Kommunales

Fünf Prozent aller Lungenkrebs-Todesfälle in Deutschland entstanden durch eine zu hohe Belastung mit Radon. (Foto: DPA)

19.10.2012

Den "lautlosen Killer" bekämpfen

Das Landesamt für Umwelt will mit neuen Radon-Fachberatern einem der größten Gesundheitsrisiken vor allem in Ost- und Südbayern begegnen

Einer Studie zufolge sind etwa fünf Prozent aller Lungenkrebs-Todesfälle in Deutschland auf eine Belastung durch das radioaktive Gas Radon zurückzuführen. Das wären 1900 Tote pro Jahr. Grund genug etwas zu tun. Dabei ist das mangelnde Wissen das grundsätzliche Problem. Viele ahnen nicht, dass sie in einem mit Radon belasteten Haus leben. Daher will das bayerische Landesamt für Umwelt (LfU) ab Anfang 2013 die Ausbildung zum Radon-Fachberater anbieten. Sie sollen künftig bei der Aufklärung der Bevölkerung helfen. Der Präsident des Eigenheimerverbands Bayern, Heinrich Rösl, sieht darin nur einen ersten Schritt.
Eigentlich hat Radon das Potenzial zu einer großen Themenkarriere. Es könnte Schlagzeilen füllen, schon allein weil das radioaktive Gas einen hohen Gruselfaktor hat. Es ist geruchslos, unsichtbar, kommt wie ein Erdgeist aus dem Boden – und tötet. Was die medialen Ausschlachtung bremst, sind die vielen Einschränkungen. Es müssen einige Umstände erfüllt sein, damit Radon seine gefährliche Wirkung entfalten kann. So kommt es zwar überall vor, aber nur in Ost- und in Südbayern ist seine Konzentration hoch genug für eine mögliche Gesundheitsschädigung. Selbst dort aber ist es dann auch nur in Häusern ein Problem, die bestimmte bauliche Merkmale aufweisen – solche sind etwa fehlende Kellerbodenplatten wie man sie in alten Häusern findet oder die undichte Stellen im Fundament. Schließlich tötet Radon nicht in Minuten oder Stunden. Seine krebserregenden Partikel müssen über einen längeren Zeitraum mit der Atemluft aufgenommen werden, um möglicherweise zu einer Erkrankung zu führen.


