Kommunales

Manch einer, der ein Taxi abseits der Großstadt braucht, wäre froh, wenn zumindest diese Isetta käme. (Foto: dpa)

26.08.2016

Taxi-Misere auf dem Land

Fahrer und Verband beklagen Umsatzeinbußen wegen Mindestlohn und fragwürdiger Krankenkassen-Praxis bei Patientenfahrten

"I steh in da Kält’n und wart auf a Taxi, aber’s kummt ned“ – diese sehnsuchtsvolle Situation, besungen von der NDW-Band „Deutsch-österreichisches Feingefühl“, trifft immer mehr Reisende in Kleinstädten und ländlichen Gegenden Bayerns. Grund dafür ist eine unglückliche Verquickung der Umstände: Zum einen änderte sich nach dem Mindestlohn die Rentabilität zur Bereitstellung von Taxis auch außerhalb von Zeiten guter Auslastung, erklärt Frank Kuhle, Vorsitzender des Landesverbands Bayerischer Taxi- und Mietwagenunternehmen e. V. Zum anderen vergeben die Krankenkassen aus Kostengründen Patientenfahrten immer häufiger an private Fahrdienste, prangert Uwe Reuffurth, Taxi-Fahrer aus Burgsinn (Landkreis Main-Spessart), an. Dies sei aber das Kerngeschäft von Taxi-Unternehmen im ländlichen Raum.

Mindestlohn macht den Taxlern zu schaffen


Seit 1. Januar 2015 gilt in Deutschland der Mindestlohn von anfangs 8,50 Euro, später 8,84 Euro pro Stunde. In dieser Zeit habe sich die Situation im Taxigewerbe merklich verschlechtert, bestätigt Kuhle. Die Auswirkungen bekommen auch die Fahrgäste zu spüren: In Kleinstädten und ländlichen Gebieten sei es nicht mehr lohnenswert, beispielsweise spätabends, nachts oder an Wochenenden Taxis fahrbereit zu halten.

In den letzten Monaten sei es bei vielen Taxi-Unternehmern bayernweit auch schon zu Entlassungen oder Gewerbeabmeldungen gekommen. Vor allem Minijob-Fahrer seien davon betroffen. Wer beispielsweise nebenberuflich Taxi fährt und nicht immer Zeit hat, werde nun häufig einfach gestrichen, weil die Unternehmer niemanden mehr beschäftigen können, der keinen Umsatz bringe.

28 Euro Umsatz pro Stunden


Im Mittel brauche man einen Umsatz von 28 Euro pro Stunde, um die laufenden Kosten zu decken, so Kuhle. Ein angestellter Taxifahrer, der nach Mindestlohn bezahlt werde, koste mit Lohnnebenkosten etwa 14 Euro pro Stunde. Dazu kommen die Kosten fürs Auto: Kraftstoff, Wartung, regelmäßig neue Reifen und vor allem: die Versicherung. Allein die KfZ-Haftpflicht koste für einen Berufsanfänger über 3000 Euro im Jahr, mit Vollkasko-Versicherung, die von den Banken als Finanzierungsbedingung häufig verlangt werde, das Doppelte. In auslastungsschwachen Zeiten sei dieser Mindestumsatz nicht zu erreichen. Selbst München habe schon einige Fahrzeuge von der dort geltenden Betriebspflicht befreit, weil die Relation zwischen Auslastung und Kosten nicht mehr stimme, so Kuhle. Die Fahrer werden also fürs Warten bezahlt.

Kuhle vergleicht die Taxi-Versorgung mit dem sonstigen ÖPNV: „Keiner wird erwarten, dass eine S-Bahn, eine U-Bahn oder ein Bus stundenlang in der Nacht alleine rumfährt, bis einer einsteigt.“ Auch dort kalkuliere man nach Wirtschaftlichkeitskriterien und lasse die Bahn um vier Uhr nachts einfach nicht fahren.

Taxifahrer seien zudem eine Berufsgruppe, die kaum kontrollierbar sei. „Es ist zwar selten, aber durchaus möglich, dass man als Unternehmer einen Fahrer hat, der zehn Stunden weg ist, sagt, es ging nix, und dann lag er am See“, erklärt Kuhle die Schwierigkeit. Bezahlt werden muss er natürlich trotzdem, seit dem Mindestlohn nach Stunden – und manchmal auch ohne Einnahmen. Früher wurden die Fahrer prozentual am Umsatz beteiligt, man rutschte nicht ins Minus, sagt Kuhle.

