Kommunales

Bei den Christsozialen in der Fuggerstadt läuft derzeit einiges verkehrt. (Foto: BSZ)

23.09.2011

„Ich will meine Wut herausschreien“

Augsburgs 2. Bürgermeister Hermann Weber (CSU) über die ausländerfeindlichen Sprüche und Macho-Attitüden seines Kreisvorsitzenden und Stadtratskollegen Tobias Schley

Seit drei Jahren mischt Tobias Schley die Christsozialen in der Fuggerstadt auf, systematisch weitet er seine Macht aus. Viele Fraktionskollegen wollen ihn gerne loswerden, doch selbst Parteichef Horst Seehofer biss sich bisher an ihm die Zähne aus. Denn der Bezirksvorstand steht hinter dem Enfant terrible. BSZ Wie lange sorgt der Parteikollege Schley schon für Unmut?
Weber Der Kollege hatte schon einmal vor einigen Jahren Probleme mit einer Bedienung auf dem Oktoberfest im Bierzelt und war wohl in eine Handgreiflichkeit verwickelt. Es gab ein gerichtliches Verfahren, das niedergeschlagen wurde. BSZ Wollen Sie damit sagen, er ist ein aggressiver Typ?
Weber Von der Erscheinung her ist Schley nicht unsympathisch. Ich hatte immer den Eindruck, er ist ein junger, impulsiver Mann, der oft schnell handelt und nicht immer vorher genug nachdenkt. BSZ Das wirkt sich also auf seine Politik aus?
Weber Seit drei Jahren sitzt er im Stadtrat, aber schon vorher war er Kreisvorsitzender der CSU und hat die Stadtrats-Liste beeinflusst. Er hat seine Freunde gut platziert und verdiente Kolleginnen auf die hinteren Plätze gedrängt. Erst vor einigen Wochen, so die Aussage einer Kollegin, soll er sich aufgeregt haben, er habe „diese Scheiß-Weiber“ satt. Er behauptet dagegen, dies habe er nie gesagt. BSZ Wie erlebt man ihn denn in den Stadtratssitzungen? Wie tritt er dort auf?
Weber Zu sachlichen Themen äußert er sich selten, er tritt oft bei Personaldingen in Erscheinung. Er führte mit seinen Freunden einen eigenen Wahlkampf. Auf den Plakaten und Flyern hat er nur Werbung für sich selbst gemacht, unseren Oberbürgermeister-Kandidaten Kurt Griebl nannte er auf vielen Flyern nicht. BSZ Tobias Schley scheint großen Einfluss zu haben.
Weber Im Kreis und im Bezirk hat er die Mehrheit. Bei der Delegiertenwahl in seinem Kreisverband stach er bis auf den OB alle aus den verschiedenen Ortsverbänden genannten Delegierte aus. Sogar unser Parteivorsitzender Horst Seehofer schaltete sich ein, damit es wieder eine ausgewogene Liste zur Bezirksneuwahl gibt. Das sollte die Lager wieder vereinigen. Aber geändert hat sich nichts. Selbst der Schatzmeister und sein Stellvertreter, die eine hervorragende Bilanz ablieferten, kamen nicht mehr zum Zug. BSZ Was ist Ihrer Meinung nach die Motivation von Herrn Schley?
Weber Er will eine politische Karriere machen. BSZ Wollen ihm seine Gegner vielleicht nur aus Neid am Zeug flicken?
Weber Das weiß ich nicht, aber ich stehe seit 35 Jahren für die CSU mit meinem guten Namen auf der Straße. Und meinen Namen lasse ich nicht ruinieren. BSZ Sie meinen auch seinen Ausrutscher mit der ausländerfeindlichen E-Mail und dem Gastronomen aus dem Kosovo?
Weber Natürlich kann man es als Lappalie sehen, wenn Schley einen verdienten Wirt, der vier Gaststätten und über 50 Angestellte hat, ohne Grund beleidigt. Er hat ihm grammatikalische Fehler in einer Einladung vorgeworfen und mit „armes Deutschland“ tituliert. Das mag ein kleines Mosaiksteinchen sein und hätte für sich allein betrachtet keine Protestwelle heraufbeschworen. Aber Schley hat diese spitze Art immer wieder. BSZ Wie reagiert der Bezirksverband?
Weber Es stört mich, dass die Spitze unseres Bezirksverbandes hinter ihm steht. Dann heißt es „Die CSU ist so frech“ oder „Die CSU ist halt so“. Dagegen verwahre ich mich. Ja, mehr noch: Ich schäme mich dafür und will meine Wut herausschreien. Deshalb schrieb ich einen offenen Brief an den CSU-Bezirkschef. BSZ Hat Schley darauf reagiert?
Weber Seine Reaktion war, anzukündigen, sich juristische Schritte vorzubehalten. BSZ Wie wird Ihr Vorgehen in der Öffentlichkeit gesehen?
Weber Ich habe bestätigende Briefe bekommen, unter anderem mit der Aussage „Die Augsburger CSU bräuchte mehrere Webers in diesem Sinne“, oder „Die Wähler sind von dieser Spezlwirtschaft enttäuscht“, meinte ein anderer. BSZ Und wie geht der Augsburger Oberbürgermeister Kurt Griebl mit diesen Konflikt um?
Weber Der OB hält sich zurück. Er ist der wichtigste CSU-Repräsentant schlechthin, er kann nichts anders tun. Augsburg ist die größte CSU-regierte Stadt in Bayern und hat mit seinem OB großartige Erfolge. BSZ 25 Stadträte zählt die Augsburger CSU. Wie viele haben sich von Schley distanziert?
Weber Vier Stadträte, mich mitgezählt, haben sich schriftlich geäußert, dass sie sich schämen. BSZ Gibt es denn keinen Versuch, wieder mit Schley ins Gespräch zu kommen?
Weber Wir treffen uns inzwischen nur noch in den Sitzungen und in der Fraktion. Der Fraktionsvorsitzende ist ihm sehr gewogen und wollte den Zwist bisher nicht offen ansprechen. BSZ Die Gräben scheinen tief?
Weber Es ist mittlerweile so, dass Teile der CSU-Fraktion, auch ich, ihre Mitgliedsbeiträge teilweise zurückhalten und auf ein Treuhandkonto einzahlen. Wir haben Angst, dass bei der nächsten Listenaufstellung wieder Ausgrenzungen stattfinden. Deswegen fließen die Gelder auf ein Treuhandkonto. Für mich haben Anstand, gute Sitten und Ehrlichkeit einen großen Stellenwert. Wenn ich mich unwohl fühle, kann ich nicht mehr Politiker sein. BSZ Soll das heißen, Sie würden notfalls der CSU-Familie den Rücken kehren und auch zu „Pro Augsburg“ gehen?
Weber Das habe ich nicht gesagt. (Interview: Hubert Denk)

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