Kommunales

Scheinbar gleich und doch anders: Die Landesgrenze zwischen Bayern und Österreich am „Schwärzerweg“, einem früheren Schmugglerpfad. (Foto: DDP)

10.09.2010

Felix Austria

Die Kommunen im Nachbarland Österreich agieren bei der Förderung des Tourismus geschickter als die Bayern

Teurer, unmoderner, unfreundlicher: Der Tourismus in Bayern hinkt dem in Österreich qualitativ immer weiter hinterher. Das liegt nur zu einem kleinen Teil an der Gastronomie. Die politischen Rahmenbedingungen sind schlechter, es gibt mehr Bürokratie, aber auch die Kultur des Dienens genießt im Nachbarland mehr Ansehen.
Was den landschaftlichen Erholungswert, mithin die touristische Hardware, angeht, braucht sich das „Produkt“ Bayern vor seinem Nachbarn Österreich wahrlich nicht zu verstecken. Dank Seen, Bergen, Königsschlössern und der sprichwörtlichen Gemütlichkeit hat sich der Tourismus im Freistaat – insbesondere im Alpenraum – längst zu einem gewaltigen Wirtschaftszweig entwickelt, der einer Statistik des bayerischen Wirtschaftsministeriums zufolge weit mehr als eine halbe Million Beschäftigte zählt und jährlich gut 24 Milliarden Euro Ausgaben von Urlaubern verbucht.
Doch immer noch mangelt es, anders als im nur einen Steinwurf entfernten Österreich, gewaltig an der Wertschätzung dieser Wachstumsbranche. Deutlich weniger bürokratische Hürden ebenso wie die Förderstrukturen verschaffen den Nachbarn massive Wettbewerbsvorteile. Auf deutscher Seite – egal ob zu Füßen des Kaisergebirges, im Inntal, auf dem Samerberg, im Chiemgau oder am Ufer des Chiemsees – sind sich die Touristik-Fachleute einig: Der Tourismus hat in Bayern (fast) keine Lobby, weder in der Bevölkerung noch in der Politik.
„Die echte Gastfreundschaft fehlt“, muss nicht nur Herbert Reiter, Leiter der Tourist-Info in der Grenzgemeinde Aschau (Landkreis Rosenheim) immer wieder feststellen. Entsprechend fallen die Vergleiche aus, wobei der Teufel wie so oft im Detail steckt: Kinderspielecken in bayerischen Gaststätten sind vielerorten ebenso Mangelware wie mehrsprachige Speisekarten, Bergwanderer suchen hier während des Aufstiegs oft vergeblich nach Ruhebänken, und eine einheitliche Beschilderung von Rad- und Wanderwegen lässt in Bayern immer noch auf sich warten.
Doch gerade ein durchgängiges Konzept mit Kombipaketen – beispielsweise Hotelaufenthalt plus kostenfreie Nutzung von Bussen und ermäßigtem Eintritt in Bäder und Museen – macht in den Augen von Reiters Kollegin Margitta Niederhuber, Touristik-Chefin in Nußdorf am Inn, „sehr, sehr viel aus“. So weisen etwa die österreichischen Nachbarn den Inntalweg-Radlern auf ihrer Tour von Rosenheim nach Passau regelmäßig den Weg zu österreichischen Herbergen, während auf deutscher Seite entsprechende Tafeln größtenteils fehlen. Der Urlauber aber macht an der Grenze nicht halt – und der Wettbewerb ebenso wenig.
Bereits im Kindesalter werde jenseits des Schlagbaums mit Schulprojekten die Akzeptanz für das Thema Tourismus geweckt. Die Servicekultur im Nachbarland ist ganz anders entwickelt, einen anderen Menschen bedienen ist in Deutschland nicht unbedingt ein erstrebenswertes Berufsziel. „Und auch bei der Fachkräfte-Ausbildung sind uns die Österreicher noch einen großen Schritt voraus“, fügt Ferdinand Reb, Geschäftsführer der Priener Tourismus GmbH, hinzu. Mit Fremdenzimmern im Stil der 1950er Jahre kann kaum ein Betrieb in Grenznähe punkten, wenn nur wenige Kilometer entfernt – für denselben Preis – ein Flachbildfernseher und Internetanschluss geboten werden. Angesichts der hohen Abgabenlast bleibe jedoch vielen heimischen Hotel- und Pensionsbetreibern kein Spielraum für Modernisierungen.
„Unterm Strich“, ist Werner Schroller, der Chef des „Kaiser-Reichs“, dem touristischen Zusammenschluss der Inntal-Gemeinden Oberaudorf und Kiefersfelden, überzeugt, „bleibt bei der Tiroler Konkurrenz mehr in der Kasse.“ So müsse ein bayerisches 100-Betten-Haus allein an Rundfunkgebühren (GEZ) ein Vielfaches dessen bezahlen, was ein vergleichbarer Betrieb auf der anderen Seite der Grenze abführe.
Und noch ein Punkt komme den Österreichern immer wieder zugute: ihre Geschäftstüchtigkeit. Mit dem Paket „Millionensuche“ hatte der Tourismusverband Kufstein beispielsweise prompt auf den Besucherandrang in dem Waldstück bei Ebbs reagiert, in dem die Beute aus der Unterschlagung eines ehemaligen Vermögensberaters vermutet wurde. Bei der Euregio Inntal, einer Informationsplattform der Landkreise Rosenheim und Traunstein, der Stadt Rosenheim und der Tiroler Bezirke Kufstein und Kitzbühel, will man nun grenzüberschreitende Kooperationen verstärken.
Allerdings warnt Samerbergs Bürgermeister Georg Huber (Freie Wähler) vor „zu viel Aktionismus und vor allem vor zu viel Papier“. Man sollte „nicht zu viele Konzepte entwickeln“. Viel mehr setzen die Touristiker auf den direkten Kontakt, auf projektbezogene Zusammenarbeit wie gemeinsame Veranstaltungskalender und Wanderführer und vor allem auf den Erfahrungsaustausch – etwa was die Öffnungszeiten von Bergbahnen anbelangt – oder die Gestaltung eines ansprechend gedeckten Frühstückstisches. Denn zweifelsohne sei Österreich hier „voraus“. Nachholbedarf aber hat gerade Oberbayern auch im hochsternigen Hotel-Sektor und im Wellness-Bereich. Indes fehlen die „Leuchttürme“, wie es Huber formuliert. „Was“, fragt er, „nützt ein Masterplan, wenn sich kein Betreiber findet?“ (Marisa Pilger)

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