Kommunales

Für Menschen wie Boris Klegotoff ist der Weg zur Behörde meist sehr mühsam. Gut, wenn die Ämter behinderten Mitbürgern die Erledigung ihrer Angelegenheiten per Computer so einfach wie möglich machen. (Foto: dpa)

17.03.2017

Immer mehr IT-Hürden fallen

Seit gut zehn Jahren bemühen sich Bayerns Kommunen um Barrierefreiheit im Internet

Behinderten Menschen Teilhabechancen zu eröffnen, ist eine wichtige Aufgabe kommunaler Politik. Dies geschieht nicht zuletzt mit neuen Technologien. Sie ermöglichen es Mitbürgern mit Handicap, selbst vor Ort aktiv zu werden, sich ohne fremde Hilfe in Ämtern zu informieren und Behördenangelegenheiten selbstständig zu regeln.

Mit der „Bayerischen Verordnung zur Schaffung barrierefreier Informationstechnik“ begannen Kommunen vor gut zehn Jahren, ihre Webauftritte umzugestalten. Oft sorgen Behindertenbeauftragte dafür, dass die Bedürfnisse von Menschen mit Handicap beim ReDesign der Homepage berücksichtigt werden. So geschah es auch im oberbayerischen Landkreis Starnberg. 2012 gab es dort den letzten Relaunch, an dem die Behindertenbeauftragte Petra Veronika Seidl entscheidend mitwirkte. Zwei Jahre später wurde ein „Readspeaker“, also eine Vorlesefunktion, in den Internetauftritt integriert. „Für 2017 planen wir eine technische Umstellung unserer Hauptseite zum ‚Responsive Design’“, kündigt Kreis-Pressesprecher Stefan Diebl an.

Bei dieser neuen Methode, Internetseiten zu gestalten, wird der Webauftritt optisch an verschiedene Endgeräte angepasst und so optimiert, dass sich die Seiten zum Beispiel auf einem Smartphone oder einem Tablet mit einem Finger bedienen lassen. Je nachdem, welches Endgerät verwendet wird, ändert sich der grafische Aufbau der Seite.

Verschiedene Displaygrößen

Von der neuen Art und Weise, Webseiten für verschiedene Displaygrößen zu gestalten, profitieren Menschen mit Handicap, allen voran solche mit Sehschwierigkeiten. Letztere verwenden oft Zoomfunktionen oder sie stellen eine niedrige Bildschirmauflösung ein, um einen Vergrößerungseffekt zu erreichen. „Responsive Design“ kann verhindern, dass sich bei diesen Vorgängen Elemente überlagern. Außerdem werden Texte besser umbrochen.

Das Ziel, einen zumindest barrierearmen Internetauftritt anzubieten, ist im Landkreis Starnberg – wie in vielen anderen Kommunen Bayerns – noch immer nicht ganz erreicht. So sind einige Web-Anwendungen, die es Bürgern erlauben, Verwaltungsakte online abzuwickeln, technisch noch nicht optimal umgesetzt. Diebl: „Hier erwarten wir aber mit künftigen Updates von Software weitere Fortschritte.“

Barrierefreiheit auf Internetseiten bedeutet auch, eine Sprache zu verwenden, die selbst Menschen mit Lernbehinderung verstehen. Was diese Herausforderung anbelangt, profitiert der Landkreis Starnberg von einer Initiative mit dem Deutschen Forschungsinstitut für die öffentliche Verwaltung. „Bürgernahe Verwaltungssprache“ hieß das gemeinsame Pilotprojekt. Ziel war es, behördliche Texte verständlicher zu verfassen, ohne dass dies zulasten der Rechtssicherheit geht. „Die Erkenntnisse aus diesem Projekt wirken sich indirekt auch auf die Erstellung von Online-Inhalten aus“, sagt der Pressesprecher.

