Kommunales

Häufig essen Kinder in Kantinen mittags zu viel Fleisch und zu wenig Gemüse – auch wenn sie sich darüber nicht unbedingt ärgern dürften. (Foto: dpa)

24.07.2015

Lecker und gesund zugleich ist schwer

Beim Schulessen wird in Bayern noch ziemlich viel improvisiert, Standards fehlen – obwohl bald deutlich mehr Kinder mittags verköstigt werden müssen

Das Problem ist abzusehen, aber noch reagieren die wenigsten bayerischen Kommunen als Schulträger darauf: In den nächsten Jahren werden mehr Kinder in Ganztagsschulen gehen, die damit auch jeden Tag ein gesundes und nahrhaftes Mittagessen benötigen. Doch vor allem in kleineren Kommunen ist die Mittagsverpflegung der örtlichen Schulen noch weitgehend improvisiert. Das bayerische Kultusministerium macht da – anders als etwa in anderen Bundesländern – keine konkreten Vorgaben.

Für das Personal, also die Lehrer, ist an Bayerns Schulen der Freistaat zuständig, alle übrigen Aufgaben – von der Gebäudeinstandhaltung bis zur Schulspeisung – verantwortet die jeweilige Kommune. Im Falle der Grund-, Mittel- und Realschulen ist das die Gemeinde, die Gymnasien unterliegen der Zuständigkeit der Landkreise und kreisfreien Städte.
Die Ernährung der Buben und Mädchen ist derzeit sicher nicht schlecht, aber es entscheidet eben jede Kommune nach eigenem Gutdünken. Manchmal bekommen die Schüler das Essen aus einem örtlichen Seniorenheim mitgeliefert – und entsprechend „beliebt“ ist diese auf empfindliche Mägen ausgerichtete Greisenkost dann auch bei den Kindern –, oft zweigt auch ein großer örtlicher Unternehmer Portionen von seiner Betriebskantine ab. Häufig verköstigen sich die Kinder auch beim Hausmeister – was in der Praxis meist auf Spaghetti mit Tomatensoße oder die berühmt-berüchtigte Leberkässemmel hinausläuft. Auch Bäcker, Metzger und Dönerbuden in der Nähe der Schulen machen in der Regel mit dem hungrigen Nachwuchs ein gutes Geschäft.
Zwar konstatiert Elke Liesen, Ernährungswissenschaftlerin und Expertin für Schulverpflegung bei der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, dass kein Grund zur Panik bestehe: „Bei der Schulverpflegung hat sich in den vergangenen Jahren viel getan, wir sind auf einem guten Weg, auch wenn natürlich noch vieles verbesserungswürdig ist.“ Das gelte auch für den Freistaat.


Vorreiter Saarland


Noch besser da stehen freilich vor allem Berlin und das Saarland, letzteres vielleicht aufgrund der geografischen Nähe zur kulinarischen europäischen Hochburg Frankreich. In diesen Bundesländern gibt es bereits offizielle Qualitätsstandards bei der Schulverpflegung, die in Bayern noch fehlen. Darin vorgeschrieben ist unter anderem, wie oft bestimmte Lebensmittel innerhalb von vier Wochen vorkommen dürfen. Fleisch – vor allem verarbeitetes in Form von Wurst – soll möglichst selten Bestandteil der Mahlzeit sein, dafür am besten jeden Tag Gemüse.
Man kann wirklich mehrere bayerische Schulen beliebig herausgreifen und wird feststellen, dass diese Vorgabe bei den Mahlzeiten leider nicht konsequent eingehalten wird. Nudeln, Spätzle und Reiberdatschi etwa landen viel häufiger auf dem Teller der Kinder, als es diesen gut tut. Und die Zutaten mögen in hygienischem Sinne unbedenklich sein – regional oder wirklich Bio sind sie nur in den seltensten Fällen. Auch viel Tiefkühlkost landet da in den Mägen. Simone Eckert, Leiterin der Vernetzungsstelle Schulverpflegung Oberpfalz, hält es deshalb für wünschenswert, dass in Ausschreibungen für Schulessen auch ein Bio-Anteil festgelegt würde.
Natürlich spielen auch die wirtschaftlichen Überlegungen eine Rolle. Eltern sind nur selten bereit, mehr als vier Euro pro Tag für die Mittagsmahlzeit ihres Kindes auszugeben, fünf Euro gelten schon als fast undurchdringliche finanzielle Schallmauer. Dass es schwer wird, zu diesem Preis gesund und lecker zu kochen kann sich jeder ausrechnen, der sich den zuschussfreien Preis von Portionen in Betriebskantinen anschaut. Und deutlich weniger als ein Erwachsener isst ein Kind im Wachstum zwischen zehn und 18 Jahren mittags auch nicht.
Hinzu kommt: Kinder sind kulinarisch nun mal Spießer und essen am liebsten Vertrautes und zu gesund darf es auch nicht sein. Was etwa Diätassistenten verzückt – wie beispielsweise eine Grünkernlasagne mit Tofu – löst bei halbwegs normal veranlagten Sieben- bis 13-Jährigen eben nur Würgereiz aus. Vegane Umerziehungsfanatiker – von deren Anfragen berichten Schulleiter wiederholt – sollten ihren missionarischen Eifer besser woanders ausleben.

Ab 500 Portionen täglich rechnet sich eine Schulkantine


Die Größenordnungen, ab welcher Essenszahl sich eine Schulkantine mit Portionspreisen von maximal vier Euro rechnet, gehen obendrein auseinander. Experten halten aber mindestens 500 Kinder pro Tag für notwendig, um wenigstens kostendeckend arbeiten zu können. Ab 800 Euro sollte bei vernünftiger Kalkulation für den Anbieter auch ein Gewinn möglich sein. Leider kooperieren die verschiedenen Schulleitungen und die politischen Spitzen in den Kommunen in dieser Frage noch viel zu wenig miteinander, häufig wursteln etwa Realschule und Gymnasium in einem Ort – obwohl sie räumlich nicht selten genau nebeneinander liegen– in dieser Frage getrennt voneinander hin, weil von Entscheidungsträgern eifersüchtig auf die jeweilige Kompetenzhoheit geachtet wird.
Fein raus sind natürlich all jene Kinder, die mittags heimgehen können, weil daheim ihre Mutter als Hausfrau mit dem frisch gekochten Essen auf sie wartet. Doch dieses traditionelle Familienbild entspricht eben bei immer weniger bayerischen Familien der Lebenswirklichkeit. Immer mehr getrennt lebende Eltern, die rasant steigenden Lebenshaltungskosten, der wachsende Druck der Arbeitgeber, dass Frauen möglichst rasch wieder Vollzeit arbeiten und der politische Wille zum weiteren Ausbau der Ganztagsschule zwingen eben immer mehr Kinder, auch unter der Woche außer Haus zu essen.
Dass die Zahl der Ganztagsschüler bis zum Ende dieses Jahrzehnts signifikant steigen wird, lässt sich schon daraus ableiten, dass bereits heute mehr Kinder im Alter zwischen drei und sechs Jahren länger in der Kita verweilen als noch vor fünf oder zehn Jahren. Und warum sollten deren Mamas in fünf Jahren plötzlich aufhören zu arbeiten und wieder daheim bleiben? (André Paul)

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