Kommunales

Geschenke im Gepäck: Horst Seehofer bei der Tagung in Altötting. (Foto: BSZ)

17.05.2013

Revolution mit Ansage

Ministerpräsident Seehofer verspricht den Landräten finanzielle Entlastung und mehr Selbstverwaltung

Abschließend geklärt wurde die Frage, die als Leitthema über der Jahresversammlung der bayerischen Landkreise stand, dann irgendwie doch nicht: „Schuldenbremse – Fluch oder Segen für die Kommunalfinanzen?“ war die Veranstaltung in Altötting betitelt. Dabei handelt es sich um eine der einschneidendsten fiskalpolitischen Maßnahmen für die Kommunalsäckel, die jemals getroffen wurden. Sie greift zwar erst im Jahr 2020, doch die Verhandlungen, davon sind die kommunalen Spitzenverbände überzeugt, beginnen spätestens im September dieses Jahres nach der Bundestagswahl. Denn im Klartext sagt der auch Fiskalpakt genannte Vertrag: Künftig darf nicht mehr Geld ausgegeben werden, als eingenommen wird – und zwar auf allen staatlichen Ebenen, vom Bund bis hinunter zu den Gemeinden. Damit soll der ständig wachsenden Verschuldung aller Staaten in Europa vorgebeugt und die Haushaltsdisziplin der öffentlichen Hand verbessert werden.
Für die Kommunen wird dadurch eine Zeit der sehr, sehr spitzen Bleistifte anbrechen, müssen sie doch viele Leistungen zur sozialen Sicherheit erbringen und auch in Bildung und Infrastruktur investieren – seit Jahren mit steigender Tendenz. Die Angst, von Bund und Ländern dabei im Stich gelassen zu werden, ist groß. Die wichtigste Forderung: ein Bundesleistungsgesetz für die Menschen mit einer Behinderung von mindestens 50 Prozent. Denn die Ausgaben für diesen Personenkreis stiegen allein in Bayern in zehn Jahren von 1,2 auf 2,1 Milliarden Euro. Darüber hinaus ist nach Angaben des Landkreistags allein der kommunale Straßenbau mit 2,2 Milliarden Euro unterfinanziert, zusätzlich fehlten gut 600 Millionen Euro für den Öffentlichen Nahverkehr. Vor diesem Hintergrund macht sich auch Jakob Kreidl, der Präsident des Bayerischen Landkreistags, für die Pkw-Maut stark und ist auch den Plänen seines Parteifreunds, des Bundesverkehrsministers Peter Ramsauer (CSU), gegenüber nicht abgeneigt, diese gegebenenfalls sogar auf Bundesstraßen auszudehnen. Wichtig sei nur, dass das dadurch eingenommene Geld am Ende auch tatsächlich zweckgebunden für die Straßen ausgegeben wird. Bei Schulen und Verwaltungsgebäuden, so Kreidl, sehe es übrigens nicht besser aus.
Gastredner der Tagung war Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU), und der konnte den bayerischen Landräten zumindest bei einem weiteren Kostentreiber in ihren Haushalten Erleichterung versprechen: Die Betriebskostenfinanzierung der kommunalen Krankenhäuser wird bundesweit um 1,1 Milliarden Euro aufgestockt, für Bayern bedeutet das 165 Millionen Euro zusätzlich. Das Extra-Geld ist bitter nötig, denn mittlerweile schreiben 40 Prozent der kreiseigenen Kliniken zwischen Aschaffenburg und Passau rote Zahlen – darunter selbst Häuser, die noch vor zwei oder drei Jahren Überschüsse erwirtschafteten.

Kein Mitleid mit Kreidl


Noch viel lieber dürften die Landräte freilich vernommen haben, was der Regierungschef zur Erweiterung der kommunalen Selbstverwaltung verkündete. Mit dem ihm eigenen Hang zu spektakulären Auftritten benutzte er dafür die Formulierung einer „Revolution des Staatsaufbaus in Bayern“. Bayern soll ab Herbst dezentraler werden. Praktisch heißt das für Seehofer, dass „nichts mehr einer größeren Einheit übertragen werden soll, was eine kleinere genauso gut erledigen kann“. Weitere Gebietsreformen seien vom Tisch und „neue Verwaltungsvorschriften wird es nur geben, wenn dafür eine alte gelöscht wird“.
Festgelegt hat sich der Regierungschef auch bei dem seit geraumer Zeit angekündigten neuen „Heimatministerium“. Das soll nun definitiv kommen – und zwar als eigenständiges Ressort, nicht nur als Aufgabenbereich für einen Staatssekretär. Das Portfolio enthielte dann laut Seehofer auch genau das, was sich die Kommunalpolitiker für dieses neue Ministerium wünschen: die Zuständigkeit für die kommunale Selbstverwaltung (womit die Rolle des Innenministers als „Kommunalminister“ beeinträchtigt wäre), die Verantwortung für Breitbandausbau und Energiewende (das bedeutet einen Kompetenzverlust für das Wirtschafts- beziehungsweise das Umweltministerium) und sogar die Hoheit über die Grundschulen und Kindergärten, was wiederum die Aufgaben von Kultus- und Sozialministerium beschneiden würde. Der neue Minister – laut Seehofers Vorstellung „eine starke Persönlichkeit“, die es auch schafft, „Heimat als Gegenpol zur Globalisierung“ zu positionieren – wäre dann eine der wichtigsten Figuren am Kabinettstisch.
Der Name Ilse Aigner fiel konkret in diesem Zusammenhang allerdings nicht, es könne, so Seehofer, auch ein erfahrener Kommunalpolitiker sein. Landkreistagspräsident Jakob Kreidl sollte sich aber wohl keine Hoffnungen machen. Der durch die Plagiatsaffäre um seine Doktorarbeit und die Beschäftigung seiner Ehefrau im Abgeordnetenbüro politisch angeschlagene Verbandschef hätte sich bestimmt über ein verbales Schulterklopfen seines Parteichefs gefreut. Vergebens: Horst Seehofer mag gelegentlich großzügig auftreten, aber Barmherzigkeit ist seine Sache nicht. (André Paul)

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