Kommunales

Täglich verschwinden in Bayern freie Flächen in der Größe von 25 Fußballfeldern. (Foto: dpa)

10.07.2015

Die letzten freien Flächen retten

Jahrelang wurde in Bayerns Kommunen versiegelt – Alternativen gibt es, aber sie sind wirtschaftlich riskant und stoßen häufig auf rechtliche Hindernisse

Bayern wächst – zumindest in einigen Regionen – so stark, dass freie Flächen inzwischen zu einem raren Gut werden. Rund 18 Hektar Fläche, das entspricht der Größe von 25 Fußballfeldern, werden laut einer Statistik des bayerischen Umweltministeriums jeden Tag im Freistaat für immer versiegelt. Die Kommunen suchen nun nach Alternativen.

Fläche ist zu einem raren Gut geworden. Es braucht immer mehr Boden, um die Nachfrage nach Wohnungen, die Bedürfnisse von Firmen, den Bedarf nach sozialer Infrastruktur sowie jenen nach Frei- und Freizeiträumen zu befriedigen. Auch kommt die Energiewende nicht ohne Flächen aus. „Der Nutzungsdruck auf unverbrauchten Boden ist ungebrochen“, bestätigt Johann Kronauer vom Bayerischen Städtetag.
Rund 18 Hektar Fläche wird der Statistik des Umweltministeriums zufolge jeden Tag in Bayern verbraucht. Das ist zwar deutlich weniger als noch im Jahr 2000, wo mehr als 28 Hektar freier Fläche täglich verschwanden. Aber immer noch viel zu viel. Rund fünf Quadratmeter verbraucht jeder Einwohner des Freistaats aktuell pro Jahr. Dies wiederum ist weniger als etwa in Thüringen, wo der Flächenhunger bei über acht Quadratmetern pro Kopf und Jahr liegt. Doch etliche Bundesländer sind auch sparsamer als die Bayern. Rheinland-Pfälzer und Hessen etwa benötigen nicht einmal einen Quadratmeter im Jahr.
Im Jahr 2003 initiierte der Freistaat deshalb ein „Bündnis zum Flächensparen“, das eine „deutliche Reduktion“ des Flächenverbrauchs durch eine „nachhaltige Flächenkreislaufwirtschaft“ zum Ziel hat. Was bedeutet: Innenentwicklung soll vor Außenentwicklung gehen. Neue Siedlungsflächen sollen an bestehende Siedlungen angebunden werden. Dies sei jedoch schwer umzusetzen, erklärt Städtetagsvertreter Johann Kronauer: „Die Wirtschaft bevorzugt gut erreichbare Flächen an Ortsrandlagen.“ Städte und Gemeinden würden vor die Wahl gestellt, diesen Wünschen nachzugeben oder auf einen potentiellen Arbeitgeber zu verzichten. Auch seien Baulücken in integrierter Lage oft schwer zu mobilisieren: „Sei es wegen Widerständen der Nachbarschaft oder wegen gesetzlicher Vorgaben.“
Der Bayerische Städtetag erwartet von der Landespolitik ein klareres Bekenntnis zum Flächensparen: „Hierzu gehört auch ein Anbindegebot im Landesentwicklungsprogramm.“ Städtebaufördermittel müssten weiterhin auf einem hohen Niveau gehalten werden, um Ortskerne zu revitalisieren, Baulücken zu mobilisieren und ehemalige Militär- oder Industrieflächen wieder nutzbar zu machen.
Baulücken oder noch freie Gewerbeflächen geschickt zu vermarkten, das wird angesichts des Flächenmangels in vielen Kommunen versucht. In der oberfränkischen Stadt Hof geschieht dies über ein Flächenressourcen-Management. Allerdings sind die Hofer Steuerungsmöglichkeiten im Moment gering, erklärt Pressesprecher Rainer Krauß. Hof hat massive finanzielle Probleme. Bevor inhaltlich an Themen wie „Flächenverbrauch“ gearbeitet werden könne, müsste der Haushalt erst wieder genehmigungsfähig sein. Das ist er derzeit nicht. Deshalb muss auf „Wünschenswertes“ wie die intensivere Mitarbeit am bayernweiten Ziel der Flächeneinsparung momentan verzichtet werden.

