Kommunales

Die Zahl der Geburten steigt wieder, die Spielplatz-Neubauten halten damit nicht Schritt. Also wird es auf den vorhandenen eng. (Foto: dpa)

21.10.2016

Der Platz zum Toben wird knapp

Wenig Bauland, zu teuer, unerwünscht: Gerade in Ballungsräumen gibt es immer weniger Spielplätze

Wohnungen, Wohnungen, Wohnungen: So heißt das Schlagwort für Bauplaner in Kommunen. Nur – es ziehen ja dort nicht nur Erwachsene ein, sondern auch Kinder. Und für die mangelt es schon jetzt an Spielplätzen. Mächtig Andrang herrscht auf dem abgebildeten Spielplatz im vorwiegend von Familien bewohnten Viertel einer mittelgroßen Stadt. Das einzelne Kind muss mitunter warten, um rutschen, schaukeln oder wippen zu können. Wer Kinder hat weiß: Das ist ein Garant für schlechte Laune und Quengelei.

Womöglich bleiben Szenen wie diese kein Einzelfall mehr, muss der Nachwuchs in urbanen Regionen künftig noch häufiger Schlange stehen vorm Toben. Denn das Deutsche Kinderhilfswerk warnt vor einem „unwiederbringlichen Verlust von Spielflächen für Kinder in vielen deutschen Städten und Gemeinden“. Seit Jahrzehnten gingen diese langsam, aber kontinuierlich verloren, sagt Holger Hofmann, der Bundesgeschäftsführer der Interessenvereinigung mit Sitz in Berlin. „Teilweise werden sie ganz oder teilweise zurückgebaut oder zu Bauland umgewandelt und dann veräußert“, kritisiert Hofmann.

Brachflächen werden nur selten entsprechend genutzt


Innerstädtische Brachflächen wiederum würden nur äußerst selten mal in einen Spielplatz umgewandelt – sondern lieber ebenfalls in Bauland umgewandelt oder für Verkehrskonzepte genutzt. „Wir müssen die weitere Verdichtung und Versiegelung unserer Städte verhindern“, fordert der Bundesgeschäftsführer. Auch die Stadtplanung habe sich am Vorrang des Kindeswohls zu orientieren, wie es schon in der UN-Kinderrechtskonvention festgehalten ist.

Gemeinsam mit dem bundesweiten „Bündnis Recht auf Spiel“ und der Deutschen Gartenamtsleiterkonferenz fordert das Kinderhilfswerk, dass in allen deutschen Kommunen vom Gemeinderat künftig ein sogenanntes Spielflächenentwicklungskonzept und eine Spielleitplanung zu beschließen sei.

Dass sei schließlich nicht nur im pädagogischen Sinne gut für die Buben und Mädchen, sondern auch im medizinischen. Bewegungsmangel sei mittlerweile eine der häufigsten Krankheitsursachen bei Kindern. Obendrein, versichern die drei Verbände, profitiere auch das City-Klima von einer solchen Strategie: Mehr Spielplätze bedeuten schließlich mehr Grün und damit weniger schädliche Abgase – wichtig für die oft sehr ambitionierten Ziele bei der Senkung des CO2-Verbrauchs in vielen Kommunen.

Wohnungsnachfrage kaum noch zu befriedigen


Doch das ist leichter gesagt als getan: Häufig bleibt den Städten nämlich gar keine andere Wahl, besonders in stark vom Zuzug betroffenen Regionen wie beispielsweise München. Die Nachfrage nach immer neuen Wohnungen ist auch so kaum zu befriedigen. Derzeit weist das Grünflächenamt der Landeshauptstadt rund 730 Spielplätze in Münchens Stadtgebiet aus. Dazu gehören ganz klassische ebenso wie die „Kinder- und Jugendfarm in Ramersdorf“, die schon mehr einem pädagogisch ambitionierten Erlebnispark gleicht.

Das klingt erst mal nicht schlecht, nur: Die Landeshauptstadt ist im vergangenen Jahr um mehr als 30 000 Menschen gewachsen, noch vor Ablauf dieses Jahrzehnts werden in München mehr als 1,6 Millionen Menschen daheim sein. Rund 15 Prozent von ihnen sind jünger als 14 Jahre und dürfen damit zur Spielplatz-Klientel gezählt werden. Außerdem steigt auch unter den bereits Ansässigen seit einigen Jahren die Geburtenrate. Und alle diese kleinen Stadtbürger möchten dann irgendwo spielen.

Zwar verpflichten alle Bundesländer ihre Kommunen durch Landesgesetze und diverse Auflagen in den Bebauungsplänen, Wohnungsunternehmen und Bauträger, bei der Schaffung neuer Wohnungen auch Spielplätze mit einzurichten. Besonders strikt sind die Vorgaben allerdings in Bayern. Die Landesbauordnung des Freistaats besagt, dass bereits bei der Errichtung eines Gebäudes mit drei Wohneinheiten ein ausreichend großer Spielplatz angelegt werden muss, wenn nicht in unmittelbarer Nähe bereits eine öffentliche Spielanlage vorhanden ist.

