Kommunales

Auch das Veeh-Harfen-Ensemble erfreut sich im Rahmen der Musikgeragogik großer Resonanz. (Foto: E.B.)

16.09.2016

Der Beruf des Musikgeragogen

Musikalische Bildung im Alter gewinnt angesichts des demografischen Wandels an Bedeutung

Ich habe Blut und Wasser geschwitzt, als ich vor über 20 Jahren zum ersten Mal versuchte, mit alten Menschen Musik zu machen“, erinnert sich Markus Adam. Damals fand das Angebot des jungen Studenten im Altenheim nur wenig Resonanz, heute kann der stellvertretende Leiter der Musikschule Ismaning und Fachberater für Musik im Alter des Verbands Bayerischer Sing- und Musikschulen eine Erfolgsbilanz seiner Tätigkeit ziehen. Denn seit zehn Jahren bietet er einmal im Monat im Bürgerstift Ismaning und in der dortigen Tagespflege alle 14 Tage interaktives Singen und Musizieren an, für rüstige „junge Alte“, wie für Hochbetagte.

Anderes didaktisches Vorgehen notwendig


War es früher ein von Enthusiasmus getragenes „learning by doing“, so hat sich mittlerweile ein eigenes wissenschaftliches Fach, die Musikgeragogik, entwickelt. Wikipedia definiert es folgendermaßen: „Musikgeragogik ist eine Disziplin im Schnittfeld von Musikpädagogik und Geragogik, die sich mit musikalischer Bildung im Alter beschäftigt, sowie mit musikbezogenen Vermittlungs- und Aneignungsprozessen“.

Sie basiert auf der Erkenntnis, dass die Arbeit mit alten Menschen ein anderes didaktisches Vorgehen erfordert, als die Musikpädagogik mit Kindern und Jugendlichen. Berücksichtigt werden müssen bei ihr persönliche Lebenserfahrungen, geistige oder körperliche Beeinträchtigungen, vor allem auch das Wissen, wie mit Demenzkranken umgegangen werden soll.

In der Praxis kommen noch andere, mehr emotionale Anforderungen hinzu. „Behutsamkeit und Offenheit für die Bedürfnisse alter Menschen sind die Grundvoraussetzungen“, sagt Adam. Es gehe ihm um die „Personenorientierung“, also die Steigerung der Lebensqualität, das Wiederentdecken von Fähigkeiten, mitunter auch um Sinnstiftung. „Ich will musikalische Erlebnisräume schaffen, in denen Glück, Zufriedenheit und Freude entstehen können“, ist seine Intentionen. Ohne eine spezielle Aus- oder Fortbildung sind diese Ziele freilich nicht zu meistern. Möglichkeiten dazu gibt es mittlerweile.

Die Fachhochschule Münster oder die Universität Vechta haben sich diesem neuen Fach zugewandt, einige Musikhochschulen haben entsprechende Lehrinhalte in ihre Curricula aufgenommen. Der Verband Bayerischer Sing- und Musikschulen e.V. bietet außerdem seit 2012 jeweils an sieben Wochenenden einen Zertifikationskurs an. Inzwischen gibt es in Bayern mehr als 60 Musikgeragogen. Die Altenheime, die auf deren Fachkompetenzen zurückgreifen, sind aber noch überschaubar. Nur wenige Musikschulen arbeiten nach dem Vorbild Ismanings mit Senioreneinrichtungen zusammen. Markus Adam wünscht sich deshalb für die Zukunft, dass „musikalische Angebote für alte Menschen Normalität werden und nicht mehr den Charakter des Exklusiven haben“.

Mehr Freude und Lebensmu bei Senioren


Um diese Vision ein Stück weit Realität werden zu lassen, hat der Bayerische Musikrat in Kooperation mit dem Bayerischen Bezirketag und der Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege im vergangenen Jahr eine Informationstagung im Bayerischen Landtag durchgeführt und dabei für das neue Berufsbild geworben.

Josef Mederer, der Präsident des Bayerischen Bezirketages, wies dabei auf die Notwendigkeit hin, die bestens ausgebildeten Musikgeragogen auch rasch „in Lohn und Brot zu bringen“. Die Geragogik müsse so selbstverständlich werden, wie die Früherziehung, musikalische Angebote sollten zum Alltag in den Heimen gehören.

Josef Mederer ist nach wie vor überzeugt, dass Musikgeragogen nicht nur erfolgreich die Teilhabe am kulturellen Leben sicherstellen, sondern auch positive Auswirkungen auf die Einrichtungen der Altenhilfe haben. Wo es diese Angebote gibt, habe es sich gezeigt, dass alte Menschen durch Musik wieder Freude sowie Lebensmut finden und in der Folge weniger intensive Zuwendung durch das Pflegepersonal benötigen, mitunter auch weniger Medikamente. Der Einsatz von Musikgeragogen sei also eine „Win-Win-Situation“ für alle Beteiligten, für die alten Menschen und die Institutionen, in denen sie leben. (Werner Kraus)
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