Nachverdichtung in der City ist eine Möglichkeit


„In unserem neu aufgestellten Flächennutzungsplan haben wir uns ein sehr moderates Bevölkerungswachstum von höchstens ein Prozent pro Jahr verordnet“, erklärt Walter Brilmayer (CSU), Bürgermeister der oberbayerischen Stadt Ebersberg. Der Siedlungsdruck allerdings sei „gewaltig“, schließlich liegt Ebersberg nur 30 Kilometer von München entfernt. In den vergangenen zehn Jahren wuchs der Flächenverbrauch. Groß sei die Nachfrage nach Grundstücken für den Wohnungsbau und ansiedlungswillige Gewerbebetriebe: „Wir können die Flächen gar nicht bereitstellen, die eingefordert werden.“
Doch es gibt in Ebersberg auch Erfolge. So gelang es vor eineinhalb Jahren, das neue Einkaufszentrum e-EinZ mit einer Verkaufsfläche von knapp 8000 Quadratmetern mitten in der Stadt auf einem brachliegenden, ehemaligen Klosterbauhof zu realisieren. Brilmayer: „Durch diese Maßnahme konnte verhindert werden, dass Fachmärkte außerhalb des Orts auf der grünen Wiese entstanden.“ Indirekt war dieser Triumph im Kampf gegen die Versiegelung der Städtebauförderung zu verdanken, meint der Bürgermeister: „Das e-EinZ wäre nicht verwirklicht worden, wäre nicht zuvor der Klosterbauhof mit Bürgerhaus und Stadtsaal mit Mitteln der Städtebauförderung saniert worden.“ Nur dadurch habe sich der Investor auf das Projekt eingelassen.
Groß ist die Nachfrage nach Flächen auch im Altmühltal. „Doch wir gehen sehr restriktiv mit der Ausweisung neuer Bauflächen um“, erklärt Andreas Steppberger (Freie Wähler), Oberbürgermeister der rund 13 000 Einwohner zählenden oberbayerischen Stadt Eichstätt. Dies gelte sowohl für Boden zum Wohnungsbau als auch für gewerbliche Flächen.
Die restriktive Haltung der Stadt stößt nicht überall auf Gegenliebe. „Dadurch besteht auf jeden Fall die Gefahr, dass wir mögliche Entwicklungen vernachlässigen“, überlegt der OB selbstkritisch. Denn der Konkurrenzkampf zwischen den Kommunen ist groß. Zu den größten Konkurrenten Eichstätts gehört das nahe Oberzentrum Ingolstadt. „Setzen wir den Gedanken ‚Flächensparen’ konsequent um, werden wir den Kürzeren ziehen“, warnt Steppberger.

Alternativen scheitern häufig am Denkmalschutz


Um noch sparsamer mit Flächen umzugehen, müssten die zahlreichen leerstehenden Immobilien in Eichstätts Innenstadt aktiviert werden. „Hier wären Reserven in der Größenordnung von mindesten einem mittleren Neubaugebiets zu aktivieren“, so der Eichstätter Rathauschef. Die Umsetzung scheitert dem Oberbürgermeister zufolge jedoch oft an hohen Auflagen der Denkmalbehörden. Beim Kampf gegen die Versiegelung wäre es aus Steppbergers Sicht deshalb dringend notwendig, die Denkmalpflegeauflagen zu lockern. Brachliegende Wohnflächen in ausgewiesenen denkmalgeschützten Gebäuden oder Ensembles einer Altstadt müssten unkomplizierter saniert und genutzt werden können. „Flächen auf der grünen Wiese könnten dadurch unangetastet bleiben, gleichzeitig würde die Innenstadt durch neue, vor allem junge Bewohner aktiviert“, gibt Andreas Steppberger zu bedenken. Dies hätte weitere positive Konsequenzen für die City: „Zum Beispiel durch die Ansiedlung von derzeit abwandernden Einzelhändlern und gastronomischen Betrieben.“
Während man in Eichstätt Lockerungen bei der Denkmalpflege fordert, wünscht man sich im schwäbischen Kaufbeuren ein Förderprogramm so genannte Baulückenaktivierung für finanzschwache Grundstückseigentümer. Hintergrund ist eine jüngst in Auftrag gegebene Prognose, die zum Ergebnis hatte, dass ein „deutlicher zusätzlicher Bedarf an neuen Wohneinheiten“ in Kaufbeuren besteht, so Werner Fehr vom Stadtplanungsamt der Allgäu-Kommune. Um ausreichend Wohnraum zur Verfügung stellen zu können, sei es nötig, neue Wohngebiete zu erschließen, aber auch, Baulücken und Brachflächen zu verdichten. „Allerdings befinden sich rund 90 Prozent der Wohnbauflächen in privatem Besitz“, so Fehr.
Lange wurde in Kaufbeuren darüber diskutiert, wie man damit umgehen soll. Vor neun Jahren beschloss der Stadtrat, neues Baurecht grundsätzlich erst dann zu schaffen, wenn sich sämtliche Grundstücke im städtischen Besitz befinden oder ausreichende privatrechtliche Regelungen getroffen sind. Grundstücksspekulationen soll dadurch ein Riegel vorgeschoben werden, meint Werner Fehr: „Insbesondere für junge Familien muss Wohnbauland jederzeit in städtebaulich vertretbarer Weise zu einem angemessenen Preis zur Verfügung gestellt werden.“ (Pat Christ)

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