Kommunales

Abfallentsorgung kann ein lukratives Geschäft sein. (Foto: DAPD)

02.12.2011

Kampf um die Rosinen des Abfalls

Die Privatwirtschaft hofft auf erleichterten Zugang zum Müll-Markt, Kommunen und Länder wollen das verhindern

Der Bundesrat hat jetzt das vom Bundestag bereits vor einem Monat beschlossene neue Kreislaufwirtschaftsge-
setz abgelehnt und zur nochmaligen Überarbeitung an den Vermittlungsausschuss gegeben – zur großen Freude der Kommunen. Denn die Bedenken der Länderkammer sind die gleichen wie die der Kreise, Städte und Gemeinden.
In seiner jetzigen Fassung könnte das Gesetz nämlich privaten Anbietern der Entsorgungswirtschaft den Zugang zum Markt erleichtern – ein Albtraum für die Kommunen. Denn in den Verwaltungen befürchtet man, dass die Privaten mit Dumpingpreisen – oft finanziell ermöglicht durch deutlich niedrigere Stundenlöhne als bei den Stadtwerken – die Bürger dem öffentlichen Entsorger zunächst abspenstig machen, sie aber im wahrsten Sinn des Wortes auf ihrem Müll sitzen lassen, wenn sich die Entsorgung wirtschaftlich nicht mehr rechnet. Der frühere bayerische Städtetagschef und Regensburger Oberbürgermeister Hans Schaidinger (CSU) hatte das einmal treffend als „unfaire Rosinenpickerei“ gebrandmarkt.


Hoffen auf EU-Kommission


Der Bundesrat stößt sich konkret an der Ausformulierung der sogenannten Überlassungspflicht. Diese stelle nicht eindeutig klar, dass es privaten Haushalten weiterhin verboten sein soll, Verträge zur Entsorgung von Wertstoffen mit privaten Anbietern abzuschließen. Nur die Kommune selbst soll das Recht haben, die Entsorgung der Privatfirma zu überlassen. Des Weiteren soll nochmals die Gleichwertigkeitsprüfung nachverhandelt werden. Diese besagt, dass die Entsorgung durch Private erst dann möglich sein soll, wenn der kommunale Anbieter kein gleichwertiges Sammelsystem in Bezug auf Service, Qualität, Umfang, Effizienz und Dauer offerieren kann.
„Wir hoffen, dass der Vermittlungsausschuss das Gesetz so formuliert, dass Rechtsklarheit herrscht und die ökologischen Aspekte deutlicher zum Tragen kommen“, kommentiert Helmut Schmidt, stellvertretender Werkleiter des Abfallwirtschaftsbetriebs München, die Entscheidung. Nach seinen Angaben habe man vor einigen Jahren bereits einen Angriff der Privaten auf das lukrative Geschäft abwehren können. Schmidt fordert unter anderem eine höhere Recyclingquote als im aktuellen Gesetz, dort sind derzeit 65 Prozent geplant.
Verärgert über den Aufschub ist dagegen der Verband der bayerischen Entsorgungsunternehmen. „Die EU-Abfallrahmenrichtlinie hätte spätestens bis zum 12. Dezember 2012 in nationales Recht umgesetzt sein müssen, und nun läutet der Bundesrat unbegreiflicherweise eine neue Runde ein“, schimpft der Präsident des Verbandes, Otto Heinz. Es gäbe keinen Grund, die „eh schon restriktiven Regelungen zur gewerblichen Sammlung noch weiter einzuschränken. Bedauerlicherweise hat es für die Mehrheit der Landesregierungen offenbar Vorrang, kommunale Monopolstrukturen vor unliebsamer Konkurrenz zu schützen“, kritisiert Heinz.
Sollte das Ergebnis des Vermittlungsausschusses nicht im Sinne seines Verbandes ausfallen, hofft der Präsident auf Brüssel. „Die EU-Kommission wird sich insbesondere die Regelung zur gewerblichen Sammlung sehr genau ansehen müssen“, gibt sich Otto Heinz kämpferisch. „Denn nach unserem Verständnis des europäischen Rechts unterliegen getrennt gesammelte Wertstoffe dem Binnenmarkt und der Warenverkehrsfreiheit. Wenn die Regelungen hier noch restriktiver gefasst werden, muss ernsthaft bezweifelt werden, ob sie mit dem Europarecht vereinbar sind.“ Die politischen Parteien sind in der Frage gespalten. Zufrieden mit der Möglichkeit zur Überarbeitung ist die SPD. „Wir sind der Ansicht, dass das Gesetz in seiner vorliegenden Version weiterhin die kommunale Zuständigkeit gefährdet“, meint der umweltpolitische Sprecher der Sozialdemokraten im Bundestag, Matthias Miersch. Obendrein bleibe der Entwurf auch umweltpolitisch hinter den Möglichkeiten zurück. Nur durch deutliche Korrekturen sei „eine ressourcenschonende Abfallwirtschaft mit fairen Preisen und gutem Service für die Bürger und fairen Löhnen und Arbeitsbedingungen für die Arbeitnehmer“ möglich.


Empörung bei der FDP


Unverständnis herrscht dagegen bei der FDP. „Wir haben gemeinsam mit den Hauptgeschäftsführern der kommunalen Spitzenverbände auf Bundesebene den ersten Kabinettsentwurf so stark abgeschwächt, das ist bereits jetzt die Schmerzgrenze für die Privatwirtschaft“, ärgert sich der Regensburger Bundestagsabgeordnete Horst Meierhofer, der Experte für Abfall und Recycling in seiner Fraktion und gleichzeitig Frontmann der Liberalen im Stadtrat von Regensburg ist. Vor allem den Zwang für die Privaten, dreijährige Mindestzeitverträge abschließen zu müssen, sieht Meierhofer als ausreichenden Schutz für die Kommunen. „Diese Aktion ist ein rein politisches Manöver der SPD im Bundesrat.“ (André Paul)

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