Kommunales

Das Gewerbesteueraufkommen in Bayern hat sich laut vbw seit dem Jahr 2000 nahezu verdoppelt - die vbw findet, das reicht, die Städte brauchen aber noch mehr Geld. (Foto: dpa)

27.05.2016

Neuer Zoff um die Gewerbesteuer

Vereinigung der bayerischen Wirtschaft kritisiert Hebesatz-Politik der Kommunen

Die Ausgaben steigen, die Einnahmen stagnieren – bestenfalls: So lautet eine häufige Klage der Kommunen. Die vbw – Vereinigung der bayerischen Wirtschaft kommt freilich zu einem anderen Ergebnis: Demnach hätten die Städte und Gemeinden noch nie so viel Gewerbesteuer eingenommen wie derzeit. Und damit nicht genug: Jene Kommunen mit den höchsten Hebesätzen, so der Verband der Arbeitgeber, stünde meist auch wirtschaftlich am schlechtesten da. Ziemlich zum Ende der Ausführungen zur Entwicklung der Gewerbesteuer in Bayern und im Bund von vbw-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt bekommen die Augsburger ihr Fett weg. In der Bezirkshauptstadt wurde der Hebesatz – das ist der Faktor, der zur Ermittlung der tatsächlichen Steuerschuld mit dem Steuermessbetrag multipliziert wird – von 435 auf 470 Prozent erhöht – „einer der höchsten Süddeutschlands“, ätzt Brossardt. Einen stärkeren Anstieg hatte zuletzt keine bayerische Großstadt. Es schwingt dabei auch die unausgesprochene Frage, ja der latente Vorwurf mit: Muss das wirklich sein, geht es nicht auch niedriger?

Zum Vergleich seien mal andere Metropolen in ähnlicher Größenordnung genannt: In Regensburg beträgt der Hebesatz 425 Prozent, in Nürnberg 447 Prozent und in Ingolstadt 400 Prozent. Der Durchschnitt im Freistaat liegt derzeit übrigens bei 377 Prozent. Außerhalb Bayerns schaut es mancherorts allerdings noch finsterer aus für ortsansässige Unternehmen.

Viele sozial Schwache, zahlreiche Baumaßnahmen


Dass dies so ist, hat außerhalb des Freistaats natürlich Gründe, aber auch in Augsburg. Es geht nämlich finanziell kaum einer bayerischen Großstadt so schlecht wie der Schwabenmetropole: Der höchste Migrantenanteil wäre da zu nennen, was immer auch überdurchschnittlich hohe Sozialausgaben nach sich zieht. Mit Weltbild rutschte ein wichtiger örtlicher Arbeitgeber in die Krise. Dann standen in den vergangenen Jahren teure Baumaßnahmen an, beispielsweise in der City oder am Hauptbahnhof. Und aktuell wird gerade das Stadttheater zu einem Total-Sanierungsfall.

Aber was sollen die Kommunen auch sonst tun, sie haben ja kaum einen anderen wichtigen Topf, um ihre Ausgaben zu begleichen. Die Gewerbesteuer ist und bleibt die wichtigste Einnahmequelle, rund 40 Prozent des städtischen Etats macht sie inzwischen aus – und das trotz der Tatsache, dass die daraus resultierenden Einnahmen seit Beginn des letzten Jahrzehnts um fast 90 Prozent gestiegen sind, um zirka 300 Euro pro Jahr und Einwohner.

Es ist das alte Lied, wenn man Bürgermeister fragt, wie das zusammenpasst – das darum aber nicht falscher wird: Der Staat – egal ob Land oder Bund – schaffe immer neue soziale Wohltaten an, heißt es, beispielsweise den Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz. Oder, ganz neu: das pekuniäre Fass ohne Boden, die Inklusion. Von den rund 2000 selbstständigen Gemeinden Bayerns hat in den vergangenen zehn Jahren ein Drittel ihren Hebesatz angehoben, allerdings beließ ihn auch die Hälfte auf dem Status quo.
Und selbst wenn der Stadt- oder Gemeinderat bei den üblicherweise alljährlich stattfindenden Beratungen über den Hebesatz gegen dessen Erhöhung stimmen würde, dann kann die Aufsichtsbehörde die Kommune trotzdem dazu zwingen. In mehr als jeder vierten Abstimmung pro Erhöhung ist das die Ursache, bei den hochverschuldeten Gemeinden ohne einen genehmigungsfähigen Haushalt sogar die Regel.

"Irgendwann stellt sich dann die Standortfrage"

Zutiefst kontraproduktiv sei das, halten die Arbeitgebervertreter dagegen. Wissenschaftliche Untersuchungen hätten vielmehr ergeben, dass die ökonomische Entwicklung besonders gut in jenen Städten verlaufe, die ihren Hebesatz sogar absenken oder ihn zumindest auf dem gleichen Level belassen. Mit – teilweise spöttischer – Kritik an all jenen, die es anders halten, hatte Brossardt bereits im Verlauf der Präsentation nicht gespart. „Die Gewerbesteuer wird von den Städten gern als Band zwischen Kommunen und Wirtschaft bezeichnet – schön, dass eine Steuer als Band betrachtet wird, aber so behandelt man sie ja auch.“ Subtext: Mancherorts werden unsere Mitglieder durch die Lokalpolitiker geknebelt.

Dass dies im Freistaat – im Ländervergleich – insgesamt eher moderat geschieht, beeindruckt den Wirtschaftslobbyisten wenig. „Der Vergleichsmaßstab für die Unternehmen ist niemals der deutsche Schnitt oder ein anderes Bundesland – sondern der internationale Maßstab“, so der Hauptgeschäftsführer. Ohnehin übersähen immer häufiger „viele Kommunalpolitiker leider den Zusammenhang zwischen maßvoller Steuerpolitik und Standortentwicklung“.

Das kann dann auch mal als Schuss nach hinten losgehen: nämlich dann, wenn einer oder wenige Gewerbesteuerzahler – was nicht selten ist – das Gros der Einnahmen aus dieser Quelle bestreiten. Mehr als die Hälfte aller Gewerbetreibenden zahlt nämlich gar keine entsprechenden Steuern. „Und wenn es sich bei diesem einen großen Zahler dann auch noch um die Filiale eines international tätigen Konzerns handelt, dann stellt sich irgendwann mal die Standortfrage“, warnt Bertram Brossardt. (André Paul)

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