, „Herr Offman, wenn sie da jetzt mitgehen, da möchte ich an ihrer Seite gehen.“ Wir sind eine sehr wehrhafte Demokratie und wir haben einfach durch die Polizei und durch den Verfassungsschutz, wo ich viele Mitarbeiter persönlich kenne, ein hohes Maß an Sicherheit. Ich kann mich frei bewegen wann und wo ich will – auch dort, wo manche Leute meinen, ich könnte gefährdet sein.

BSZ Wenn Sie zu einer Demo gehen, gehen Sie da als der private Herr Offman hin, oder in Ihrer Funktion als Stadtrat, oder als Vorstand der Israelitischen Kultusgemeinde?
Offman In erster Linie gehe ich als Jude hin. Ich will denen zeigen, dass ich keine Angst vor ihnen habe. Deshalb stelle ich mich auch so hin, dass sie mich sofort sehen. Natürlich bin ich auch als Stadtrat dort und bringe insofern meine Beobachtungen und Einschätzung gegenüber Veranstalter und Polizei auch deutlich zum Ausdruck.

BSZ Gibt es ein besonderes, persönliches Erlebnis, das Ihnen in Erinnerung geblieben ist?
Offman Auf Nazidemos war ich schon vor ungefähr zehn Jahren. Ich bin dort damals wie heute einfach mitten reingegangen. Einmal, es war auf der Theresienwiese, stand da einer dieser Wortführer oben auf einem Lkw, mit so einem langen grünen Ledermantel, und hat Antisemitisches von sich gegeben, nach dem Motto „Juden sind selber schuld!“ Stimmgewaltig behauptete er, in New York gäbe es die Devise „Kauft nicht bei den Deutschen,“ und davon abgeleitet dann in Deutschland „Kauf nicht bei den Juden“ – was erwiesenermaßen einfach nicht stimmt. Da habe ich laut „Lüge“ geschrien. Niemand von den Neonazis hatte mit einem solchen Zwischenruf gerechnet. Und als der Redner seine antisemitische Hetze fortsetzte, hab ich nochmals „Lüge“ gerufen. Da sind die auf mich los, wie die Schäferhunde. Plötzlich innerhalb von wenigen Sekunden war ich umringt von einem Kordon Zivilpolizei. Dieses Erlebnis zeigt: Ich kann mich sogar innerhalb „dieser“ Kreise bewegen und ich bin sicher. Ich muss keine Angst haben. 


BSZ Na gut, aber da war ja auch die Polizei vor Ort.
Offman Im Wesentlichen sind Mut und Zivilcourage wichtig. Die Nazis haben mich hinterher noch verfolgt, als ich im Anschluss zurück in meinem Büro ging. Doch da waren sofort wieder beherzte Passanten, die sich zu mir hingestellt haben. Gut, es gibt Menschen, die haben nicht diesen Mut und denen würde ich nicht zu solchen Aktionen raten. 

BSZ Münchens früherer Oberbürgermeister Christian Uhde hat die Projekte der Israelitischen Kultusgemeinde immer unterstützt, ist das unter seinem Nachfolger Dieter Reiter genauso?
Offman Die Stadtspitze und fast der gesamte Stadtrat werden die Israelitische Kultusgemeinde auch weiter unterstützen, genauso wie in den vergangenen Jahrzehnten.

BSZ Werden Ihrer Erfahrung nach jüdische Projekte ebenso unterstützt wie islamische Belange, wie etwa der Neubau vonr Moscheen? Gibt es da unter Umständen Bevorzugungen?
Offman Die Belange der Jüdischen Gemeinde sind in München immer gefördert worden. So haben wir seit 2006 am St.-JakobsPlatz die neue Synagoge und das Gemeindezentrum. Ich glaube, es gibt keine Jüdische Gemeinde in ganz Europa, die so ein großartiges Gemeindehaus hat, wie wir. Im Übrigen genießt das Zentrum, mit dem wir wieder im Herzen Münchens sind, eine extrem hohe Akzeptanz. Es waren schon über 350 000 Menschen bei den Synagogenführungen, die ich so oft wie möglich auch selbst abhalte.

BSZ Mit dem Architekturbüro Wandel-Hoefer-Lorch-Horch hat in München dasselbe Team den Zuschlag bekommen, das bereits die Dresdner Synagoge 2001 projektiert hatte. Die Dresdner haben nach wie vor einige Probleme mit der Bausubstanz, was erhebliche jährliche Mehrkosten verursacht. Wie schaut es hier in München damit aus?
Offman Ja, auch hier hat es einige Baumängel gegeben, allerdings im Gemeindezentrum, nicht in der Synagoge.