Eltern sind bei Ausstattung immer anspruchsvoller


Allerdings werden vor allem die jungen Eltern immer anspruchsvoller, was die Ausstattung der Spielplätze betrifft. „Als mein Vater in den 1960er Jahren beruflich anfing – da reichte ein Sandkasten, eine Rutsche und eine Wippe völlig aus“, berichtet Markus Trank von der Firma Trank-Spielplatzsysteme. „Heute werden unter anderem ein Balancier-Element, ein Basketballkorb, Kletterbrücken -spinnen, Kletterwand, Reckstange, Wasserspiele und eine Matschanlage gewünscht.“ Schon ein durchschnittlicher neuer Dorfspielplatz kostet dann mal eben 30 000 bis 50 000 Euro. Allerdings sind die Eltern – vor allem im ländlichen Raum – mitunter auch bereit, finanzielle Beteiligungen zu erbringen. Anteile zwischen 20 und 25 Prozent sind da inzwischen keine Seltenheit mehr. Die Eltern nutzen diese Anlagen aber auch verstärkt selbst als Erholungsgebiet, junge Mütter in der Erziehungszeit treffen sich in den Sommermonaten dort gern zum Picknick.

Auch Immobilienunternehmen erkennen derweil die Zugkraft von gut ausgestatteten Spielplätzen auf die Kaufentscheidung bei Luxuswohnungen. Im vergangenen Jahr zog der Projektentwickler Concept Bau an der Englschalkinger Straße im Münchner Nobelviertel Bogenhausen drei Mehrfamilienhäuser mit 130 Wohnungen in die Höhe. Neben Rutsche und Sandkasten auf dem vorgeschriebenen Spielplatz entstand dort auch eine große Schiffskonstruktion aus Holz und Plastik zum Klettern und Toben. Auf Balancierhölzern können die Kleinen ihren Gleichgewichtssinn und ihre Geschicklichkeit trainieren und in einem Labyrinth ihr Orientierungsvermögen erhöhen.

Kinderlose versuchen oft, Neubauten zu verhindern

Doch nicht jeder kann in ein solches Viertel ziehen beziehungsweise eine solche Immobilie erwerben. Viele Bauträger erfüllen nämlich aufgrund knallharter Kostenkalkulation – gerade im unternehmerisch wenig lukrativen sozialen Wohnungsbau – nur die Mindestvorgaben. „Die Kommunen verlagern die öffentliche Aufgabe, Spielplätze vorzuhalten, auf die Wohnungswirtschaft. Das wiederum treibt die Kosten für den Wohnungsneubau in die Höhe und damit auch die Mieten“, erläutert Markus Schmidt, Chefanalyst bei der bundesweit für Baufirmen tätigen Beratungsgesellschaft Aengevelt mit Sitz in Düsseldorf.

Denn auch der laufende Betrieb kostet Geld: Die Geräte müssen nicht nur gekauft und aufgestellt, sondern auch regelmäßig gewartet werden. Mindestens einmal im Jahr ist eine Prüfung der Sicherheit und Tauglichkeit von Rutschen, Wippen und Klettergerüsten vorgeschrieben, manche Kommunen verlangen sogar zwei Kontrollen pro Jahr. Auch sind die Wohnungsunternehmen oder Eigentümergemeinschaften verpflichtet, regelmäßig frischen Sand in die Kisten zu füllen. Da manche Mitbürger Sandkisten auch gern als Toiletten ihrer Vierbeiner zweckentfremden, bringt das oft nicht viel.

Während Bayern einerseits Vorreiter ist bei den Qualitätsstandards der Spielplätze, die den Kindern zugute kommt, macht der Freistaat andererseits Kinderlosen auch viele Komfort-Zugeständnisse. Während beispielsweise in den ostdeutschen Bundesländern die Geräusche spielender Kinder nicht als Lärm gelten, müssen die Kleinen in vielen bayerischen Kommunen um die Mittagszeit vom Spielplatz verschwinden, damit die Kinderlosen nicht in ihrer Ruhe gestört werden. Häufig klagen vor allem Rentner und Singles schon mal präventiv, wenn sie von Bauplänen für neue Spielplätze hören, da werden dann die abenteuerlichsten gesundheitlichen Atteste ins Feld geführt. Einem reichen Regensburger war auch das alle aber immer noch nicht still genug: Er beantragte im vergangenen Jahr sogar die komplette Verlegung eines Spielplatzes – scheiterte aber schlussendlich vor dem Verwaltungsgerichtshof in München. (André Paul)

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