Kommunales

Für ausreichend grüne Erholungsmöglichkeiten in der Stadt zu sorgen ist auch Aufgabe der Gemeinden. (Foto: DAPD)

29.10.2010

„Die Kommunen waren viel früher dran als der Staat“

LfU-Präsident Albert Göttle über die neue Umweltplattform für Landkreise, Städte und Gemeinden im Internet

Das Umweltbewusstsein und das Engagement für den Naturschutz soll in Bayerns Kommunen künftig stärker vorangebracht werden. Aus diesem Grund startet das Landesamt für Umwelt (LfU) unter dem Namen „UmweltKommunal“ eine neue Internetplattform. Der Bayerische Gemeindetag wirkte am Konzept mit. BSZ Herr Professor Göttle, wo greift beim Umweltschutz in Bayern konkret die Zuständigkeit der Kommunen, wo kann sich der Freistaat zurückhalten?
Göttle Umweltschutz greift und bewährt sich vor Ort, von der Luftreinhaltung über die Ver- und Entsorgung bis zum Naturschutz. Kommunen haben deshalb eine Schlüsselstellung. Der Freistaat unterstützt mit Transfer von Knowhow, mit Förderungen und bei Bedarf mit Messungen. Damit sorgen wir für eine landesweit einheitliche Umsetzung der Vorgaben. Ziel ist die nachhaltige Kommunalentwicklung. BSZ Wie umweltbewusst verhalten sich die bayerischen Kommunen?
Göttle Umweltschutz ist zwar derzeit nicht das Top-Thema, ist aber bei vielen Bürgern fest verankert und hat einen hohen Wert.. Das belegt auch die aktuelle Bevölkerungsumfrage des Bundes zum „Umweltbewusstsein in Deutschland“. Beim Klimaschutz zum Beispiel waren die Kommunen viel früher dran als der Staat. Umweltschutz wird nicht als Last wahrgenommen, sondern ist ein entscheidender Standortvorteil für die Gemeinde. Wir haben in den mehr als 2000 bayerischen Gemeinden eine faszinierende Vielfalt, auch beim Umweltschutz. Viele konkrete Projekte und Vorhaben zeigen, dass der Schritt von der Theorie zur Praxis auch gelingt und gut funktioniert. Aber natürlich müssen die Ressourcen beachtet werden. Da sind bei Finanzierungen und Personal die Spielräume in Gemeinden oft eng. BSZ Wo sehen Sie noch konkrete Defizite in der Praxis?
Göttle Ich sehe drei Brennpunkte: die Luftreinhaltung, den Lärmschutz und vor allem den Flächenverbrauch. Er stagniert auf einem hohen Niveau. Täglich werden in Bayern 16,4 Hektar Flächen bebaut, die Hälfte davon mit wasserundurchlässiger Versiegelung. Die Folge sind der Verlust von Natur-Lebensräumen, Zunahme des Straßenverkehrs und oft ungünstige Siedlungsstrukturen auf der grünen Wiese. Flächensparen ist deshalb wichtig und notwendig, gerade auch vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung. Hier können die Gemeinden mit ihren kommunalen Planungen selbst wirksam gegensteuern und Zeichen setzten für die Zukunft. Es geht dabei auch um die Aufwertung und Wiederbelebung der Innenräume. BSZ Wie funktioniert der neue Internet-Auftritt des LfU, was wird den Kommunen geboten?
Göttle Auf der zentralen Einstiegsseite von UmweltKommunal findet der Nutzer eine Übersicht über fünf Themenbereiche, mit über 20 Beiträgen aus allen für die Kommunen wichtigen Umweltthemen. Eine kompakte Erstinformation gibt dem Einsteiger einen raschen Überblick, zum Beispiel zum Thema Ausgleichsflächen und Ökokonto. Links führen dann zu vertiefenden Informationen aus den Fachseiten des LfU-Internets und zu Materialien unserer Partner, beim Thema Ökokonto zum Beispiel zur Handlungsempfehlung des Gemeinde- und des Städtetags. Abgerundet wird das Angebot durch Best-practice-Beispiele aus den Kommunen, und einen Wegweiser zu Ansprechpartnern für die Fachthemen. Und natürlich steht auch die erweiterte Förderfibel Umweltschutz für Kommunen dort bereit. BSZ Inwieweit haben die Kommunen bei der Konzeption mitgewirkt, wie können sie evtl. nachbessern?
