Kommunales

Früher war Dinkelsbühl mal ein Verkehrsknotenpunkt. Doch 1986 stellte die Bahn den Betrieb ein. (Foto: BSZ)

04.10.2013

Kein Zug nach Dinkelsbühl

Deutsche Bahn und bayerisches Wirtschaftsministerium versprechen der Stadt den Wiederanschluss ans Schienennetz – doch dabei bleibt es

Da hatten sie sich in Dinkelsbühl wohl zu früh gefreut: Fast 30 Jahre, nachdem die Deutsche Bahn die Zugverbindung in die Große Kreisstadt im westlichen Mittelfranken wegen fehlender Rentabilität eingestellt hatte, verkündete Bayerns frühere Wirtschaftsstaatssekretärin Katja Hessel (FDP) im August 2012, dass die Strecke reaktiviert werde.
Doch inzwischen rückt das Wirtschaftsministerium von diesem Versprechen ganz langsam wieder ab. Oberbürgermeister Christoph Hammer (CSU) ist empört. Er befürchtet, dass seine 11 200 Einwohner zählende Kommune auf unbestimmte Zeit vom Schienennetz abgeschnitten bleiben wird. „Was soll man denn davon halten, wenn die Staatsregierung ständig die Gleichwertigkeit der Lebensbedingungen verspricht, einen dann aber hängen lässt“, schimpft der Rathauschef. „Da verliert man doch jede Planungssicherheit.“
Dabei gibt es gute Gründe für eine neue Zugverbindung nach Dinkelsbühl. Die Einwohnerzahl wächst – eher die Ausnahme im vom demografischen Wandel geplagten ländlichen Raum Frankens –, es gibt viele Berufspendler in den Großraum Nürnberg und der Ort ist mit seiner gut erhaltenen historischen Innenstadt ein beliebtes Reiseziel für Touristen. Obendrein wären dann auch noch die Schüler, sodass man mit rund 1000 Fahrgästen am Tag rechnen kann – als Richtwert die Voraussetzung dafür, dass die Bahn eine Strecke als rentabel einstuft. Vorgesehen ist zunächst eine Verbindung nach Dombühl im Landkreis Ansbach und zwar im Stundentakt. Die Fahrt würde etwa 25 Minuten dauern und der Zug unterwegs drei mal halten. Rund 4,65 Millionen Euro stehen dafür bereit.

"Präzedenzwirkung vermeiden"


Doch das Projekt verzögert sich nicht aus Kostengründen. Vielmehr macht das bayerische Wirtschaftsministerium die Auszahlung der Summe abhängig davon, dass die Deutsche Bahn AG die S-Bahn von Ansbach nach Dombühl verlängert und dort obendrein den Bahnhof ausbaut. Das würde 2,7 Millionen Euro kosten. Bisher wird Dombühl nämlich lediglich vom Regionalexpress bedient. Aber die Bahn lässt sich mit dieser Maßnahme Zeit. Viel Zeit. Vielleicht ist es 2020 soweit, vielleicht aber auch erst später.
Im Klartext: Die Dinkelsbühler dürfen von ihrem Ort nicht per Zug verreisen, weil sie im nächsten Bahnhof nur in einen Regionalexpress, aber nicht in eine S-Bahn umsteigen können. Oberbürgermeister Hammer hat dafür zwar wenig Verständnis, sich als praktisch denkender Kommunalpolitiker aber bereits nach Alternativen umgesehen und dabei das Angebot der – im Gegensatz zur Deutschen Bahn – privat betriebenen Bayernbahn entdeckt. Die könnte, so seine Überlegung in einem Brief an das Wirtschaftsministerium, doch übergangsweise die Reisenden von Dinkelsbühl nach Dombühl befördern.
Das sieht man im Wirtschaftsministerium freilich anders. Solange der Bahnhof in Dombühl nicht hergerichtet ist, „könnte lediglich ein Zwei-Stunden-Takt angeboten werden“, heißt es seitens eines Sprechers auf Nachfrage. „Umsteigefreie Fahrten nach Ansbach wären nicht möglich und eine Barrierefreiheit nicht gegeben. Entsprechend würde in der Öffentlichkeit der Eindruck eines Provisoriums entstehen.“ Außerdem sei es fraglich, so der Sprecher, ob man mit dem Zwei-Stunden-Takt die notwendigen 1000 Fahrgäste pro Tag erreichen würde.
Und hier beißt sich die Katze in den Schwanz. Denn das kleine Dombühl mit seinen rund 1600 Einwohnern wäre natürlich nicht die bevorzugte Endstation der S-Bahnreisenden aus Nürnberg. Die meisten Leute sind an einer Weiterfahrt nach Dinkelsbühl interessiert. Weil dorthin aber eben keine Zugverbindung besteht – und damit auch kein Geld zu verdienen ist–, muss sich die Deutsche Bahn mit dem Ausbau nicht übermäßig beeilen. Obendrein scheinen die Ministerialen zu bangen, dass zu viel Großzügigkeit im Falle von Dinkelsbühl entsprechende Begehrlichkeiten anderer bayerischer Bürgermeister wecken würde, deren Kommunen ebenfalls seit Jahren vom so genannten Schienenpersonennahverkehr abgeschnitten sind und die auf eine Reaktivierung hoffen. „Eine Präzedenzwirkung für andere Forderungen“, wie es im besten Amtsdeutsch heißt – oder auf gut Bairisch: „Da kannt ja jeder kumma.“
Auch der private Omnibusverkehr dürfte naturgemäß wenig Interesse an einer guten Erreichbarkeit von Dinkelsbühl auf der Schiene haben. Denn der beschauliche Ort mit seiner Fachwerkromantik ist vor allem für ältere Touristen ohne eigenes Auto interessant. Wenn diese aber bequem per Bahn und, wie geplant, zu den günstigen Tarifen des Verkehrsverbunds Großraum Nürnberg (VGN) anreisen könnten – warum sollten sie dann noch per Bus bis Dinkelsbühl zuckeln? „Abstimmungsprobleme mit dem Busverkehr“, heißt dieser Aspekt etwas allgemein in der Begründung des Ministeriumssprechers für die Absage an das Angebot der privaten Bayernbahn.
OB Christoph Hammer bleibt als letzte Chance wohl nur noch das Vertrauen auf eine interpretierbare Äußerung seines Parteifreunds Markus Söder. Der bayerische Finanzminister hatte bei seiner Rede zur 825-Jahr-Feier von Dinkelsbühl am 8. September angemerkt, dass das geplante neue Heimatministerium zwar in Franken, jedoch gerade nicht in Nürnberg, sondern in Westmittelfranken angesiedelt werden soll. „Der Minister hat angemerkt, dass die Stadt Dinkelsbühl hierfür geeignet wäre, ja als Vertreterin des ländlichen Raums geradezu prädestiniert“, erinnert sich der Oberbürgermeister. Und der Amtssitz eines Ministers braucht natürlich zwingend eine Bahnverbindung. „Dieses Angebot nehme ich gerne war“, freut sich Hammer. (André Paul)

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