Kommunales

Viele wünschen sich das neunjährige Gymnasium. (Foto: dpa)

13.01.2017

„Eine wahnsinnige logistische Herausforderung“

Erlangens Oberbürgermeister Florian Janik (SPD) über die Konsequenzen der G9-Rückkehr für die Kommunen

Die Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium scheint immer konkreter zu werden. Was Schüler, Eltern und Lehrer freuen dürfte, ist für die Kommunen aber eine enorme Herausforderung. Wir sprachen mit Erlangens Oberbürgermeister Florian Janik (SPD) über die Konsequenzen. BSZ: Herr Janik, was bedeutet die Wiedereinführung des G9 für Erlangen?
Janik: Das wissen wir nicht, weil sich das bayerische Kultusministerium seit Monaten um eine klare Entscheidung drückt. Klar ist nur, dass sich das Ministerium verrechnet hat. So erwartete man dort, dass sich 20 bis 30 Prozent der Eltern für das G9 entscheiden würden. Inzwischen hat auch Herr Seehofer zur Kenntnis genommen, dass sich rund 70 Prozent für den längeren Schulweg entscheiden.

BSZ: Also nur Nebelstochern?
Janik: Bis auf einen Punkt schon. Die Staatsregierung hat bereits deutlich gemacht, dass sie nicht daran denkt, den Kommunen die Mehrkosten des staatlichen Schlingerkurses zu erstatten. Was da auf die Städte und Gemeinden zukommt, ist eine kalte Kommunalisierung.

BSZ: Aber die Stadt Erlangen wird doch Kosten haben, um die räumlichen Voraussetzungen für das neunjährige Gymnasium zu schaffen?
Janik: Sicher, aber in welchem Umfang ist derzeit absolut unklar. Wir wissen nur, dass ein Jahr mehr bis zum Abitur auch mehr Schüler und somit mehr Klassenzimmer bedeuten. Aber wir wissen nicht, wie viele und welche der sechs Gymnasien in Erlangen das G9 wieder einführen wollen.

BSZ: Ganz sicher wissen Sie aber, dass Erlangen seit einigen Jahren ein Schulsanierungsprogramm laufen hat. Welche Auswirkungen hat G9 auf dieses Programm?
Janik: Die Sanierung der Gymnasien ist in Teilen fast abgeschlossen oder im Laufen. Jede der Maßnahmen hat rund 15 bis 20 Millionen Euro gekostet. Wenn jetzt wieder bauliche Maßnahmen notwendig werden, weil das G9 vielleicht gerade dort gewünscht wird, wo Räume fehlen, werden andere Schularten in Erlangen das Nachsehen haben. Grund-, Mittel- und Realschulsanierungen drohen dann auf der Liste nach hinten zu rutschen. Das würde Bildungsungerechtigkeit verfestigen, weil auch die Lernorte sich auf das Lernen auswirken. Also bliebe nur, dass wir als Stadt das G9 verweigern.

BSZ: Das geht?
Janik: Theoretisch kann eine Kommune Einspruch einlegen. Doch welche Stadtspitze und welcher Stadtrat wird es schon lange durchhalten, gegen den Schüler-, Eltern- und Lehrerwillen das G9 zu verhindern? Das G8 macht allen so viel Stress, dass sich eine Kommune nur aus finanziellen Gründen nicht gegen die Möglichkeit zur Rückkehr zum G9 stellen kann. Aber es gibt ja noch einen Punkt, der alles kompliziert macht.

BSZ: Welchen?
Janik: Jedes Gymnasium darf einzeln für sich entscheiden, ob es G9 will oder nicht. Wir in Erlangen haben viel Zu- und Wegzug. Pro Jahr wechseln wir etwa zehn Prozent unserer Bevölkerung aus. Wie kompatibel sind dann die gymnasialen Bildungsbiografien von Kindern, die aus anderen bayerischen Orten kommen und dort beispielsweise auf G8 getrimmt waren, in Erlangen aber eventuell kein G8 mehr vorfinden, weil – rein theoretisch – alle Erlanger Gymnasien nur noch G9 anbieten? Genauso wäre es, wenn Kinder vom neunjährigen Gymnasium kommen und in Erlangen nur achtjährige Angebote vorfänden. Auch zu diesem Problem, das eine wahnsinnige logistische Herausforderung darstellt, schweigt das Kultusministerium. Doch damit immer noch nicht genug.

BSZ: Was kommt denn jetzt noch?
Janik: Das zeitliche Problem. Dürfen sich die Gymnasien nur einmal entscheiden, ob sie G9 machen, oder ist öfteres Umentscheiden möglich? Im besten Fall hat man dann zu viele Räume. Alles in allem ist die Sache noch ziemlich unausgegoren und in München hofft man darauf, dass die Kommunen vor Ort die Lösung erarbeiten. Doch das ist nicht das, was ich unter einem bildungspolitischen Konzept verstehe. Der Freistaat muss klar definieren, wie sein Schulsystem aussieht. Und er muss die Mehrkosten seiner Entscheidung den Städten erstatten.
(Interview: Ralph Schweinfurth)

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