Vor allem das Dämmen der Häuser ist schuld


Das alles verhindert, dass es Radon als „lautloser Killer“ in die Massenmedien schafft. Doch im Grunde ist es das, glaubt man den Experten. Mediziner des Erlanger Instituts für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin haben weltweite Studien zu den möglichen Folgen einer längeren Radon-Belastung ausgewertet. In einem Beitrag für das Deutsche Ärzteblatt veröffentlichten sie im März dieses Jahres ihre Ergebnisse. Sie sind erschreckend. In ihrer Pressemitteilung werden die Ärzte mit den Worten zitiert: „Radon ist nach dem Zigarettenrauchen die zweitwichtigste Ursache für Lungenkrebserkrankungen.“ Selbst Asbest und so genannte polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe stellten ein geringeres Risiko dar.
Radon ist ein Zerfallsprodukt eines Urannuklids (siehe Kasten). Da Uran schon Milliarden von Jahre vor dem Menschen vorhanden war, könnte man annehmen, dass Radon schon immer Opfer unter den Lebewesen forderte, die Lungen haben. Dem ist aber nicht so. Erst seitdem es Häuser gibt und wohl auch erst seitdem diese massiv gedämmt werden, kommt es zu den risikoreichen Konzentrationen des Gases.
Hier setzt auch die Strategie des Landesamts für Umwelt an. Radon dringt nämlich über ungemauerte Kellerböden oder durch Öffnungen der Versorgungsleitungen in die Untergeschosse ein und steigt von dort nach oben. Insofern sind Gegenmaßnahmen in vielen Fällen relativ einfach. Verfugen oder auch nur lüften kann schon helfen. Nur wissen muss es der Hausbewohner eben. Aufklären über mögliche Radonbelastung sollen künftig die Baufachleute. Ihnen will das LfU Kurse anbieten. Derzeit arbeitet man mit Verbänden noch an den Lerninhalten, heißt es seitens des Landesamts. Der Radonberater soll dann, so das Kalkül des LfU, bei einer Renovierung oder einer thermischen Sanierung auch gleich über eine mögliche Belastung durch das radioaktive Gas und über Gegenmaßnahmen referieren können. Wobei der erste Schritt auch ohne Experten möglich ist. Man muss nur messen. Die dafür notwendigen Exposimeter lassen sich im Internet bestellen. Sie müssen drei Monate bis ein Jahr stehen bleiben.
Im Durchschnitt weist die Raumluft in deutschen Wohnräumen 50 Becquerel pro Quadratmeter Raumluft auf. Die deutsche Strahlenschutzkommission (SSK) etablierte vor Jahren einen Grenzwert bei 250 Becquerel. Wobei auch unterhalb dieses Werts schon Maßnahmen ergriffen werden sollten. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) kommt zu demselben Ergebnis und empfiehlt für Neubauten einen Wert von 100 Becquerel.
Bei Heinrich Rösl waren es 4500 Becquerel. Der Präsident des Bayerischen Eigenheimerverbandes hatte sie in seinem alten Bauernhaus im oberbayerischen Aschau nur per Zufall gemessen. Er war auf einer Veranstaltung, bei der auch Karten gezeigt wurden, auf denen die Radonbelastung gezeigt wurde. Aschau war nicht dabei. „Gebt mir ein Exposimeter und ich messe“, sagte Rösl.
Seit den Ergebnissen ist er zum Vorkämpfer für eine bessere Aufklärung über Radon geworden. Sein Mantra ist, dass Information über die Risiken des radioaktiven Gases Leben retten kann. Der Lehrgang des LfU reicht seiner Meinung nach nicht. Einer Umfrage des Eigenheimerverbandes zufolge, waren in 65 bayerischen Landkreisen lediglich elf zuständige Ämter über die Belastung in ihrem Gebiet informiert. Die seiner Meinung nach insgesamt unzureichende Aufklärung sei „eine Schande, weil durch rechtzeitige Information der Tod von Menschen verhindert werden könnte“, so Rösl.
Ein Problem ist, dass es keine gesetzliche Regelung gibt. Sie könnte die Ämter verpflichten, die Öffentlichkeit auf die Gefahren von Radon in der Raumluft hinzuweisen oder Messungen vorschreiben. Ein Bundesgesetz kam 2009 nicht zustande, weil sich Sachsen und Bayern dagegen sperrten. „Ausgerechnet die Länder, in denen die Radonbelastung am höchsten ist“, kommentiert Rösl verbittert. Ihm zufolge liegt im EU-Parlament einen Entwurf für eine europaweite Lösung. Sie soll 2014 in Kraft treten.
Nicht alle lassen sich so viel Zeit. Die Stadt Dachau etwa kaufte im Mai dieses Jahres 77 Radon-Exposimeter. Sie sollen jeweils im Dreierpack ein Jahr lang in Schulen, Kindertagesstätten, Ämtern und einer Obdachlosenunterkunft ausgelegt werden. Grund für die Entscheidung war ein Antrag der Freien Wähler im Stadtrat. Daraufhin hatte die Stadtverwaltung beim Landesamt für Umweltschutz angefragt, ob in Dachau möglicherweise Gefahren bestehen. Vom LfU erfuhr die Kommunalbehörde, dass in Dachau tatsächlich hohe Radonkonzentration vorkommen könnte. Die Mitglieder des Umweltausschusses der Stadt, die die Exposimeter absegnete, waren übrigens erstaunt, ob des niedrigen Preises. 77 Stück bekamen sie schon für 1650 Euro. (Peter Oberstein)

Kommentare (1)

  1. Radonschutz am 18.01.2013
    Gegen in bestehende Keller und Gebäude eindringendes Radon gibt es mittlerweile sehr guten, auch nachträglich einzubauenden Radonschutz
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