Kommunales

„Jetzt ruckelt endlich nichts mehr beim Surfen im Netz“: Essenbachs Rathauschef freut sich über das neue superschnelle Internet. (Foto: dpa)

27.03.2015

Endlich Highspeed surfen

Die Gemeinde Essenbach bei Landshut brauchte dringend schnelleres Internet – und investiert als erste bayerische Kommune in ein eigenes Glasfasernetz

Es war ein mühsamer Weg, doch seit Herbst vergangenen Jahres ist Essenbach im Landkreis Landshut Bayerns erste Gemeinde mit eigenem Glasfasernetz – und surft jetzt mit einer Geschwindigkeit von bis zu 100 Mbit/s. Schneller und gleichzeitig kostengünstiger geht es im ländlichen Raum des Freistaats derzeit nirgendwo. Als ein mittelständischer IT-Unternehmer dem Ort wegen des für seine Bedürfnisse viel zu langsamen Internets den Rücken kehrte und Essenbach damit neben den Gewerbesteuereinnahmen auch zehn Arbeitsplätze verloren gingen, wusste Alt-Bürgermeister Fritz Wittmann (Freie Wähler): Es war höchste Zeit zu handeln, eine deutlich schnellere Verbindung auf die Datenautobahn musste her!
Die rund 11 500 Einwohner zählende Marktgemeinde im Landkreis Landshut hatte jahrelang ein Problem wie viele Kommunen im Freistaat abseits der Metropolen: „Surfen im Netz war entweder nur schlecht oder zu manchen Tageszeiten gar nicht möglich“, berichtet der frühere Rathauschef, der den Ort von 1991 bis 2014 regierte und in dessen Amtszeit das Projekt angeschoben und im Wesentlichen umgesetzt wurde. „Manchmal hat es bis zu einer Minute gedauert, bis sich etwas tat, Streamen etwa war unmöglich. Die Daten krochen über teilweise 50 Jahre alte Kupferleitungen“, erinnert sich der 65-Jährige. Am späten Nachmittag war es am schlimmsten. Beim früheren Versorger, der Deutschen Telekom, hatte der Rathauschef mit seinen Bitten um Verbesserung keinen Erfolg: Das Unternehmen vertröstete und hielt hin, jahrelang.
Kein Wunder: „Dass es für einen Anbieter wirtschaftlich lukrativ wird, dafür ist unser Gemeindegebiet viel zu groß“, rechnet Hans Dieter Neubauer (CSU), der seit Mai vergangenen Jahres der neue Bürgermeister, vor: Die aus 31 Ortsteilen bestehende Kommune umfasst ein Territorium von 84 Quadratkilometern. Der einzige Verbesserungsvorschlag der Telekom: neue Glasfaserkabel bis rund 50 zu so genannten Kabelverzweigern; den Rest der Anschlusskosten bis zu den einzelnen Haushalten, rund 1,5 Millionen Euro, hätte die Gemeinde selbst bezahlen müssen. „So viel Geld ausgeben – und am Ende gehört uns nichts?!“, schüttelt Fritz Wittmann den Kopf, „nein!“. Die Alternative der Essenbacher: eigene Glasfaserkabel verlegen – bis in jedes Haus!

Vom Freistaat gab es keinen Cent an Fördergeldern

Doch das klingt leichter als getan und den Gemeinderat zu überzeugen war noch das geringste Problem. „Da gab es schon einiges Stirnrunzeln unter meinen Kollegen, ob eine kleine Gemeinde ein solche großes Projekt allein stemmen könnte. „Wir hatten zwar einige Rücklagen“, verrät Fritz Wittmann, „aber als ich im Mai 2013 die Angebote der europaweiten Ausschreibung öffnete, waren da Kostenvoranschläge von 35 Millionen Euro darunter.“
Und damit nicht genug: Auch die Einwohner mussten überzeugt werden. Denn rechnen würde sich das Projekt nur, wenn mindestens 40 Prozent der Haushalte sich beteiligten. „Außerdem haben wir in den zirka 1,5 Jahren Bauzeit den gesamten Ort umgegraben, vier Fünftel der Grabungsarbeiten fanden unter befestigtem Boden wie etwa Asphalt statt“, erzählt Neu-Bürgermeister Neubauer lachend.
Inzwischen sind schon 60 Prozent der Bürger mit von der Partie, in den nächsten zehn Jahren sollen weitere 20 Prozent der Einwohner hinzukommen. Ziemlich genau 13 Millionen Euro hat die ganze Angelegenheit am Ende gekostet. Betreiber des Essenbacher Netzes ist jetzt nicht mehr die Telekom (ihr Angebot fiel durch), sondern der Münchner Anbieter M-Net. Die Kommune verpachtet diesem das Glasfasernetz (derzeit für etwa 400 000 Euro) im Jahr, im Gegenzug stellt M-Net Betrieb und Unterhalt sicher und kassiert von den Bürgern und Gewerbetreibenden Gebühren. „Wenn unsere Investitionen innerhalb der nächsten 30 Jahre ins Gemeindesäckel zurückfließen, dann hat sich die Maßnahme mehr als rentiert“, freut sich Fritz Wittmann.
Vom Freistaat sahen die Essenbacher übrigens in der ganzen Angelegenheit nicht einen einzigen Cent – was Hans Dieter Neubauer noch immer empört. „Eigene Projekte der Kommunen beim Breitbandausbau werden nicht gefördert, hieß es auf unseren Antrag knapp seitens der Bezirksregierung von Niederbayern“, berichtet das Gemeindeoberhaupt. Wenigstens zehn Prozent Förderung könnte man engagierten Orten doch bewilligen, fordert der 49-Jährige.
Über das alternative Angebot der Staatsregierung, bis zum Ende des Jahrzehnts überall im Lande mindestens 50 Mbit/s zur Verfügung stellen zu wollen, kann Neubauer nur milde lächeln: „Das wird in einigen Jahren schon längst nicht mehr ausreichen, um technisch auf dem neuesten Stand zu sein – von dem bürokratischen Aufwand bei den Genehmigungsverfahren mal ganz abgesehen.“ (André Paul)

Kommentare (1)

  1. Roland am 07.04.2015
    Und recht haben Sie! Bei mancher Gemeinde reichts ja gerade noch für die Innenstadt, weitere Maßnahmen werden von den Stadtoberen abgelehnt.
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