Kommunales

Nicht jeder Stadtrat mag es, bei seinem Tun vom Bürger beobachtet zu werden. (Foto: dpa)

07.11.2014

Gebremste Transparenz-Offensive

Livestreams von Stadtratssitzungen nehmen zu – bleiben aber vielerorts umstritten

In Landshut bleibt der Bildschirm schwarz. „Der Stadtrat hat die große Chance vergeben, den Bürgern die Entscheidungsprozesse in der Politik näherzubringen“, zeigt sich die Vorsitzende der Stadtratsfraktion Landshuter Mitte, Gabriele Goderbauer-Marchner, enttäuscht. Denn vor Kurzem hat der Stadtrat gegen Live-Übertragungen von Sitzungen im Internet gestimmt. Nach Ansicht von Oberbürgermeister Hans Rampf (CSU) haben sowohl Bedenken wegen der Persönlichkeitsrechte als auch die finanziellen Belastungen vor allem viele ältere Stadträte abgeschreckt. Je nach Modell beziffert er die Kosten auf 30.000 bis 80.000 Euro pro Jahr.
Solche Diskussionen werden derzeit in vielen bayerischen Stadt- und Gemeinderäten geführt. Die Argumente von Befürwortern und Gegnern einer Übertragung sind dabei stets die gleichen: Transparenz der Lokalpolitik gegen Schutz der Persönlichkeitsrechte von Stadträten und Zuschauern; Offenheit gegen die Angst vor Showveranstaltungen im Rat; Kampf gegen Politikverdrossenheit gegen hohe Kosten und Kapazitätsengpässe; oder auch „Zukunft gegen Gegenwart“ – wie es pathetisch im Landshuter Stadtrat hieß.
Zu rechtlichen und finanziellen Problemen kommen mitunter lokale Umstände hinzu, welche die Einführung von Livestreams erschweren. So bietet in Regensburg die Sitzordnung alles andere als optimale Voraussetzungen für eine Übertragung. Wegen der Anordnung der Sitze im Halbkreis wie im Bundestag seien dort mehrere Kameras, eine Regie und Kameramänner notwendig, um das gesamte Geschehen einzufangen, sagte eine Stadtsprecherin. Eine einzige fest installierte Kamera reiche im Gegensatz zu anderen Städten nicht aus.
Dennoch hat sich die Koalition aus SPD, Grünen, Freien Wählern, FDP und Piraten in der oberpfälzischen Hauptstadt dazu entschlossen, künftig die Sitzungen der beiden Ausschüsse mit dem größten Zuschauerinteresse – dem Kultur- und dem Stadtplanungsausschuss – live im Internet zu zeigen. Die Ausschreibung läuft, im Frühjahr 2015 soll es ein funktionierendes System geben. Welche Kosten auf die Stadt zukommen, ist bisher unklar. Auch eine Mediathek ist geplant, um die Sitzungsvideos den Usern zeitversetzt anzubieten.
Einen Schritt weiter ist man nach langer Diskussion in Ingolstadt. Dort können die Sitzungen von Plenum und Hauptausschüssen seit der letzten Sitzung vor der Sommerpause im Internet verfolgt werden. Zu sehen ist dabei allerdings nichts: Die Ingolstädter beschränken sich nach einstimmigem Stadtratsbeschluss auf einen Audio-Stream. Eine Ausweitung ist vorerst nicht geplant, heißt es. Aussagekräftige Zahlen über die Resonanz des Angebots nicht vor.
Eine Vorreiterrolle nimmt die Stadt Passau ein, die jährlich rund 15.000 Euro in ihr Livestream-Angebot investiert. Dort können die Bürger das Handeln ihrer Repräsentanten in den Plenar- und Ausschusssitzungen bereits seit September 2011 per Internet verfolgen. Die Zuschauerresonanz ist mit einer durchschnittlichen Zuschauerzahl im mittleren zweistelligen Bereich allerdings recht überschaubar, wenngleich es bei wichtigen Themen auch deutlich mehr sein können.
Zudem sind auch die Passauer weiterhin darauf angewiesen, während der Sitzungszeit vor dem Computer zu sitzen – eine Mediathek mit Aufzeichnungen der Sitzungen wird nach Angaben der Stadt nicht angeboten. Rechtlichen Bedenken trägt man in der Drei-Flüsse-Stadt Rechnung, indem Personen, die nicht gefilmt werden möchten, bei der Übertragung ausgeblendet werden. Allerdings haben alle Stadträte ihr Einverständnis gegeben, betroffen sind also nur Verwaltungsangestellte oder externe Referenten.

Rückenwind aus Berlin

Dasselbe gilt auch in der Landeshauptstadt. In München werden die Vollversammlungen des Stadtrats seit Juni vergangenen Jahres gestreamt und sind anschließend in einer Mediathek bis zur nächsten Sitzung abrufbar. Etwa 2500 User nutzen die Live-Übertragung im Schnitt. Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) sieht das Angebot als „ein Instrument einer modernen Stadtverwaltung. Es trägt dazu bei, Politik transparenter und bürgernäher zu gestalten.“
Andernorts sind Initiativen zur Einführung von Livestreams dagegen gescheitert. So war ein solches Angebot beispielsweise bei den Haushaltsberatungen in Erlangen vor etwa eineinhalb Jahren ein Thema, wie ein Sprecher der Stadt sagte. Damals setzten sich allerdings die Skeptiker durch. Seitdem wurde die Idee nicht mehr aufgegriffen.
Die Debatte hat aber längst nicht alle Kommunen erreicht. In vielen Städten und Gemeinden ist eine Live-Übertragung von öffentlichen Sitzungen kein Thema. Vorrang habe zunächst einmal die Einführung eines einheitlichen Ratsinformations- und Verwaltungssystems, heißt es etwa bei der Stadt Kempten. Überlegungen zu anderen technischen Neuerungen wie Livestreams gebe es nicht. Auch im unterfränkischen Bad Kissingen oder im oberfränkischen Kronach gibt es laut den jeweiligen Pressesprechern keinerlei Überlegungen zur Einführung von Sitzungsübertragungen im Internet.
Rückenwind könnten die Transparenz-Befürworter von der Bundesebene bekommen. Dort setzen sich seit einigen Wochen Linke und Grüne für die Übertragung von Sitzungen der Bundestagsauschüsse im Internet ein. Die Erfolgsaussichten sind allerdings gering. Wie auch in Landshut ist die Mehrheit gegen die Transparenz-Offensive. (Daniel Wenisch)

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