Kommunales

Durch die Sezession der Kreisstadt verlöre der Landkreis Neu-Ulm auf einen Schlag ein Drittel seiner Einwohner und den wichtigsten Zahler der Kreisumlage - das wurmt im Landratsamt. (Foto: dpa)

22.09.2017

Der Landkreis Neu-Ulm rechnet die Sezession seiner Kreisstadt durch

Der Stadtrat der schwäbischen Kommune hatte die Unabhängigkeit beschlossen – doch dieser Schritt birgt viele Konsequenzen für beide Seiten

Der Stadtrat der – noch – kreisangehörigen schwäbischen Stadt Neu-Ulm hat sich am 26. Juli 2017 dafür ausgesprochen, einen Antrag auf Kreisfreiheit vorzubereiten. Die Kommune ist die mit Abstand größte kreisangehörige Stadt im Freistaat, selbst deutlich kleinere wie beispielsweise Passau sind kreisfrei. Ob es tatsächlich dazu kommt – entschieden wird darüber durch den bayerischen Landtag – so müsse „wohl davon ausgegangen werden, dass der Beschluss richtungsweisend ist“, meinen die Neu-Ulmer Kreispolitiker.

Im Landratsamt – der Kreis würde durch den geplanten Schritt rund 57 000 Einwohner und damit ein Drittel seiner bisherigen Bevölkerung (rund 170 000 Menschen) verlieren, außerdem den bedeutendsten Umlagezahler – hat man inzwischen eine Lenkungsgruppe einberufen, die sich mit der Vielzahl der zu stellenden Fragen, Aufgaben und Themen eines möglichen Austritts der Stadt aus dem Landkreis befasst.

Im Landratsamt verweist man unter anderem darauf, was der Kreis seit der Kommunalgebietsreform vor 45 Jahren für seine größte Kommune getan habe: „Seit 1972 investierte der Landkreis ganz erheblich in die Infrastruktur im Stadtgebiet Neu-Ulm. Hierfür exemplarisch genannt seien der Umbau und die Erweiterung der Donauklinik sowie der Neubau des Schulzentrums Pfuhl“, heißt es in einem der Staatszeitung vorliegenden Papier. In einer Übersicht werden weitere „bedeutende Investitionen“ aufgelistet – in einem Umfang von fast 72 Millionen Euro. „Abzüglich der Zuschüsse Dritter ... ergeben sich Nettoinvestitionen von 42,7 Millionen Euro“ so die Auflistung.

Mögliche Rechtsstreitigkeiten sind einkalkuliert


Eine reine Formalie werde der Prozess aus Sicht der Autoren darüber hinaus nicht werden, schreiben die Autoren: „Vor der Kreisfrei-Erklärung ist der Kreistag des abgebenden Landkreises Neu-Ulm von der Staatsregierung anzuhören. Der Kreistag erhält dabei lediglich die Gelegenheit zu einer Stellungnahme, seine Zustimmung ist nicht erforderlich. Danach wird der Landtag entscheiden, ob er dem Antrag auf Kreisfreiheit zustimmt. Die Rücksichtnahme auf die Leistungsfähigkeit des verbleibenden Landkreises ist zwingende Voraussetzung für die Kreisfrei-Erklärung der Stadt Neu-Ulm. Vorliegend ist nicht davon auszugehen, dass der Landkreis Neu-Ulm ohne die Stadt Neu-Ulm nicht mehr im gebotenen Maße leistungsfähig wäre.“

Auch mögliche Auseinandersetzungen kalkuliert man im Landratsamt ein: „Neben dem Eintritt der Kreisfreiheit gibt es auch finanzielle Verpflichtungen der Stadt Neu-Ulm gegenüber dem Landkreis festzulegen. Der Gesetzgeber hat damit die Möglichkeit geschaffen, dem Ausgleich etwaiger Härten und Übergangsschwierigkeiten oder dem Wegfall der Kreisumlage Rechnung zu tragen. Auf die Festlegung derartiger finanzieller Verpflichtungen hat der Landkreis jedoch keinen Rechtsanspruch. Davon strikt zu unterscheiden, sind die unmittelbar zwischen Stadt und Landkreis zu regelnden vermögensrechtlichen Verhältnisse, die nicht Gegenstand der Rechtsverordnung der Staatsregierung sein können. Hierüber haben Stadt und Landkreis zu verhandeln und eine Übereinkunft abzuschließen. Bei Uneinigkeit würde zunächst das VG Augsburg als Schiedsgericht entscheiden.“

Auch personalpolitisch hätte die Unabhängigkeit Auswirkungen, eine kreisfreie Stadt bekommt nämlich zusätzliche Verwaltungskompetenzen, etwa in der Baugenehmigung, im Naturschutz oder im Bereich Kinder- und Jugendfürsorge: „Nach derzeitiger Einschätzung sind beim Landratsamt etwa 93 Vollzeitkräfte mit Aufgaben befasst, die gegebenenfalls künftig von der Stadt Neu-Ulm wahrzunehmen wären“, listet das Papier aus dem Landratsamt auf. (André Paul)

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