Göttle Fachleute aus Kommunen und die kommunalen Spitzenverbände waren frühzeitig und in allen Phasen eingebunden. Deshalb haben zum Beispiel 15 Kommunen vor der Freischaltung das Angebot getestet und Anregungen gegeben. Im Vordergrund steht schließlich der Nutzwert des neuen Angebots für die Kommunen. Das neue Internetangebot ist eine umfassende Plattform für kommunalen Umweltschutz und soll natürlich besonders von den Beiträgen und Anregungen der Kommunen leben. BSZ Bringt gesteigerter Umweltschutz eine Kommune voran bei Infrastruktur und Lebensqualität – und wenn ja, wie?
Göttle Natürlich ist Umweltschutz ein ganz entscheidender Standortfaktor. Lebensqualität im Wohnumfeld ist eng verknüpft mit der Umweltqualität- von gutem Trinkwasser bis zu Erholungsmöglichkeiten in schöner Landschaft. Das macht den Wohnort attraktiv und steigert die Werterhaltung des Wohneigentums. Bürgerengagement kann die Verwaltungen wirksam unterstützen. Wir haben dafür viele Beispiele, von A wie Ascha in Niederbayern, Augsburg oder Aschaffenburg bis Weyarn in Oberbayern.
BSZ Vielfach sagen Bürgermeister: Übertriebener Umweltschutz kann zum Standortnachteil werden. Wie begegnet man diesem Argument?
Göttle Übertreibungen sind immer schlecht, das gilt auch für den Umweltschutz. Aber es gibt keinen Zweifel: Auch aus wirtschaftlichen Gründen lohnt sich die umweltverträgliche Entwicklung. Es gibt viele Beispiele dafür. So konnte zum Beispiel Merkendorf in Mittelfranken durch eine Vorbildrolle im kommunalen Klimaschutz gezielt Firmen ansiedeln und neue Jobs schaffen. BSZ Binden die Kommunen beim Umweltschutz die Bürger bereits ausreichend ein oder wird da noch viel in der Verwaltung bestimmt?
Göttle Umweltschutz muss vor Ort gelebt werden. Bürgerbeteiligung, zum Beispiel in Agenda-Gruppen und Verbänden, stärkt die Verankerung in der Gemeinde und fördert das Engagement. Die aktiven Partner in der Gemeinde gilt es einzubinden. Dieses Miteinander ist für eine lebendige Gemeinde ein wichtiger Schrittmacher. Sie können dazu beitragen, dass die knappen Mittel optimal eingesetzt werden. Viele Projekte erfordern aber einen „langen Atem“, von den ersten Konzepten bis zur Umsetzung. Das erfordert Durchhaltevermögen und Beharrlichkeit, auch im Umweltschutz. Das wollen wir fördern, auch mit unserem neuen Internetangebot. Gerade in kleinen Gemeinden kann das Bürgerengagement die Verwaltungen auch deutlich entlasten, wie unsere Erfahrungen beim European Energy Award zeigen. BSZ Viele Gemeinden haben gute Einzelideen – leider oft unbekannt. Wie ließen sich Best-Practice-Beispiele stärker promoten?
Göttle Vorzeigeprojekte sind die Messlatte für andere, die sich engagieren wollen. Nur müssen sie auch ausreichend bekannt sein. Da gilt der alte Spruch: Tue Gutes und rede darüber. Wir legen deshalb bei unserer Arbeit als Landesamt größten Wert auf den Praxisbezug. Dazu gehört auch die Vermittlung von Erfolgsbeispielen. Im Internet des LfU stehen Vorzeigeprojekte zum Beispiel zum Flächensparen, zur cleveren und sparsamen Energienutzung oder zur Renaturierung der kleinen Gewässer. Mit Veranstaltungen bei kleineren und mittleren Städten und Landkreisen bieten wir Foren für den Austausch. Aktuell steht am 24. November in Nürnberg ein Seminar „CO2-Bilanzen für bayerische Kommunen“ an.
Interview: André Paul

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