Kommunales

Der in den Beton eingebaute Baustahl korridiert bei vielen alten Brücken. (Foto: Wraneschitz)

31.07.2015

Nürnberg in Brücken-Not

Der notwendige Neubau dreier defekter Bauwerke kostet mindestens 137 Millionen Euro – es ist aber keine Förderung in Sicht

Für prognostizierte 137 Millionen Euro muss die Stadt Nürnberg in den nächsten acht Jahren drei marode, vier- bis sechsspurige Brücken am Hafen runderneuern. Der Stadtrat beriet darüber am 29. Juli. Doch diese drei sind nur die Spitze des Brücken-Eisbergs in der Frankenmetropole. Und in anderen Kommunen ist das Dilemma genauso groß, wird aber oft verdrängt.
Als Christian Vogel dieser Tage über „drei Damen, knapp über die 40“ sprach, dachte er nicht an einen flotten Vierer. Vogel, SPD-Bürgermeister in Nürnberg und Chef des Eigenbetriebs „Service Öffentlicher Raum SÖR“, ist unter anderem für die Verkehrsinfrastruktur zuständig. Und die drei Ü40-Damen sind Brücken im Süden der Frankenmetropole. Die wurden in den 1970er Jahren gebaut; wie viele Bauwerke ihrer Art damals ist in ihrem Beton Baustahl eingebaut, der inzwischen korrodiert. Damit würden die drei Damen über kurz oder lang zum Verkehrsproblem. Denn über sie rollen tagtäglich zigtausend Achsen, darunter viele von Lkws auf ihrem Weg zum Hafengelände und wieder zurück. Vogel: „Ein Wirtschaftsfaktor!“

Größtenteils hausgemacht


Klar. Die Straßenbrückenprobleme sind großteils hausgemacht. Neben dem schlechten Baustahl sind sie „unter anderem verursacht durch erhebliche Zunahme des Schwerlastverkehrs, Geschwindigkeitssteigerungen, früheren massiven Streusalzeinsatz, sauren Regen, die Tatsache, dass Brücken teilweise ihr „kritisches Alter“ erreichen, vor allem jene aus den 1960er- bis 1980er-Jahren, nicht ausreichende Brückenunterhaltung in den Kommunen über viele Jahre.“
So steht es in der so genannten Brückenstudie des Deutschen Instituts für Urbanistik DIFU aus dem Jahr 2013. Darin wurden 66 714 kommunale Brücken betrachtet, von denen 70 Prozent im Besitz von Orten unter 20 000 Einwohnern sind. „Die haben den größten relativen Bedarf an Brückeninvestitionen und auch an Unterhaltungsmaßnahmen“, weiß DIFU.
Und, dass knapp die Hälfte der kommunalen Brücken in ziemlich schlechtem Zustand sind; weit häufiger als beim Bund. Der hat zuletzt ein eigenes Brückenbauprogramm aufgelegt, was viele Verkehrsexperten als völlig unzureichend brandmarken. Aber für den noch wesentlich höheren Finanzbedarf der Kommunen scheint der Bund sich noch weniger zu interessieren. Auch wenn Bürgermeister Vogel von „Gesprächen zwischen dem Städtetag und der Regierung“ berichtet.

Es sind mehr als 137 Millionen Euro nötig


Zu jenen 17 Prozent der Brücken mit „Ersatzneubaubedarf zu durchschnittlichen Investitionskosten von geschätzt 4184 Euro/m²“ (DIFU) gehören auch besagte drei Nürnberger Damen. Bis 2030 seien mindestens 17 Milliarden Euro notwendig, sagt die Studie voraus. Auch Nürnberg wird nicht darum herumkommen, mehr als besagte 137 Millionen Euro zu investieren: Einige Dutzend Überführungen sind fast genauso marode wie jene drei Damen. Nur sind sie wohl für den Wirtschaftsverkehr nicht so wichtig und werden deshalb „geschoben“ in der Sanierungsreihenfolge. „In vielen finanzschwächeren Städten in strukturschwachen Regionen ist es aufgrund der angespannten Haushaltssituation jedoch nicht erkennbar, woher dafür die notwendigen Gelder kommen sollen“, bestätigt Stephan Articus, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags. Weshalb der Verband fordert: „Bund und Länder müssen ihrer Mitverantwortung intensiver und dauerhaft gerecht werden“, wenn es um kommunale Infrastruktur gehe. Denn Nürnberg fallen schon die ersten drei Ersatzneubauten „bei unserem klammen Haushalt verdammt schwer“, gibt Vogel offen zu. Man sei „auf Unterstützung von Bund und Land angewiesen, es gibt aber bisher keine Zusage. Ohne Zuschuss muss anderes gestrichen werden“: Kindergärten, Schulen, Reichsparteitagsgelände, Schwimmbäder – das mögliche Schreckensszenario ist unendlich.

Maut-Frage gestellt


Weshalb der SÖR-Chef auch die Maut-Frage für Kommunalstraßen und -brücken stellt. „Denn das Geld ist bei uns faktisch nicht vorhanden. Neuverschuldung“ nennt Vogel als dritte Alternative. Zumal sich Nürnberg parallel den kreuzungsfreien Ausbau des Frankenschnellwegs auferlegt hat, einer Kreisstraße zwischen zwei Autobahnen: Hier gibt es zwar erhebliche Zuschusszusagen vor allem vom Freistaat.
Doch an der Kommune bleibt ein dreistelliger Millionen-Betrag hängen. Beim parteilosen Baureferenten Daniel Ulrich „erzeugt die Vorstellung Schaudern, dass eine der Brücken ausfällt“. Deshalb muss vor dem Abriss der „drei Damen“ jeweils eine Ersatzbrücke her. Der pro Richtung nur in einer Spur gezwängte Verkehr werde zu Ausweichrouten führen, die eigentlich unberechenbar seien, gibt er zu. Doch damit „der Einzelne nicht überlastet“ werde, sei die „Verteilung auf die Stadt eine ganz große Aufgabe in der Bauphase“. Die beginnt, wenn die Planfeststellung rechtzeitig beendet ist, „mit dem Hilfsbrückenbau 2019. Ein Jahr später folgt der Rückbau, dann kommen zwei Jahre Neubau“, rechnet Baureferent Ulrich vor.
Bis dahin dürfte auch klar sein, was das alles wirklich kostet. Denn vor einem Jahr hatte die Stadt noch „insgesamt ein Invest von 100 Millionen Euro“ erwartet. Nun sind „137 Millionen Euro prognostiziert. Eine gewaltige Zahl, aber keine Kostenrechnung“, wie Christian Vogel zugeben muss. An normale Preissteigerungen noch gar nicht gedacht.
(Heinz Wraneschitz)

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