Kommunales

In der ersten Legislaturperiode des Deutschen Bundestags von 1949 bis 1953 gehörte ein Kommunalausschuss noch zur parlamentarischen Selbstverständlichkeit. Ende der 1960er Jahre beerdigte die Große Koalition das Gremium, erst jetzt darf er als Unterausschuss wieder tagen. (Foto: DPA)

17.04.2014

Parlamentarisches Comeback

Erstmals seit über 40 Jahren gibt es im Bundestag wieder einen Unterausschuss für Kommunalthemen

Über 40 Jahre lang war den Bundestagsabgeordneten die Kommunalpolitik keinen eigenen Ausschuss wert. Doch dass soll sich jetzt ändern. Erstmals seit 1969 hat sich zu Beginn der neuen Legislaturperiode im Oktober 2013 ein entsprechendes parlamentarisches Gremium gebildet. Aus Bayern mit dabei: Karl Holmeier (CSU). Das waren noch goldene Zeiten für Kommunalpolitiker, damals, im ersten deutschen Bundestag von 1949 bis 1953. Kein Wunder, es begann ja schon mit dem Bundeskanzler selbst: Konrad Adenauer (CDU) hatte seine politische Laufbahn als Oberbürgermeister von Köln gestartet. Die Demokratie musste nach der politischen Gleichschaltung in der Nazi-Diktatur von unten nach oben neu aufgebaut werden, zunächst erst mal wieder ein funktionierender Alltag für die Menschen geschaffen werden nach dem Chaos und den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs – dafür schienen gestandene Rathauschefs besonders geeignet.
Mit Beginn der dritten Legislaturperiode, 1957, übernahmen die Mitglieder des Kommunalausschusses auch noch die Zuständigkeit für die „öffentliche Fürsorge“ (Sozialhilfe). Im Verlauf der fünften Wahlperiode – die Bundesrepublik wurde inzwischen von der ersten Großen Koalition regiert –, erfolgte jedoch die Zusammenlegung mit dem Ausschuss für Städtebau und Wohnungswesen. Im Verlauf der sechsten Wahlperiode (ab 1969) stimmte der Bundestag dann für die Auflösung des Kommunalausschuss, dessen Arbeit galt als „erledigt“. Durchgesetzt hatten sich damit die Vertreter des Bundesrats, die argumentierten, dass die Kommunen verfassungsrechtlich ein Teil der Länder seien und es genüge, wenn sie von diesen vertreten würden. Fortan waren – wenn überhaupt – kommunale Angelegenheiten im Bundestag nur noch eine Angelegenheit des Innenausschusses.
Es dauerte rund 40 Jahre, bis die Parlamentarier geruhten, den Belangen der Kommunen endlich wieder mehr Gehör zu schenken. Am 9. Juni 2010 setzte der Innenausschuss einen Unterausschuss Kommunales ein – vorsichtshalber erst mal nur bis zum Ende der laufenden Legislaturperiode im September 2013. „Es war aber auch einiges an Themen zusammengekommen, die das notwendig machten“, erinnert sich der CSU-Bundestagsabgeordnete Karl Holmeier, der einzige bayerische Vertreter im Gremium. Dazu zählen unter anderem die Gemeindefinanzreform, die Übertragung der Kosten für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung von den Kommunen auf den Bund, die Reform des Kreislaufwirtschafts- und des Abfallrechts sowie der Breitbandausbau – gerade in Bayern ein Dauerbrennerthema. Karl Holmeier selbst weiß, wovon er spricht: Seit 1990 amtiert der 57-Jährige als ehrenamtlicher Bürgermeister der Gemeinde Weiding im Landkreis Cham.


Wenig Glamour, begrenzter Einfluss


Bei den Kommunalen Spitzenverbänden stößt der neue Unterausschuss – er wurde mit Beginn der 18. Wahlperiode am 22. Oktober 2013 erneut vom Innenausschuss konstituiert – auf große Zustimmung. „Endlich haben wir wieder einen institutionalisierten Ansprechpartner, damit haben unsere Einflussmöglichkeiten zugenommen“, heißt es übereinstimmend beim Städtetag, beim Landkreistag und beim Städte- und Gemeindebund. Inzwischen müssen die Verbände bei sie betreffenden Gesetzgebungsverfahren wieder angehört werden, eine entsprechende Änderung der Geschäftsordnung des Bundestags setzte der Unterausschuss durch.
Doch der weitere Einfluss soll begrenzt bleiben: Der Innenausschuss kann den Unterausschuss jederzeit wieder auflösen. Obendrein müssen dessen Mitglieder dort regelmäßig zum Rapport erscheinen, der Innenausschuss will die Kontrolle behalten. Und auch ans Plenum des Bundestags berichten dürfen nur ordentliche Mitglieder des Innenausschusses, keine Kommunalen. Polit-Promis engagieren sich ohnehin nicht für Kommunalthemen, der Glamourfaktor ist niedriger als im Auswärtigen Ausschuss, die Einflussmöglichkeit geringer als im Haushaltsausschuss. Bundesweit am bekanntesten dürfte noch der ehemalige Gelsenkirchener Oberbürgermeister und frühere Verkehrsminister von Nordrhein-Westfalen, Oliver Wittke (CDU), sein. Dass eine knallharte Kontrolle der Regierung stattfindet, ist angesichts der parteipolitischen Zusammensetzung eher nicht zu erwarten. Von 13 Mitgliedern gehören elf den Koalitionären von CDU, CSU und SPD an, die Oppositionsfraktionen von Grünen und Linken entsenden nur je einen Vertreter.

Große Herausforderungen


Dabei kommen in den nächsten Jahren große Herausforderungen auf die Kommunen zu und dafür könnten sie die parlamentarische Schützenhilfe gut gebrauchen: In Brüssel arbeiten Lobbyisten der Privatwirschaft weiter für eine Kommerzialisierung der kommunalen Daseinsvorsorge, das geplante Freihandelsabkommen mit den USA wird Auswirkungen haben auf die Geschäftsmodelle kommunaler Unternehmen und Stadtwerke, die Inklusion von Menschen mit Behinderung soll ausgebaut werden. „Eine Vielzahl bundesgesetzlicher Maßnahmen wirkt sich auf die Gemeinden aus, da diese die Gesetze ausführen und bezahlen müssen“, rechtfertigte vor 60 Jahren Bundesinnenminister Robert Lehr (CDU) die Einrichtung des ersten Kommunalausschusses. Auf einen vergleichbaren Satz seines Nachfolgers Thomas de Maizière (CDU) werden die Vertreter der Kommunen wohl noch etwas warten müssen... (André Paul)
http://www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse18/a04/kommunales/index.jsp

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