Kommunales

Fürths (bisherige) Kneipenmeile: die Gustavstraße. (Foto: Wraneschitz)

24.04.2015

Lärmempfindliche Prozesshansel ausbremsen

Die Fürther Gustavstraße droht zum Kneipengrab zu werden – soll jetzt eine "Kneipenstraßenverordnung" für Bayern kommen?

Der bayerische Landtag entschied in dieser Woche, sich für Volksfeste einzusetzen und extrem lärmempfindlichen Prozesshanseln, denen schon jede Kirchweih zu viel und zu laut ist, einen Riegel vorzuschieben. Für die Fürther Gustavstraße, der Kneipen und Volksfestmeile in der Kleeblattstadt, kommt diese Maßnahme womöglich schon zu spät.
Es ist eigentlich positiv, was dieser Tage Peter Messing, der Leiter der Fürther Polizeiinspektion, zur Kneipenmeile Gustavstraße im Jahre 2014 verkünden kann: weniger Straftaten, keine (gegenüber sieben im Vorjahr) „Gewahrsamnahmen“ wegen Trunkenheit, weniger Einsätze insgesamt und wie schon zuletzt kein einziges Ermittlungsverfahren.
Doch möglicherweise ist der Rückgang auch dem Umstand zu verdanken, dass insgesamt weniger Gäste die Gustavstraße aufgesucht haben. Genaues wissen zwar weder Messing noch der städtische Ordnungsreferent Christoph Maier, können es sich aber vorstellen. Denn die Gustavstraße blutet aus. Allein zwei große Speiselokale haben zuletzt geschlossen: Der traditionelle „Grüne Baum“ – den nicht einmal der Einsatz eines TV-Restaurantkritikers mehr retten konnte – und Anfang April der „Gelbe Löwe“. Vier Jahre war dessen letztes Wirtspaar tätig, „vier Jahre, in denen sich in der Gustavstraße bekanntermaßen sehr vieles zum Negativen verändert hat, uns als Selbstständigen die Chance auf unternehmerische Gestaltung genommen wurde“, wie die beiden ihre Gäste wissen ließen. Quasi über Nacht „haben wir uns schweren Herzens entschlossen, den Gelben Löwen zu schließen. Wir haben keine Lust mehr, unser Glück von Mediationen abhängig zu machen, keine Lust mehr, uns verunglimpfen zu lassen“, lautet ihre traurige Zusammenfassung.
Hintergrund für die kapitulierenden Wirte ist ein Streit mit Anwohnern, welche auf ungestörten Schlaf pochen. Zu Recht, wie Verwaltungsgerichte mehrfach bestätigt haben. Die Richter meinen, man könne sich hierbei auf die Lärmschutzverordnung und das Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) berufen.
„Eigentlich sind Lärmschutzver-ordnung und BImSchG gemacht worden, um Menschen vor Maschinen- oder Autolärm zu schützen,“, sagt Bundesumweltstaatssekretär Florian Pronold (SPD) und für diese Regelungen mit verantwortlich. „Umgehen“ könne man deren Anwendung auf menschengemachten Lärm durch Landesregelungen; so habe es der Freistaat Bayern vor einigen Jahren mit seiner Biergartenverordnung getan, rät der Politiker. Dem Bund selbst sind hier die Hände gebunden. Was aus Pronolds Sicht fehlt, ist eine spezielle bayerische „Kneipenstraßenverordnung“.

"Wir klagen das Oktoberfest weg"

„Denn das Fürther Problem kann überall auftreten“, meint der Zirndorfer Bürgermeister Thomas Zwingel (SPD) und verweist auf die unterfränkische Gemeinde Kahl am Main: Dort musste die traditionelle „Kerb“ (Kirchweih) wegen einer Anwohnerklage abgesagt werden. Doch dort gehen inzwischen nicht nur die Stadträte, sondern breite Bevölkerungsschichten auf die Straße: Sie demonstrie-ren gegen das Recht Einzelner, das Feierbedürfnis von Vielen zu verhindern. „Jedes Fest kann betroffen sein“, bangt Zwingel und nennt unter anderem die bekannte Erlanger Bergkärwa oder das Forchheimer Annafest.
Inzwischen gibt es sogar schon Drohungen von Fürthern, nahe der Münchner Theresienwiese ein Haus zu kaufen und durch Lärmschutzklagen das Oktoberfest zu Fall zu bringen. Deshalb hofft Florian Pronold, die bayerische Staatsregierung möge die „Regelungen anderer Bundesländer, zum Beispiel von Berlin abschreiben“. Doch die Staatsregierung ziert sich wohl: Als Pronold dieser Tage zu einem „Fachgespräch“ nach Fürth geladen hatte, waren viele Fachleute gekommen – nur keine aus München. Für Fürths Oberbürgermeister Thomas Jung (SPD) „ein Affront“. Wie andere Rathauschefs auch wünscht er sich ein Gesetz, nachdem die Kommunen vor Ort eigenständig über Freischankflächen entscheiden können –„natürlich ohne die Lärmschutzinteressen der Anwohner zu vergessen“. Ob das durch den Beschluss des Landtags für Einzelfallregelungen allgemein erreicht wird, muss sich zeigen. Die Worte „Gustavstraße“ und „Fürth“ kamen in der Debatte jedenfalls nicht vor. P.S.: Im „Gelben Löwen“ versucht sich ab nächste Woche ein neuer Pächter. (Heinz Wraneschitz)

Kommentare (1)

  1. aus färdd am 12.05.2015
    Wer hat denn da (nicht) rechercheirt? Der "Grüne Baum" wurde aus völlig anderen Gründen geschlossen als der "Gelbe Löwe". Und: Die Gustavstraße in Fürth wird zwar seit Jahren - vor allem von "Oberen" der Stadt als "Kneipenstraße" in die "Volksmeinung" getrichtert; ein Blick in den Bebauungsplan genügt jedoch, um festzustellen: Diese Straße ist Mischgebiet mit allen damit verbundenen Rechten und Pflichten; und Die klagenden Anwohner sind somit keine "Prozesshanseln", sondern Menschen, die ihre Rechte wahrnehmen. Ich erwarte von einem fairen und neutralen Journalisten, dass er solche Tatsachen erwähnt.
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