Keine Abkürzungen, keine Schachtelsätze

Die Landeshauptstadt München bemüht sich auf Basis eines Stadtratsbeschlusses seit dem Jahr 2013 um ein barrierefreies Webangebot. Die technischen und designtechnischen Systemvoraussetzungen hierfür sind nun endlich geschaffen, berichtet Christoph Gernhäuser, der für das Webmanagement in der Landeshauptstadt zuständig ist. Die Umsetzungsphase habe recht lange gedauert. Doch dies sei notwendig gewesen, schließlich sollen die Inhalte der Webseiten und deren Struktur von allen einschlägigen Screenreadern erfasst und wiedergegeben werden können.

Aktuell ist man in München dabei, auch die Inhalte des Internetauftritts barrierefrei zu gestalten. Es soll zum Beispiel möglichst keine Abkürzungen und keine Schachtelsätze mehr geben, Überschriften sollen plausibel sein. Gleichzeitig begannen Münchens IT-Strategen, die Informationen über kommunale Services und Dienste einheitlich zu strukturieren. 2017 sollen diese Maßnahmen durch einen Vorleseservice ergänzt werden.

Laut Anita Sajer, Sprecherin der Lebenshilfe in Bayern, gibt es mittlerweile eine Fülle von Lösungen für mehr Barrierefreiheit im Internet. „Entscheidend ist, dass sie auch zu den Menschen passen“, betont sie. Der Webauftritt sollte also möglichst so gestaltet sein, dass sowohl Menschen mit Sehbehinderung als auch solche mit geistigem Handicap oder mit einer Legasthenie damit klarkommen.

Für Menschen mit geistiger Behinderung oder Lerneinschränkung sind neben einer einfachen, leicht verständlichen Sprache auch Bilder und Piktogramme hilfreich. „Am besten können die betroffenen Menschen selbst beurteilen, welche Barrieren sie wo und wie behindern“, sagt Sajer. Deshalb sollten behinderte Bürger bei der Suche nach guten Lösungen mit einbezogen werden: „Weiterhelfen können hier auch ‚Büros für Leichte Sprache’.“

Büros für "Leichte Sprache" in vielen Städten

Solche Büros gibt es inzwischen in vielen Städten in Bayern. In Regensburg zum Beispiel trägt die Katholische Jugendfürsorge der Diözese eine solche Einrichtung. Das Dominikus-Ringeisen-Werk unterhält in Ursberg, einer Gemeinde im schwäbischen Landkreis Günzburg, ein Büro, das unter anderem mit dem Bayerischen Sozialministerium zusammenarbeitet. In Augsburg betreibt die Caritas ein Fach-Zentrum für Leichte Sprache, in Würzburg hat die Lebenshilfe soeben ein solches Büro eröffnet.
Seit Kurzem ist außerdem das Berufsförderungswerk (BFW) in Veitshöchheim bei Würzburg „Kompetenzzentrum für barrierefreie IT“. Das Team des BFW bietet Unternehmen, aber auch dem öffentlichen Dienst an, Webinhalte barrierefrei zu pflegen und Barrierefreiheit selbst bei komplexen Pdf-Dokumenten zu berücksichtigen. Auch werden ganze IT-Entwicklungsprojekte begleitet. Das BFW will mit seiner Initiative erreichen, dass insbesondere blinde und sehbeeinträchtigte Menschen möglichst ohne IT-Barrieren an der Digitalisierung der Arbeitswelt teilhaben können – nicht zuletzt in Verwaltungen.

Menschen, die gar nicht oder nur sehr schlecht sehen, sind laut BFW-Geschäftsführer Christoph Wutz oft von Büroarbeiten ausgeschlossen oder sie müssen von Arbeitsassistenten am Computer unterstützt werden. Dass dies noch immer geschieht, ist für die Betroffenen nicht recht zu begreifen. Wäre es doch technisch heute ohne weiteres möglich, alle Bildschirminformationen, die für ein Arbeiten trotz Handicap notwendig sind, barrierefrei zu erhalten. (Pat Christ)

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche

Ist das geplante Demokratiefördergesetz sinnvoll?

Unser Pro und Contra jede Woche neu
Diskutieren Sie mit!

Die Frage der Woche – Archiv
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2023

Nächster Erscheinungstermin:
29. November 2024

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 24.11.2023 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.