Kommunales

Wo genau sich das Standesamt befindet, dürfte für diese beiden gerade nicht die wichtigste Frage sein. (Foto: DAPD)

08.03.2013

Das Standesamt zieht in den Nachbarort

Ab 1. Januar 2014 gilt in ganz Deutschland die Pflicht zur elektronischen Führung der Personenstandsregister

Die bundesrechtliche Verpflichtung klingt unspektakulär, aber sie wird deutliche Auswirkungen auf die Struktur der bayerischen Gemeinden haben: Ab 1. Januar 2014 müssen alle deutschen Personenstandsregister elektronisch geführt werden. Für viele kleine Standesämter im Freistaat dürfte sich die Eigenständigkeit dann nicht mehr lohnen.
„Bis jetzt ist diese Vorgabe für die Kommunen noch freiwillig“, erläutert Claudia Drescher, die beim Bayerischen Gemeindetag mit der Materie befasst ist. Und deshalb haben sich vor allem kleine Gemeinden im ländlichen Raum mit der Umsetzung auch noch Zeit gelassen. Denn ein Personenstandsregister elektronisch zu führen, ist für manche nur mit wenigen Mitarbeitern besetzte Verwaltung gar nicht so einfach. Es gibt viele technische Richtlinien zu beachten, ebenso Bestimmungen des Datenschutzes. „Das ist zum einen ein ziemlicher Verwaltungsaufwand, und es kostet obendrein noch eine Menge Geld“, so die Expertin vom kommunalen Spitzenverband. Derzeit existieren in Bayern noch 1433 Standesämter mit rund 3500 Standesbeamten. Es spricht viel dafür, dass sich ihre Zahl nach dem 1. Januar des nächsten Jahres reduzieren wird.
Allerdings ist ein Standesamt eben nicht irgendeine Abteilung innerhalb des Rathauses sondern gerade in Bayern mit seiner langen Tradition der kommunalen Selbstverwaltung vor allem Ausdruck von Eigenständigkeit und lokalem Selbstbewusstsein. „Das gehört zum Dorf wie der Kirchturm“, heißt es gern. Wer Geburten protokolliert – aber auch Sterbefälle – und Hochzeiten vollzieht, demonstriert damit, als Kommunalverwaltung mehr zu repräsentieren als eine Vollzugsbehörde der Staatsregierung.


