Kommunales

Alte, arme und häufig kranke Patienten: Landärzte haben meist keine attraktive Klientel. ((Foto: DAPD)

20.04.2012

Die Provinz bleibt unattraktiv

Mit einem neuen Gesetz sollen junge Ärzte aufs Land gelockt werden – die zeigen sich wenig interessiert

Eigentlich soll jetzt alles anders werden. Wenn die Gesundheitspolitiker Recht haben dann gehört der Ärztemangel auf dem Land bald der Vergangenheit an. Vorbei die Zeiten, in denen rüstige Ärzte in bayerischen Kleinstädten am Ende Ihrer Karriere verzweifelten, weil sie keinen Nachfolger fanden. Vorbei die Zeiten, in denen Dörfer per Plakat einen Arzt suchen. Ein schöner Traum.
Denn viele bayerische Ärzte glauben nicht, dass die Politiker Recht haben. Sie glauben, dass sich kaum etwas bessern wird. Ein neues Gesetz soll junge Ärzte aufs Land locken. Schon der Name klingt bürokratisch: Gesetzliche- Krankenversicherungs-Versorgungsstrukturgesetz, seit Januar dieses Jahres ist es in Kraft. Damit soll flexibler entschieden werden können, wo Ärzte gebraucht werden, und für Jungärzte soll das Land attraktiver werden. Bayerns Gesundheitsstaatssekretärin Melanie Huml frohlockt denn auch schon nach knapp drei Monaten Praxistest: „Wir sind zuversichtlich, dass wir mit diesem Bündel an Maßnahmen gut auf die Zukunft vorbereitet sind.“


Experten sind skeptisch


Ärztevertreter zeigen sich weit weniger optimistisch. Zwar hat die Kassenärztliche Vereinigung Bayern (KVB) das neue Gesetz beeinflusst undspricht deshalbanerkennend von einer „Weichenstellung“. Dennoch moniert die Ärztelobby zugleich, das Gesetz gehe nicht weit genug. Vor allem an der finanziellen Sicherheit hapere es – ein Missstand, den Politik und Krankenkassen beheben sollten.
Am meisten Zweifel am neuen Gesetz haben jene, die die Probleme wohl am besten kennen: die Landärzte. Joachim Calles, ehemaliger Landarzt und Vorsitzender des Ärztlichen Bezirksverbands Oberfranken, sagt: „Das Ziel einer echten Reform ist verfehlt.“ Die Neuerungen des Gesetzes könnten die dramatische Situation vielleicht leicht abmildern, nicht jedoch beheben. Gerade einen der wichtigsten Aspekte des neuen Gesetzes sieht Calles kritisch, nämlich, dass Ärzte nicht mehr an ihrem Arbeitsort wohnen müssen. Das höre sich zwar erleichternd an, sei jedoch kaum umzusetzen. „Die Aufhebung der Residenzpflicht ist so lange Makulatur, als die 24-Stunden- Versorgung ihrer Patienten nicht gesichert ist.“ Und in Oberfranken als Flächenstaat sei es ohnehin besonders schwierig, alle Weiler und Ortschaften abzudecken. Deshalb ist Calles sich sicher, dass das Versorgungsstrukturgesetz keine Abhilfe schaffen wird: „Von den jetzt beschlossenen Neuerungen ist keine einzige in der Lage, junge Ärzte ins ländliche Oberfranken zu ziehen.“ Die Ideen seien halbherzig, das merkten die jungen Ärzte.
Auch Jakob Berger glaubt nicht an den Erfolg des neuen Gesetzes. Der Bezirksvorsitzende Schwaben des Bayerischen Hausärztverbandes geht insbesondere mit Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) hart ins Gericht. Dessen Versprechen, die Situation zu verbessern, sei populistisch gewesen und habe nur marginale Verbesserungen bewirkt.
„Man hat kein Interesse oder nicht den Mut gehabt, hier wirkliche nachhaltige Gesetzesänderungen zu beschließen.“ Zudem sei die finanzielle Unterstützung zweischneidig: Zwar gebe der Bund mehrere hundert Millionen Euro aus, um die Situation zu verbessern. Andererseits fehlten jungen Ärzten die finanzielle Planungssicherheit, auch deshalb, weil viele Krankenkassen sich weigerten, Hausarztverträge abzuschließen. „Dadurch wurde ein rasches Hausarztsterben bewusst in Kauf genommen“, ist sich Berger sicher.
Beide Experten kennen viele Ärzte, die keinen Nachfolger finden. In Schwaben etwa gebe es bereits jetzt massive Problembereiche und die Versorgungslücken könnten in den kommenden Jahren noch zunehmen, weil von den bald pensionierten Ärzten kaum jemand einen Nachfolger für seine Praxis finden könne. Die Konsequenzen seien schlimmer, als man sich heute ausmalen könne, sagt Berger: „Fehlt die Arztpraxis, dann stirbt die Apotheke, stirbt der Masseur und Krankengymnast und so weiter.“ (K. Antonia Schäfer)

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