Kommunales

Dorfläden sind vor allem für Ältere eine Hilfe, manchen kleinen Orten helfen sie beim Fortbestand. (Foto: DAPD)

12.11.2010

Gut gemeint ist nicht gut genug

Nicht überall können regionale Innovationen die Wirtschaft im ländlichen Raum stärken

In China war es einst Sitte, bei der öffentlichen Benennung von diversen Problemen darauf hinzuweisen, dass sich auch schon der Genosse Mao dazu geäußert hatte; dass verlieh dem ganzen zusätzliche Relevanz. Beflissene Anhänger trugen zusätzlich ein kleines rotes Büchlein bei sich, in welchem die Gedanken des Großen Vorsitzenden zusammengefasst waren. Zur Eröffnung der Veranstaltung „Regionalökonomie als Antwort auf Globalsierung?“ verwiesen die Tagungsleiterinnen Claudia Schlembach und Silke T. Franke von der Hanns-Seidel-Stiftung darauf, dass sich unlängst bereits Karl-Theodor zu Guttenberg zu diesem Sachverhalt geäußert habe. Damit ist die Bedeutung des Themas natürlich zweifelsfrei festgeschrieben, auch wenn ein entsprechendes Büchlein in Weiß-Blau noch nicht vorliegt.
Die CSU-nahen Veranstalter bewiesen Mut, das erste Impulsreferat Reiner Klingholz halten zu lassen, den Direktor des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung. Denn die Ansichten des Doyen der deutschen Demographie-Forschung liegen ziemlich konträr zu allem, was der einstigen bayerischen Staatspartei in Bezug auf den ländlichen Raum lieb und teuer ist, angefangen vom Dogma der Aufrechterhaltung der gleichwertigen Lebensverhältnisse in ganz Bayern. „Auch CSU und Kirche helfen nicht mehr, dass die Geburtenraten auf dem Land hoch bleiben“, bilanzierte Klingholz. Hier nähere sich Bayern vielmehr der Realität im erzroten Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern an. „Die klassische wachstumsorientierte Strukturpolitik funktioniert nicht mehr“, kritisierte Klingholz. Sie werde aber leider immer noch angewandt, doch das Geld fließe „ins Leere“. Teilweise sei sogar zu viel Geld im Umlauf. Man müsse eine Region auch mal scheitern lassen und die Nicht-Förderbarkeit akzeptieren, es gebe eben einfach „verlorene Räume“. Spätestens jetzt machte im Auditorium der Straubinger CSU-Bundestagsabgeordnete Ernst Hinsken, Vertreter eines eher strukturschwachen und förderaffinen Wahlkreises, ein Gesicht wie nach dem Biss in eine Zitrone.

"Verlorene Räume"


Aber zum Glück für die Freunde des ländlichen Raumes war anschließend Josef Nassauer mit seinem Referat an der Reihe. Der Geschäftsführer der staatlichen Bayern Innovativ GmbH tat sein Bestes, um zu zeigen, wie gut die Provinz im Freistaat gewappnet ist, um auf die Herausforderungen der Globalisierung zu reagieren und selbst aus einem scheinbaren Rückschlag noch einen Vorteil entwickeln kann. Als Beispiel nannte er die Hopfenbauern in der Hallertau, denen eine besonders reichhaltige Ernte beschert war, was sich aber wiederum nachteilig auf den Preis am Markt auswirkt. Doch Bayern innovativ brachte die Landwirte mit Vertretern der Biopharma-Branche zusammen, aus dem überschüssigen Hopfen wurde alternative Kosmetik kreiert.
Ein Beispiel für innovatives Wirtschaften im ländlichen Raum präsentierte Helmut Weihrather, Geschäftsführer eines Dorfladens in Hurlach (Landkreis Landsberg am Lech). Mit diesem in Bayern immer beliebteren Modell kann die Versorgung der Bürger mit frischen Lebensmitteln, aber auch mit Post- und Bankdienstleistungen sichergestellt werden, auch wenn große Anbieter einen Ort als nicht mehr attraktiv ansehen.
Christian Gelleri, Geschäftsführer des Vereins Chiemgau e. V., erläuterte das Konzept vom „Chiemgauer“, Europas erfolgreichstem Regiogeld. Immer mehr Menschen bezahlen damit bei 600 Unternehmen in den Landkreisen Rosenheim und Traunstein. Die Firmen belohnen den regionalen Einkauf mit drei Prozent, die dann wiederum dem Verein oder sozialen Zweck gutgeschrieben werden, den jedes Mitglied selbst festlegen kann. Der Wert des Chiemgauer entspricht 1 Euro. Das Regionalgeld besitzt einen Umlaufimpuls (Negativzins) von 2 Prozent pro Quartal und ist alle drei Monate aufzuwerten, wenn er nicht weitergegeben wird. Damit wird eine hohe Umlaufgeschwindigkeit erreicht und spekulative Geldeigenschaften ausgeschlossen. Möchten Unternehmer Chiemgauer in Euro umtauschen, wir der Regionalbeitrag fällig. (André Paul)

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