Einmal in zehn Jahren


Effizient ist das freilich nicht immer. In vielen vom demografischen Wandel betroffenen Orten werden kaum noch Kinder geboren und die Zahl der Trauungen geht aus den verschiedensten Gründen zurück. Im Schnitt geht ein Bürger nur ein Mal in zehn Jahren aufs Standesamt. Demgegenüber stehen Kosten für Fortbildungsmaßnahmen, den Kauf entsprechender Fachlektüre oder die Aktualisierung der Software. Wenn ein Bürgermeister nun darauf verzichtet, dafür eine digitale Einspeisung der Daten vorzuhalten, kann er seinem Ort eine Menge Geld sparen.
Für diese Fälle sieht das bayerische Recht entweder eine Aufgabenübertragung auf eine Nachbargemeinde – komplett als „große Übertragung“ oder nur die Durchführung einzelner Aufgaben als „kleine Übertragung“ – beziehungsweise die Zusammenlegung der Behörden mehrerer Orte zu einem gemeinsamen Standesamt vor. Für beide Optionen hat es in der jüngeren Vergangenheit bereits einige Fälle gegeben und die erste Einschätzung seitens der Bürgermeister klingt überwiegend positiv.
„Wir haben diesen Schritt noch nicht bereut“, schreibt Max Bind (Freie Wähler), Bürgermeister von Konnersreuth (Landkreis Tirschenreuth). Seine Marktgemeinde hatte das Standesamt im Rahmen einer interkommunalen Zusammenarbeit mit jenem der benachbarten Stadt Waldsassen zusammengelegt und zahlt dafür eine jährliche Pauschale. Urkunden können auf Wunsch der Bürger bestellt und zugeschickt werden. Nur getraut werden möchten die Leute noch ganz gern vom eigenen Bürgermeister. Und auch aus Waldsassen heißt es, alles funktioniere „reibungslos“.
Die Gemeinden Bad Wiessee, Gmund am Tegernsee, Kreuth, Rottach-Egern und Waakirchen wiederum übertrugen die Durchführung der Aufgaben der Standesämter unter Fortbestand der jeweiligen Bezirke auf die Stadt Tegernsee. In den Kooperationsgemeinden wurden vor der Zentralisierung 16 Standesbeamte beschäftigt, welche die Standesamtsaufgaben meist gemeinsam mit anderen Aufgabenbereichen erledigten oder als Vertretung während der Urlaubs- und Krankheitszeiten tätig waren. Im zentralen Standesamt Tegernseer Tal sind nur noch vier Standesbeamte tätig, davon beschäftigen sich drei mit nichts anderem. „Die Arbeiten können dadurch routinierter, rationaler und qualifizierter erledigt werden“, so Hans Staudacher, Geschäftsleiter im Rathaus. Die Gesamtkosten des zentralen Standesamts werden auf die einzelnen Gemeinden nach Einwohnerzahl umgelegt.
Das klingt zunächst alles ziemlich effizient und erfolgversprechend. Doch Klaus Holub, Verwaltungsdirektor bei der Stadt München und Vorsitzender des Landesverbands der bayerischen Standesbeamten, findet trotzdem Grund für Kritik. Das neue Personenstandsgesetz erlaubt es nämlich bereits seit 2009, Personenstandsregister elektronisch zu führen. „In Bayer gab es aber ein ziemliches Hin und Her, wer die Kosten trägt, ob Freistaat oder Kommunen“, klagt Holub. „Andere Bundesländer sind weiter.“
Das mag man im bayerischen Innenministerium so nicht auf sich sitzen lassen und dokumentiert auf Nachfrage, dass der Zeitrahmen eben nur so und nicht anders sein konnte. Es begann mit der Regelung, für die sich besonders Bayern im Zuge der Personenstandsreform stark gemacht hat: die zentralen Personenstandsregister (ZEPR) auf Landesebene. Das ist kein neuer, zusätzlicher Datenbestand, sondern ein automatisiertes Abrufverfahren, das auf den Registern der einzelnen kommunalen Ämter aufbaut. So können Bürger bayernweit bei allen Standesämtern Auskunft erhalten. In Bayern ist der Anschluss daran jedoch verpflichtend für alle Gemeinden. Allerdings muss der Personenstandseintrag in der Gemeinde XY dafür eben schon elektronisch beurkundet sein. Und da beißt sich die Katze in den Schwanz, den genau daran hat es ja in vielen Kommunen gehakt, weil sie eben nicht wussten, wer die Kosten übernimmt.
Auf Landesebene zog sich derweil ein 2010 gestartetes Auswahlverfahren bis zum Sommer 2011 um zu klären, wer das ZEPR betreiben darf. Den Zuschlag bekam schließlich die Anstalt für kommunale Datenverarbeitung (AKDB). Das Ganze musste dann aber erst noch in einem förmlichen Landesgesetz geregelt werden, was wiederum bis 2012 dauerte. Im Januar vergangenen Jahres begann dann die AKDB mit der Ausschreibung zur Beschaffung der Software, im Juli 2012 starteten die Installationsarbeiten im Rechenzentrum, im Oktober 2012 folgte der Testbetrieb mit ausgewählten Standesämtern, der wiederum wurde im November in einen Pilotbetrieb überführt.
Seit Anfang dieses Jahres werden Soft- und Hardware flächendeckend an alle bayerischen Standesämter ausgeliefert und diese an das ZEPR angeschlossen. Das soll, versichert der Sprecher des Innenministeriums, bis zum 30. Juni dieses Jahres abgeschlossen sein. Die ganze Aktion kostet einmalig zwischen 2,3 und 2,5 Millionen, danach kalkuliert man laufende Betriebskosten von 700 000 Euro jährlich. (André Paul)

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