Angebot und Nachfrage werden neu überdacht


„Ich bin ein Freund leistungsgerechter Bezahlung“, so Kuhle. Der Mindestlohn würde die Fahrer aber dahingehend einschränken. „Es mindert beispielsweise die Motivation, an Silvester zu arbeiten, wo man früher viel Umsatz machen und damit auch viel verdienen konnte“, so der Verbandsvorsitzende weiter. „Man ist gefahren, wenn es sich gelohnt hat, sowohl Fahrer als auch Unternehmer hatten mehr Freiheit.“

Die neuen Bedingungen unter dem Mindestlohn veranlassten die Taxi-Unternehmer nun dazu, Angebot und Nachfrage neu zu überdenken und anzugleichen. Dieser Umstand ende schließlich in einer Einschränkung der Verfügbarkeit.

Private machen Taxifahrern Patientenfahrten streitig


Möglicherweise wäre diese Entwicklung nicht so drastisch, gäbe es nicht noch einen weiteren Aspekt, der die Problematik verschärft: Private Mietwagenunternehmen machen den Taxifahrern die Patientenfahrten streitig, das einstige Kerngeschäft ländlicher und kleinstädtischer Taxi-Unternehmen. Teils geschehe das auch mit unlauteren Methoden, so Taxifahrer Reuffurth. Reuffurth ist seit 30 Jahren im Taxi-Gewerbe und beschäftigt selbst mehrere Fahrer in Vollzeit, Teilzeit und auf Minijob-Basis. Sein Pflichtfahrgebiet ist der Main-Spessart-Kreis am nördlichen Rande Bayerns.

„Würden die Krankenkassen nicht mit den Mietwagenunternehmen paktieren, gäbe es das Problem nicht“, so Reuffurth. Dabei sei das Problem nicht einmal eine normale, marktübliche Konkurrenzsituation. Die Schwierigkeit liege vielmehr darin, dass private Mietwagenunternehmen Regelungen wie den Mindestlohn umgehen würden und nur dadurch konkurrenzfähig seien.
Viele Krankenkassen vergeben Patientenfahrten häufig nicht mehr an Vertragspartner vor Ort, was früher eben meist die Taxi-Unternehmen waren. Stattdessen schreiben sie die Fahrten im Internet aus – ähnlich wie Kommunen bei Vergaben im Bau-Sektor. „Der Billigste gewinnt“, sagt Reuffurth, und das seien eben meist nicht die Taxi-Unternehmen.

An Tarifpflicht und Mindestlohn gebunden


Als Taxi-Unternehmer sei er an die Tarifpflicht für Fahrten und den Mindestlohn gebunden. Erstere gelte für Mietwagenunternehmen ohnehin nicht, den Mindestlohn würden diese oft umgehen. So entstehe die Kluft im Preis zwischen Angeboten aus dem Taxi-Gewerbe einerseits und dem Mietwagen-Bereich andererseits. Die Mietwagenanbieter können den Preis immer weiter um noch fünf oder zehn Cent pro Kilometer drücken, bei Taxifahrern sei damit aufgrund ihrer fixen Kosten relativ schnell Schluss.
„Würden sich die Krankenkassen nicht nur am billigsten Preis orientieren, hätten wir Taxi-Fahrer auch wieder eine Chance, uns trotz Mindestlohn Rücklagen zu schaffen, von denen wir in schwächeren Zeiten Fahrzeuge bereithalten können“, sagt Reuffurth.

Die Problematik mit den Krankenkassen kennt auch Kuhle, der allerdings den verbandsinternen Konflikt zwischen Taxi-Fahrern und Mietwagenunternehmern nicht so dramatisch sieht. „Das Problem liegt eher bei den Krankenkassen, die sich weigern, Verträge zu schließen oder geschlossene Verträge einzuhalten“, gibt Kuhle zu bedenken. Richtig sei zwar, dass Mietwagenunternehmen den Kilometerpreis bei solchen Ausschreibungen senken könnten, was Taxi-Fahrern nicht möglich ist; doch auch hier sei irgendwann Schluss, wenn man solide wirtschaften will.

