Kommunales

27.06.2016

Ein Lebensabend, gesponsert mit Wein

Das Würzburger Bürgerspital für alte Einwohner feiert seinen 700. Geburtstag

Ein Spital für alte Menschen, finanziert durch Einnahmen aus dem Weinbau: Das ist seit 700 Jahren das Geschäftsmodell des Würzburger Bürgerspitals. Der fränkische Wein verdankt dem Spital seine Ikone. 1,22 Liter Wein pro Tag - das war die Ration, die Bewohner des Würzburger Bürgerspitals im 16. Jahrhundert zu trinken bekamen. Bei Verstößen gegen die Hausordnung wurde Wasser in den Wein gemischt. Als drakonische Strafe konnte die tägliche Ration sogar ganz gestrichen werden. Das war ein Problem, denn angesichts von mitunter verunreinigtem Trinkwasser war Wein damals eher Lebens- denn Genussmittel. Wein und die Pflege alter Menschen sind im Bürgerspital seit jeher eng miteinander verknüpft. Seit 700 Jahren finanzieren in der Stiftung die Einnahmen aus dem Weinbau die Arbeit in der Pflege. Für Altenpflege ist das Bürgerspital vor allem im Raum Würzburg bekannt - als renommiertes Weingut aber auf der ganzen Welt. Im Jahr 2014 wurden in New York die Überreste eines deutschen Biergartens vom Beginn des 20. Jahrhunderts ausgegraben. Darin fand sich ein Bocksbeutel aus dem Bürgerspital, Jahrgang 1904 oder 1905. An diesem Sonntag feiert das Bürgerspital sein 700-jähriges Bestehen. Angefangen hat alles mit Johannes und Mergedis von Steren. Die Eheleute gehörten Anfang des 14. Jahrhunderts zu den wohlhabenden Kaufleuten der Würzburger Gesellschaft. Von einer Wallfahrt nach Rom brachte Johannes von Steren die Idee mit, ein Spital zur Pflege alter Menschen zu gründen. 1316 stifteten beide das "Neue Spital vor dem Hauger Tor". In einer Urkunde des Würzburger Bischofs wurde niedergelegt, die Stiftung solle der "Pflege bresthafter Christgläubigen und der Versorgung der hungernden Armen" dienen - "bresthaft" bedeutet "an Gebrechen leidend".

Sechs Seniorenwohneinrichtungen, eine Tagespflege, ein Geriatriezentrum

Das Abkommen, das Bewohner mit dem Spital schlossen, war simpel: Ich vermache Euch mein Vermögen, dafür pflegt Ihr mich bis zum Tod. Das rechnete sich mal für den Bewohner, mal fürs Spital - je nachdem, wie lange der alte Mensch lebte. So kamen 1321 die ersten Weinberge ans Spital, über die Jahrhunderte folgten zahlreiche Zustiftungen. Heute betreibt das Bürgerspital sechs Seniorenwohneinrichtungen, eine Tagespflege und ein Geriatriezentrum. Die Stadt profitiert von dem Engagement: "Die Stadt Würzburg hat es dem Bürgerspital zu verdanken, dass sie nie eigene Senioreneinrichtungen unterhalten musste", sagt Christian Schuchardt, Oberbürgermeister und Stiftungsvorsitzender. Johannes von Steren verfügte bewusst, dass die Stiftung nach seinem Tod vom Bürgermeister weitergeführt werden sollte. Da in Würzburg als fürstbischöflicher Residenzstadt die Kirche stets mächtig war, setzte er damit einen Gegenpunkt zugunsten der Bürgergesellschaft. Seit dem 16. Jahrhundert ist das Spital deshalb als "Bürgerspital" bekannt. "Damit hat er die Familie etwas ins Abseits gestellt", ordnet Robert Haller ein, heutiger Leiter des Weinguts Bürgerspital.

120 Hektar Weinberge

Haller ist täglich auf den 120 Hektar umfassenden Weinbergen unterwegs, die heute zum Bürgerspital gehören. Inzwischen sind die Immobilien zur wichtigeren Einnahmequelle der Stiftung geworden, das Spital ist dennoch das zweitgrößte Weingut Frankens. "Im Jubiläumsjahr kriegen wir nichts geschenkt", urteilt der Winzer. "Frost, Hagel, Pilzdruck - die Qualität müssen wir uns hart erkämpfen." Der fränkische Weinbauverband würdigt die Weine des Bürgerspitals, zuletzt gab es den Preis für den besten Silvaner Deutschlands. Der Frankenwein an sich verdankt dem Bürgerspital indes sein Markenzeichen: Im Jahr 1726 erklärte der Würzburger Rat den Bocksbeutel zur Flasche der besten fränkischen Weine - und ließ die ersten Exemplare in den Kellern des Bürgerspitals einlagern. "Und die Wahrheit, der reine, unverfälschte Wein, siegte rasch und glänzend", verkündet die Stadtchronik. (Bastian Benrath, dpa)

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