Kommunales

Verquere Logik der Reichsbürger: Wenn sie die Bundesrepublik Deutschland nicht anerkennen, dann können sie auch deren Städte und Gemeinden die Existenzberechtigung absprechen. (Foto: dpa)

05.01.2017

Kassenverwalter in Angst

Selbsternannte Reichsbürger bedrohen immer stärker auch die Kommunalverwaltungen

Reichsbürger sind nicht nur ein Ärgernis für Polizei und Justiz. Auch die Kommunen werden immer häufiger zu Opfern. Sie verweigern etwa das Zahlen von Gebühren oder zeigen sich renitent in Ordnungs-, Schul- und Standesämtern. Der Freistaat will nun seine Rathausmitarbeiter im richtigen Umgang schulen.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU geht von rund 1700 Reichsbürgern im Freistaat aus. Darunter sollen 340 Waffenbesitzer sein und mindestens 40 der sog. Reichsbürger der rechtsextremen Szene angehören. Bedenkt man, dass Bayern aus rund 2000 Gemeinden, Märkten und Städten besteht und stellt man die gezählten 1700 Reichsbürger gegenüber, so könnte man behaupten, dass fast jede Kommune einen solchen Bürger beherbergt. Allerdings treten diese meist in sogenannten kleineren Reichsregierungen auf, sodass sich der Personenkreis auf wenige Kommunen verteilt.

„Die betroffenen Bürgermeister wollen aber lieber nicht öffentlich genannt werden“, berichtet Andreas Hiel, Landesvorsitzender des Fachverbands der Kommunalkassenverwalter. Der Rathauschef einer Gemeinde im Landkreis Garmisch-Partenkirchen etwa berichtet, dass speziell im Fall der Zwangsvollstreckungen große Probleme mit Reichsbürger zu verzeichnen sind. Briefe beispielsweise werden zurückgesandt mit diversen Vermerken, eigenen Stempeln und Eintragungsandrohungen im UCC-Register (Uniform Commercial Code) in den USA. Theoretisch lassen sich aus solchen Einträgen im amerikanischen Handelsregister nämlich weltweit gigantische Schadenersatzforderungen ableiten. Ähnliches funktioniert auch über die vergleichbare Einrichtung der Republik Malta. „Ebenfalls wurde mit Waffengewalt gedroht“, so der Bürgermeister. Ob diese Bürger im Besitz einer Waffe sind, sei ungewiss, man müsse also mit allem rechnen.

Zahlungsverweigerungen und gefälschte Schecks


In einer Gemeinde im Landkreis Rosenheim wiederum hatte eine sogenannte Reichsbürgerin einen Bescheid über die Bestattungskosten ihrer verstorbenen Mutter erhalten. „Da sie diesen nicht begleichen wollte, wurden Beitreibungsmaßnahmen eingeleitet“, berichtet der dortige Rathauschef. Doch sämtliche Vollstreckungsversuche – etwa das Pfänden eines Kontos oder das Beauftragen eines Gerichtsvollziehers – liefen ins Leere. „Auf Grund der Drohungen und Beschimpfungen wurde bisher immer von einem Gerichtsvollzieherauftrag mit Haftbefehl abgesehen“, gibt der Bürgermeister aus dem Chiemgau zu.

Um den bayerischen Behörden ausweichen zu können, verlegte eine Frau sogar offiziell ihren Hauptwohnsitz nach Österreich. Allerdings kommt sie weiterhin unregelmäßig in die oberbayerische Kommune – und möchte dann dort mit einem eigens entworfenen Zahlungsinstrument (auf den ersten Blick sieht es aus wie ein Scheck), ihre Schulden begleichen. „Hierbei behauptet sie, dass die offene Forderung auf einem Konto bei der Bundesbank zur Abbuchung bereitstehe. Auf unsere Nachfrage bei verschiedener Banken wurde uns aber bestätigt, dass dies definitiv kein gültiges Zahlungsmittel ist“, berichtet der Bürgermeister.

Im Landkreis Landshut weigerte sich ein Reichsbürger, die Kosten für einen neuen Reisepass zu bezahlen – was nicht einer gewissen Ironie entbehrt, wird doch eben dieser deutsche Reisepass von seiner Organisation ja eigentlich abgelehnt. Doch vermutlich hatte der Mann beim Einreiseversuch in ein anderes Land die Erfahrung gemacht, dass die dortigen Behörden nicht gewillt sind, derartigen Unfug mitzumachen.

Bauliche Schutzmaßnahmen für die Rathäuser im Gespräch


„Diese Vorfälle zeigen, wie gefährlich diese Personengruppen auch werden können“, warnt Andreas Hiel. „Hier helfen bloße Maßnahmen – etwa, sich immer höflich, aber distanziert zu verhalten – nicht mehr aus. Auch der Ratschlag, auf Argumentationen nicht einzugehen, geht hier eindeutig ins Leere.“ Neben internen, abgesprochenen Vorgehensweisen seien auch eventuell bauliche Schritte notwendig. Es geht ja um die Kassensicherheit“, ist der Landesvorsitzende überzeugt. Schade für die anständigen Bürger: Im Zuge der Bürgerfreundlichkeit waren entsprechende Barrieren in einigen Kommunen ja zuvor erst entfernt worden. „Es gibt die unterschiedlichsten Überzeugungstheorien der verschiedensten Reichsbürger“, hat Andreas Hiel beobachtet – „etwa die Fraktion, welche dies ausschließlich zur eigenen Unterhaltung betreiben. Andere wiederum sehen das weitaus verbissener und werden dem Staat gefährlich. Deshalb muss eine im Verhältnis kleine Randgruppe beobachtet werden.“ Wobei die Kommunen weiterhin konsequent handeln sollen – dass allerdings immer unter dem Aspekt der Sicherheit des Bediensteten, so die Forderung des Landesvorsitzenden.

Der Fachverband der Kommunalkassenverwalter in Bayern wird nach Hiels Worten in den nächsten Wochen gemeinsam mit der der von Landeskriminalamt und Landesverfassungsschutz getragenen Bayerischen Informationsstelle gegen Rechtsextremismus eine Handreichung für Mitarbeiter in den Kommunalkassen zum korrekten Umgang mit diesem Personenkreis entwickeln. Hier werden neben internen organisatorischen Hilfestellungen zu möglichen Dienstanweisungen auch generelle Tipps zu weiteren Vorgehensweisen aufgezeigt. (André Paul)

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