Kommunales

Dass ein Teil des bayerischen Spessart bald ein Nationalpark werden soll, stößt bei den Menschen der Region überwiegend auf Ablehnung. (Foto: dpa)

20.02.2017

"Das Werk von Generationen ginge verloren"

Bürgermeister Wolfgang Küber (Grüne) aus dem Spessart erklärt, warum ein Nationalpark dort keinen Sinn macht

Umweltverbände und die Landtagsgrünen trommeln für einen Nationalpark im Spessart, die Menschen vor Ort sind mehrheitlich dagegen. Wolfgang Küber (Grüne), Bürgermeister von Rieneck und gelernter Forstwirt, sagt, das Projekt sei sogar ökologisch schädlich.

BSZ Herr Bürgermeister, warum ist ein Nationalpark im Spessart keine so gute Idee?
Küber Weil dann dort die Forstwirtschaft verboten wäre. Der Spessart ist aber ein reines Produkt des Menschen. Mehr als 300 Jahre lang wurde dort gehegt und gepflegt. Unser Vorfahren haben dort im 18. Jahrhundert Pflanzen gesetzt im Wissen, dass erst unsere Generation davon profitieren wird. Da wurde vorbildliche Nachhaltigkeit praktiziert. Das ginge alles unwiederbringlich verloren.


BSZ Was denn konkret?
Küber Zum Beispiel die imposanten Eichen, die ja ein Wahrzeichen des Waldes sind. Die heutigen majestätischen Traubeneichen im Spessart wurden generationenlang vom Menschen dort etabliert und sie werden definitiv nicht überleben, wenn der Mensch sich zurückzieht.


BSZ Warum?
Küber Die Eiche ist ein sogenannter Lichtbaum. Wenn aber der Mensch nicht mehr eingreift, dann werden sich langfristig die Schattenbäume durchsetzen – im Spessart vorrangig die Buche. Das passiert nicht von heute auf morgen, aber in einigen Generationen wird es soweit sein.

BSZ Und wäre das denn so schlimm – Buchen sind doch auch schön?
Küber Ja, schon – aber die Eiche ist wichtiger für die Biodiversität im Wald, unter anderem für das Überleben einiger kleiner Käferarten oder auch verschiedener Pilze. Das kann die Buche allein so nicht leisten.


BSZ Als vor knapp 50 Jahren die Gründung des Nationalparks Bayerischer Wald anstand, gab es anfangs auch massiven Widerstand dagegen – und heute sind die Leute froh darüber, dass sie ihn haben.
Küber Naja, ich weiß nicht. Ich war genau aus diesem Grund vor einiger Zeit in der Gemeinde Sankt Oswald-Riedlhütte im Landkreis Freyung-Grafenau, um mich mal zu informieren – da stagniert die Begeisterung inzwischen auch. Und es gibt ja auch einen entscheidenden Unterschied vom Spessart zum Bayerischen Wald oder auch zum Nationalpark Berchtesgaden.


BSZ Und welcher wäre das?
Küber Dort sind auch die spektakulären landschaftlichen Voraussetzungen dafür gegeben: die Berge oder die Seen. Im Spessart können sie als Tourist auch künftig nicht mehr als wandern gehen. Die ersten 50 Jahre wird man gar nichts davon merken, dass es ein Nationalpark ist.


BSZ Trotzdem dürfte sich Ihre örtliche Tourismuswirtschaft darüber freuen.
Küber Sofern vorhanden, vielleicht. Nur gibt es bei uns wenig davon, selbst in der Rhön sind mehr Hotels. Der vor sechs Jahren ausgerufene Nationalpark Kellerwald-Edersee in Nordhessen ist ein gutes Beispiel dafür, wie anfängliche Erwartungen auf die touristische Zugkraft des Labels Nationalpark enttäuscht wurden. Wenn man heute 100 Leute fragt, was sie sich unter einem Nationalpark vorstellen, dann geben 98 von denen Antworten, die liegen irgendwo zwischen Ponyhof und Ferienpark Geiselwind – einfach null Ahnung.


BSZ Gilt das auch für Ihre eigene Partei – die Landtagsgrünen gehören ja zu den vehementesten Befürwortern eines dritten Nationalparks?
Küber Unten in München kann man ja auch gut dafür plädieren, da muss man sich schließlich nicht damit auseinandersetzen, was das für die Menschen hier konkret an negativen Folgen bedeutet – unter anderem, dass dann eben auch kein Holz mehr geschlagen werden darf. Es gibt dann nur noch eine rechtlich verbindliche Nationalparkverordnung und keine Light-Version.


BSZ Haben Sie und Ihre Mitstreiter eine Idee für einen Kompromiss?
Küber Ja – beispielsweise ein Biosphärenreservat wie in der Rhön. Gegenüber dem Naturpark, der wir im Spessart ja schon sind, würde das nochmal einen verstärkten Schutz bedeuteten. Gleichzeitig wären die Pflege und der Erhalt der vom Menschen geschaffenen Kulturlandschaft auch weiterhin möglich. Oder man bestimmt mehrere einzelne, aber deutlich kleinere Flächen zum Schutzgebiet – jeweils etwa in der Größe von einem oder mehreren Hektar, analog zum Konzept der Trittsteine des Steigerwalds. Ich denke, auch damit könnten die Menschen hier ganz gut leben.   

(Interview: André Paul)
Der 58-jährige Wolfgang Küber (Grüne), von Beruf Forstwirt, ist seit zehn Jahren Bürgermeister der Gemeinde Rieneck im Landkreis Main-Spessart.

Kommentare (1)

  1. voa zua am 22.02.2017
    Überall im Land die gleiche Erkenntnis.
    Dort wo die zusammenhängenden Wälder und Kulturlandschaften seit Jahrhunderten nachhaltig gehegt und gepflegt werden, ist eine höhere Biodiversität vorhanden, als sie jeder Vollschutz bieten kann.
    Diese Arbeit unserer Vorfahren und der jetzt in der Verantwortung stehenden Fachleuten wird von ein paar grün verbrämten Ideologen mit nahezu null Fachwissen mit Füßen getreten.
    Wir brauchen endlich eine andere Naturschutzpolitik. Weg vom Vollschutz in einem der dicht besiedelsten Länder der Welt, zurück zu einer nachhaltigen Bewirtschaftung unserer Lebensgrundlagen. Dazu gehört insbesondere der intensivierten Landnutzung durch die Energie- und Agrarindustrie entgegenzuwirken und den Landverbrauch zu beenden (zumindest erheblich einzuschränken)!
    Das sind die einzig richtigen Ansätze.
    Die Menschen auf dem Land wissen das - Aufgabe der Naturschutzverbände und der Politik müsste sein, das auch in die Köpfe der "Städter" zu bringen.
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