Kommunales

Projekt-Organisator Reiner Meutsch mit seinen lernbegierigen Schützlingen. (Foto: BSZ)

23.06.2017

Neue Schulen für Afrika

Der Landkreis Donau-Ries praktiziert ein bundesweit einmaliges Projekt kommunaler Entwicklungshilfe

Der Unternehmer Reiner Meutsch baut mit seiner Stiftung Schulen in Entwicklungsländern, vor allem in Afrika. Als erste deutsche Kommune beteiligt sich jetzt dabei der schwäbische Landkreis Donau-Ries. Gleich fünf Schulen errichten Behörden und Privatleute aus der Donau-Ries in den nächsten Monaten auf dem schwarzen Kontinent. Am Ende der mehrstündigen Präsentation von Reiner Meutsch war Landrat Stefan Rößle (CSU) unglaublich beeindruckt – und nach eigenen Worten bereit, auf seinen geliebten Porsche zu verzichten. Meutsch, ein pensionierter Unternehmer aus dem Westerwald – er war einst Besitzer des internationalen Touristikunternehmens Berge & Meer, das er später an den TUI-Konzern verkaufte – hatte in Donauwörth ausführlich von seiner Lebensaufgabe und seiner Stiftung Fly & Help berichtet: Schulen bauen für bedürftige Kinder in den Entwicklungsländern rund um die Welt, ganz besonders in Afrika. Weniger als 50 000 Euro kostet dort in der Regel der Neubau eines modernen Schulgebäudes. Oder eben den Gegenwert eines gebrauchten Porsches.

Eine Schule bezahlt der Landrat mit seinem Porsche


„In einer deutschlandweit einzigartigen Vorreiterrolle“, wie Reiner Meutsch lobt, engagiert sich der Landkreis Donau-Ries jetzt in der Entwicklungshilfe auf kommunaler Ebene. Für fünf Schulen in Afrika gibt es aus dem Landkreis bereits konkrete Zusagen.

Da wäre zunächst eine aus der Kreisstadt Donauwörth gesponserte Schule im Vorort der namibischen Hauptstadt Windhoek. Ursprünglich wurde sie für 500 Schüler gebaut. Aufgrund des starken Zuwachses und der immer stärker steigenden Bevölkerungszahl ist die Nachfrage aber inzwischen so hoch, dass dort 1200 Schüler unterrichtet werden müssen – von gerade mal 37 Lehrern. „Da man kein Kind abweisen möchte, wird im Zwei-Schicht-System unterrichtet“, berichtet Reiner Meutsch. Doch jetzt ist der Erweiterungsbau weitgehend fertig, im Februar 2018 soll die neue Schule offiziell eingeweiht werden. Benannt ist sie nach dem im Frühjahr dieses Jahres verstorbenen Donauwörther Unternehmer Heinrich Freissle, der noch in seinen letzten Lebensmonaten und vom Krankenbett aus intensiv um Spendengelder war.

Einen weiteren, diesmal komplett neuen Schulbau in Malawi fördert Landrat Stefan Rößle – selbst Vater von vier Kindern – privat. In der rund 20 Kilometer von Salima im Dorf Kunghongo gelegenen Grundschule sollen später mal 726 Kinder beschult werden. „Es handelt sich um eine typisch ländliche Region, in der ein Großteil der Bevölkerung aus armen Kleinbauern besteht“, berichtet der Landrat. Bisher seien die Kinder unter Strohdächern unterrichtet worden – 160 an der Zahl und in ganzen drei Klassen.

100 Millionen junge Leute sitzen auf gepackten Koffern


Die übrigen Schulbauten – darunter ein weiteres in Namibia und zwei in Burkina Faso– stehen unter der Schirmherrschaft von Privatleuten und der kreisangehörigen Gemeinden Mertingen, Rain und Genderkingen. Darüber hinaus wird vom Landkreis in einem Kinderhaus für misshandelte und missbrauchte Mädchen eine Küche gebaut. Der Landkreis hat für die Schulbauten in Burkina Faso ein Spendenkonto eingerichtet, auf das Firmen und Privatleute einzahlen können. „Wir dürfen nach Überprüfung durch das Finanzministerium dafür auch direkt Spendenbescheinigungen ausstellen“, freut sich der Landrat, „es muss nicht erst vorher ein Verein gegründet werden.“

Afrika ist seit der Flüchtlingskrise 2015 wieder verstärkt in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt. Denn es kamen ja nicht nur Menschen, die aus Syrien vor dem Bürgerkrieg flohen, sondern auch Hunderttausende Afrikaner, vor allem aus den Ländern südlich der Sahelzone. Der frühere Bundespräsident Horst Köhler hatte schon vor zehn Jahren gewarnt, dass sich dort eine Migrationsbewegung gigantischen Ausmaßes zusammenballen werde, wenn sich die Situation für die Bevölkerung nicht bessert. Was Deutschland im Sommer 2015 erlebt hatte, wäre im Vergleich dazu absolut harmlos.