Schwarze Schafe im Mietwagensektor


Bei den Kassen selbst sieht man sich nicht in der Verantwortung, „schwarze Schafe“ im Mietwagen-Sektor zu identifizieren. „Die Möglichkeiten für eine Krankenkasse, die weitere Abwicklung des Fahrauftrages im Innenverhältnis des Leistungserbringers zu kontrollieren, sind naturgemäß sehr eingeschränkt“, so Ralph Berger von der Pressestelle Bayern der BarmerGEK. Man weise in den Ausschreibungen darauf hin, dass der gesetzliche Mindestlohn gilt, die Einhaltung „mag der zuständige Verband besser beurteilen können als wir“.

So oder so bleibt die Situation auf dem Land auf absehbare Zeit schwierig. Versuchen kann man es mit einem Anruf beim örtlichen Taxi-Anbieter trotzdem. Uwe Reuffurth springt auch in der Nacht für einen unvorhergesehenen Fahrgast gern ins Auto: „Auch auf die Gefahr hin, dass dann keiner mehr da ist, wenn ich komme.“
(Bianca Haslbeck)

Kommentare (2)

  1. taxler am 02.09.2016
    Ich sehe gerade bei den Krankenfahrten ein Versäumnis der Politik. Die Krankenkassen können unkontrolliert handeln wie sie wollen und fallen oft sogar negativ auf, da sie in betrügerischer Absicht an ihre Versicherten herantreten, siehe viele Gerichtsurteile zu den AOKs.
    Der Gesetzgeber sollte klar stellen, dass Fahrten , so sie denn genehmigt wurden, nach den jeweils geltenden Taxipreisen abgerechnet werden. So wird eine gute und sichere Versorgung für alle Patienten sichergestellt und es werden obendrein noch Kosten gespart, da die unterdessen ausufernde Personalflut derer, die Abrechnungen kontrollieren und damit die Kosten hochtreiben, eingedämmt werden.
    Kein Mensch braucht ein Wust an Regelungen, die personalintensiv kontrolliert werden müssen.
    Einfach die Verordnung vom Arzt , die Genehmigung der Kasse und die Quittung der Taxe zum amtlichen Tarif , fertig.
    Aber mal ganz deutlich gesagt, da hat die Politik überhaupt kein Interesse dran
    und genau das sollte der Bürger sich vor Augen führen und seinen Vertretern auf die Füße treten.
  2. Taxler am 01.09.2016
    Wenn ein Mietwagenunternehmer ernsthafte Konkurrenz wird, dann stimmt was nicht. Er hat prinzipiell die selben Kosten wie ein Taxiunternehmer, evtl. mit 19% MwSt sogar mehr.

    Hier müssten in erster Linie die Behörden reagieren und solche Billiganbieter mal unter die Lupe nehmen, z.B. mit einer Untersuchung auf Plausibilität. Es kann einfach nicht angehen, dass solche Unternehmer den Mindestlohn durch einfache Tricks umgehen, oder sonst kreative Bezahlmodelle haben.
    Nichts gegen Konkurrenz, aber dann bitte zu gleichen Bedingungen und wenn die so streng gehandhabt werden wie im Taxigewerbe KANN ein Mietwagen nicht wesentlich billiger sein, eher im Gegenteil weil er im Normalfall eher weniger Auslastung hat.

    Die Kosten für einen Mietwagen sind nahezu gleich, er ist nur in der Versicherung etwas günstiger, warum auch immer. Ein Fahrer hat die selben Grundbedingungen wenn es gesetzlich richtig läuft, also ist preislich irgendwo eine Untergrenze die auch ein Mietwagen nicht unterschreiten kann.

    Ansonsten sind auch Teile der Unternehmerschaft selbst Schuld wenn sie sich die Preise kaputtmachen nur um Fahrten zu jedem Preis zu bekommen die unterm Strich nichts mehr bringen, oft nichtmal die Kosten.

    Wer es so nötig hat sollte es bleiben lassen, denn Umsatz ohne Gewinn bringt früher oder später die Pleite. Auch das ist immer wieder zu beobachten, da werden Mietwagenfirmen gegründet die mit Dumpingpreisen erst das Geschäft kaputt machen und dann selbst pleite sind, die lassen dann nur verbrannte Erde zurück. Auch aus dem Grund müssten solche Firmen ganz besonders kontrolliert werden.

    Leider sind da viele Aufsichtsbehörden recht lustlos, oder überfordert, man hört dann immer wieder kein Personal, keine Zeit, unterm Strich man will seine Ruhe.
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