BSZ Der Besucheransturm bei den Führungen soll ja enorm sein?
Offman Unglaublich! Über ein touristisches Interesse hinaus, hat das natürlich auch etwas mit Spiritualität zu tun. Manche suchen gelegentlich das spirituelle Erlebnis außerhalb der eigenen bisherigen Erfahrungswelt.

BSZ Haben Sie einen guten Kontakt zum Iman Benjamin Idriz?
Offman Ja, ich habe gelegentliche und gute Kontakte zu Imam Idriz. Besonderer Brennpunkt seiner Gemeindearbeit ist das Moscheeprojekt. Ich unterstütze dieses Projekt, wie auch fast der gesamte Stadtrat. Und ich glaube, die Tatsache, dass die Stadt München sich so für dieses Vorhaben einsetzt, hat dazu geführt, dass die Situation hier vor Ort, was den Gaza Konflikt angeht, erheblich ruhiger war, als in anderen Städten Deutschlands. In unserer Landeshauptstadt spüren die Menschen islamischen Glaubens insoweit eine größere Akzeptanz.

BSZ Das Moscheeprojekt hat ja auch viele Gegner, weil in den Moschen terroristische Aktivitäten vermutet werden.
Offman Viele setzen Moschee mit Terror gleich. Das ist nicht richtig. Radikale Strömungen kann man nicht allen Menschen islamischen Glaubens unterstellen. Etwa 120 000 Menschen islamischen Glaubens leben in München. Die ganz überwiegende Mehrheit führt ein ganz normales friedliches Leben. Man kann sie nicht in Generalhaftung für den völlig inakzeptabelen brutalen Dschihadismus nehmen. Gerade mit Blick auf die Nazizeit hat das Grundgesetz wichtige Grundrechte wie die Versammlungsfreiheit und die Religionsfreiheit postuliert. Menschen islamischen Bekenntnisses haben deshalb das Recht, würdig und auf Augenhöhe mit anderen Religionen ihren Glauben zu praktizieren.

BSZ Würden Sie das EineWeltHaus als Zentrum einer Anti-Israelischen Bewegung sehen? Der Vorwurf stand ja schon wiederholt im Raum.
Offman Nein, auf keinen Fall, das würde ich nicht. Im EineWeltHaus haben 90 Prozent der Veranstaltungen überhaupt nichts mit dergleichen zu tun. Aber es gibt da Gruppierungen, die stark antizionistische geprägt sind. In einer Einladung zu den Palästina-Tagen 2014 wird beispielsweise indirekt Israel des Genozids an den Palästinensern im Gazastreifen bezichtigt. Das ist purer Antisemitismus.

BSZ Wie äußert sich das weiter?
Offman Ich habe im Stadtrat mit meinem Kollegen Richard Quaas einen Antrag gestellt, dass in die Statuten des EineWeltHaus eine Antisemitismus- und Antirassismusformel eingesetzt wird. Zunächst hat man sich beharrlich geweigert. Nach einem persönlichen Gespräch des Vorstands des Trägerkreises mit mir sind wir übereingekommen, dass anlässlich der nächsten Mitgliederversammlung des Trägerkreises diese über die Änderung der Statuten abstimmen soll.

BSZ Salafisten ziehen derzeit auch durch die Münchner Innenstadt, sehen Sie darin eine potentielle Bedrohung?
Offman Die Situation mit den Salafisten sehe ich kritisch. Die Salafisten setzen dort an, wo es nicht gelungen ist, junge Menschen erfolgreich zu integrieren. Salafisten streben danach, dass die Scharia über dem Grundgesetz steht. Das ist völlig absurd. Die Scharia ist grundgesetzwidrig, sie ist völlig inkompatibel mit den fundamentalen Prinzipien unserer Demokratie. Auf lokaler Ebene geht es darum, gerade den sehr hohen Anteil von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund so in unser Ausbildungssystem erfolgreich zu integrieren, dass sie nicht mehr anfällig sind für radikalen Ansätze der Islamisten und Terroristen.

BSZ Gibt es etwas, was Sie sich wünschen würden, was Sie als Nahziel haben, als Stadtrat, als Vorstand der IKG?
Offman Mein Traum ist natürlich Frieden in Israel und Frieden in der Region. Mein Traum ist eine Zweistaatenlösung. Es sollten im Nahen Osten Strukturen geschaffen werden, damit die Ursachen dieser Gewaltspirale beseitigt werden können. Der Bekämpfung von Armut und der Verbesserung von Bildungsmöglichkeiten kommen dabei meines Erachtens eine besondere Rolle zu. (Interview: Rebecca König, André Paul)

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