Auch Bundesentwicklungshilfeminister Gerd Müller (CSU) warnte unlängst, dass in Afrika mehr als 100 Millionen meist junge Menschen auf gepackten Koffern säßen, um im reichen Norden einen Anteil von dessen Wohlstand einzufordern. Die Bundesregierung reagierte, rief sogar das „Afrika-Jahr“ aus, intensivierte die Zusammenarbeit.


Keine Gißekannen-Entwicklungshilfe mehr à la Wieczorek-Zeul


Doch wenn man etwas gelernt hat aus den Tagen der großzügigen, aber im Nachgang ineffizienten Gießkannen-Entwicklungshilfe früherer Tage à la Ex-Ressortchefin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD), dann dies: Budgethilfe für Regierungen bringt wenig bis nichts, meist versickert das Geld nur in dunklen Kanälen.
In Uganda, berichtet Reiner Meutsch, habe Präsident Yoweri Kaguta Museveni gefordert, der Deutsche möge eine Million überweisen, dann baue er ihm jede Menge Schulen – und lobte Ehefrau, Vetter und Schwager, die sich in dieses Projekt mit ihrer angeblichen Qualitäten einbringen können. „Ich habe abgelehnt“, sagt der Entwicklungshelfer.

Die Losung lautet nun: Unterstützung vor Ort, in ganz konkreten Einzelprojekten. Vielleicht sind Kommunen dafür sogar besser geeignet als nationale Administrationen. Von staatlicher Förderung hat sich Reiner Meutsch schon lange unabhängig gemacht, genügend Geld hat der 62-Jährige.

Seine Stiftung Fly & Help – „jeder gespendete Euro fließt direkt in den Bau von Schulen, sämtliche Verwaltungskosten trage ich aus eigener Tasche“ – entstand vor acht Jahren, nachdem er sich einen Lebenstraum erfüllt hatte: einmal mit einem Kleinflugzeug rund um die Welt fliegen. 100 000 Kilometer kamen in der fast einjährigen Tour zusammen, in 77 Ländern machte Meutsch mit seiner Propellermaschine Station – daher auch der später gewählte Name. Und der Unternehmer erschrak häufig über die Zustände, die er vor Ort antraf. Doch nicht Lebensmittelpakete oder Medikamente sollten es sein, sondern eben Schulen, „denn Bildung ist für mich der größte Friedensstifter“.

Bisher konnten nach Angaben der Stiftung mehr als 137 Projekte rund um den Globus initiiert, gefördert und betreut werden. Mit seinen opulent konzipierten Shows zieht er durchs Land und trommelt um Geld. Unterstützung erhält Reiner Meutsch dabei von Künstlern aus Afrika und Lateinamerika – beispielsweise von der Sängerin Yma América, bekannt aus dem Musical König der Löwen. Körperliche Höchstleistungen liefern dazu die Akrobaten der Gruppe Adesa aus Ghana. „Durch die Shows generieren wir jedes Jahr so viele Spenden, dass wir bis zu fünf neue Schulen davon bauen können“, verrät Reiner Meutsch. (André Paul)

Kommentare (1)

  1. Unterallgäuer am 25.06.2017
    Das Problem in vielen Ländern Afrikas sind allerdings nicht die fehlenden Schulabschlüsse. Nigeria etwa hat eine ähnlich hohe Quote an Akademikern wie der EU-Durchschnitt. Nur leider gibt es nicht mal annähernd genügend Jobs für diese ganzen Diplomanden. Die Wirtschaft südlich der Sahara wächst zwar, aber bei weitem nicht im gleichen Tempo wie die Bevölkerung. Für ausländische Investoren wiederum sind viele junge Afrikaner mit Hochschulstudium nur eingeschränkt verwendbar, weil die Studiengänge meist nicht ausreichend berufspraktisch ausgelegt sind. Die müssen ihre Ingenieure oft aus Europa, den USA oder Vhina einfliegen. Und es wird viel zu viel Geistes- und Sozialwissenschaft studiert, weniger Technik oder Naturwissenschaft, weil die jungen Leute - verständlich, bei dem blühenden Korruptionssystem - alle nach einer Stelle im aufgeblähten öffentlichen Dienst luren.
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