Auch wenn Bad Steben, der 3800 Einwohner zählende Kurort im nördlichen Oberfranken, seit nunmehr 25 Jahren wieder im Herzen des vereinten Deutschlands statt am unmittelbaren Rand des Eisernen Vorhangs liegt – mit den Folgen der rund 40-jährigen Abgeschiedenheit auf der touristischen Landkarte kämpft der Ort noch heute.
Sicher, die Tradition ist lang: Seit 180 Jahren kommen Menschen ins Fichtelgebirge, um im Mineral- und Moorheilbad Linderung von ihren Leiden – darunter vor allem Gelenkbeschwerden, aber auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen – zu suchen. Davon zeugen unter anderem die elegante Säulenwandelhalle aus dem 19. Jahrhundert, die stilvolle Bäderarchitektur des berühmten Baumeisters Leo von Klenze und der umgebende, blumenreiche Kurpark, in dem sich auf breiten Wegen unter alten Bäumen wunderbar flanieren lässt.
Auch im Gesundheitszentrum und in der Therme setzt man auf eine gekonnte Mischung aus Tradition und Moderne, es dominiert weder eine reine Klinikatmosphäre noch ergibt man sich dem vermeintlichen Zwang zum ordinären Spaßbad. Die Anwendungen, basieren auf dem, wie es in der hauseignen Broschüre heißt „gesunden Dreiklang der in ganz Westeuropa einzigartigen Heilmittelkombination von belebendem Radon, natürlicher Kohlensäure und echtem Naturmoor“. Die Heilkraft des Radons wurde nun auch, ganz aktuell, erstmals wissenschaftlich in einer Studie der Friedrich-Alexanders-Universität Erlangen belegt. Das Schiefer-Rasulbad wiederum transferiert das beliebte Konzept des türkischen Hamams in die Gegebenheiten des Frankenwalds. Das Staatsbad mag zwar Defizite erwirtschaften, aber Freistaat und Kommune engagieren sich für einen aufs 21. Jahrhundert ausgerichteten Tourismus.
Muffiger Charme der 1980er Jahre
Das strukturelle Problem des Ortes liegt eher bei den privaten Übernachtungs-Anbietern. Jahrzehntelang waren ihnen die Gäste sicher: vor allem weniger gut betuchte West-Berliner, für die das Ziel unmittelbar hinter der Zonengrenze gut erreichbar war – und vor allem preisgünstig. In den ersten Jahren nach der Wende kamen dann die Ossis, die waren zunächst dankbar für alles. Leider atmen viele Unterkünfte bei Interieur und Service immer noch den muffigen Charme der 1980er Jahre. In den Zimmern vieler Pensionen dominieren Möbel á la „Eiche rustikal“, die Tapete kreischt ein angegilbtes großflächiges Blumenmuster, den Boden bedeckt ein milbenfreundlicher Flokatiteppich. Sein Duschgel hat der Besucher gefälligst mitzubringen. Und beim Frühstück entwickelt sich zwischen der Wirtin und dem Gast aus der Großstadt dann folgender Dialog:
„Ich hätte gern eine Latte macchiato.“
„Haben wir nicht.“
„Dann bitte einen Cappuccino.“
„Haben wir auch nicht. Wir haben hier nur richtigen Kaffee.“
Natürlich mag seitens der Kurverwaltung niemand offen darüber reden, aber das Problem ist bekannt. „Die Vermieter waren jahrzehntelang an gute und vor allem sichere Einnahmen gewöhnt und wollen nicht akzeptieren, dass das nicht immer so weitergeht, zumindest nicht ohne umfangreiche Investitionen“, erläutert ein Insider. „Stattdessen fordern sie mehr Geld vom Freistaat.“
Angst vor Flüchtlingsheim
Es dürfte der Attraktivität des Kurorts vor allem für ältere und gesundheitlich angeschlagene Reisende auch nicht eben zuträglich sein, dass der Landkreis Hof beabsichtigt, in einem seit vielen Jahren leer stehenden ehemaligen Hotel künftig mehrere hundert Flüchtlinge und Asylbewerber unterzubringen. Als jedoch der Bürgermeister vorsichtig auf die möglicherweise für den Tourismus daraus entstehenden Risiken hinwies, schoss sich die Lokalzeitung auf ihn ein und stellte ihn als fremdenfeindlich an den Pranger.
Was Bad Steben und vor allem die Umgebung aber gerade in diesen Wochen, ein Vierteljahrhundert nach dem Fall der Mauer, interessant macht, ist der Geschichtstourismus. Das hierfür sicher lohnendste Ziel ist das ehemals zwischen der DDR und der Bundesrepublik geteilte Dorf Mödlareuth samt seinen baulichen Relikten der einstigen Staatsgrenze (siehe Staatszeitung vom 2. Oktober 2014).
Aber es gibt auch noch weitere deutsch-deutsche Anlaufpunkte. Im Grafik Museum Stiftung Steiner, das heuer seinen 20. Geburtstag feiert, läuft noch bis zum 11. Januar 2015 eine Ausstellung mit dem Titel Grenze. Gezeigt werden Fotografien von Heinz Dargelis, Reinhard Feldrapp, Bernd-Horst Sefzik und Günter Wirth. Besonders der aus dem nahen Naila stammende Reinhard Feldrapp hat wie kein anderer das Leben entlang von Mauer und Stacheldraht dokumentiert: Von den Bauarbeiten 1961 über die misstrauisch äugenden Ost-Grenzer auf ihren Wachtürmen bis zu den jubelnden Menschen entlang der gen Westen drängenden Trabbi-Kolonnen nach dem 9. November 1989. In seinem Keller bewahrt der 63-Jährige obendrein unzählige Artefakte aus der Zeit der Teilung auf: Ostblock-Warnschilder oder Überreste von Grenzbefestigungsanlagen. Besser dokumentiert hat wohl kein zweiter Privatmann den so genannten „antifaschistischen Schutzwall“.
Gedenken an Alexander von Humboldt
Historisch Bedeutsames ereignete sich freilich auch schon lange vor dem Kalten Krieg rund um Bad Steben – gehörte die Region doch zum frühen Wirkungskreis des Naturforschers und studierten Bergbauingenieurs Alexander von Humboldt, der im Ort auch eine Bergbau-Schule gründete. Mit einem vom örtlichen Geschichtsverein konzipierten und vom Naturpark Frankenwald geförderten geologisch-bergbaukundlichen Lehrpfad soll Besuchern die mehr als 1000-jährige Tradition des Bergbaus nahe gebracht werden. Die Strecke des Lehrpfads führt entlang bestehender Wanderwege und ist mit Bergwerkssymbolen in schwarzer Schrift auf weißem Grund gekennzeichnet.
Hinsichtlich der Abendunterhaltung bietet Bad Steben dann zwei Optionen: entweder etwas anspruchsvoller mit Konzerten, Theateraufführungen und Literaturlesungen im Kurhaus – oder, für profanere Gemüter, die Spielbank. (André Paul)
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