"I steh in da Kält’n und wart auf a Taxi, aber’s kummt ned“ – diese sehnsuchtsvolle Situation, besungen von der NDW-Band „Deutsch-österreichisches Feingefühl“, trifft immer mehr Reisende in Kleinstädten und ländlichen Gegenden Bayerns. Grund dafür ist eine unglückliche Verquickung der Umstände: Zum einen änderte sich nach dem Mindestlohn die Rentabilität zur Bereitstellung von Taxis auch außerhalb von Zeiten guter Auslastung, erklärt Frank Kuhle, Vorsitzender des Landesverbands Bayerischer Taxi- und Mietwagenunternehmen e. V. Zum anderen vergeben die Krankenkassen aus Kostengründen Patientenfahrten immer häufiger an private Fahrdienste, prangert Uwe Reuffurth, Taxi-Fahrer aus Burgsinn (Landkreis Main-Spessart), an. Dies sei aber das Kerngeschäft von Taxi-Unternehmen im ländlichen Raum.
Mindestlohn macht den Taxlern zu schaffen
Seit 1. Januar 2015 gilt in Deutschland der Mindestlohn von anfangs 8,50 Euro, später 8,84 Euro pro Stunde. In dieser Zeit habe sich die Situation im Taxigewerbe merklich verschlechtert, bestätigt Kuhle. Die Auswirkungen bekommen auch die Fahrgäste zu spüren: In Kleinstädten und ländlichen Gebieten sei es nicht mehr lohnenswert, beispielsweise spätabends, nachts oder an Wochenenden Taxis fahrbereit zu halten.
In den letzten Monaten sei es bei vielen Taxi-Unternehmern bayernweit auch schon zu Entlassungen oder Gewerbeabmeldungen gekommen. Vor allem Minijob-Fahrer seien davon betroffen. Wer beispielsweise nebenberuflich Taxi fährt und nicht immer Zeit hat, werde nun häufig einfach gestrichen, weil die Unternehmer niemanden mehr beschäftigen können, der keinen Umsatz bringe.
28 Euro Umsatz pro Stunden
Im Mittel brauche man einen Umsatz von 28 Euro pro Stunde, um die laufenden Kosten zu decken, so Kuhle. Ein angestellter Taxifahrer, der nach Mindestlohn bezahlt werde, koste mit Lohnnebenkosten etwa 14 Euro pro Stunde. Dazu kommen die Kosten fürs Auto: Kraftstoff, Wartung, regelmäßig neue Reifen und vor allem: die Versicherung. Allein die KfZ-Haftpflicht koste für einen Berufsanfänger über 3000 Euro im Jahr, mit Vollkasko-Versicherung, die von den Banken als Finanzierungsbedingung häufig verlangt werde, das Doppelte. In auslastungsschwachen Zeiten sei dieser Mindestumsatz nicht zu erreichen. Selbst München habe schon einige Fahrzeuge von der dort geltenden Betriebspflicht befreit, weil die Relation zwischen Auslastung und Kosten nicht mehr stimme, so Kuhle. Die Fahrer werden also fürs Warten bezahlt.
Kuhle vergleicht die Taxi-Versorgung mit dem sonstigen ÖPNV: „Keiner wird erwarten, dass eine S-Bahn, eine U-Bahn oder ein Bus stundenlang in der Nacht alleine rumfährt, bis einer einsteigt.“ Auch dort kalkuliere man nach Wirtschaftlichkeitskriterien und lasse die Bahn um vier Uhr nachts einfach nicht fahren.
Taxifahrer seien zudem eine Berufsgruppe, die kaum kontrollierbar sei. „Es ist zwar selten, aber durchaus möglich, dass man als Unternehmer einen Fahrer hat, der zehn Stunden weg ist, sagt, es ging nix, und dann lag er am See“, erklärt Kuhle die Schwierigkeit. Bezahlt werden muss er natürlich trotzdem, seit dem Mindestlohn nach Stunden – und manchmal auch ohne Einnahmen. Früher wurden die Fahrer prozentual am Umsatz beteiligt, man rutschte nicht ins Minus, sagt Kuhle.
Angebot und Nachfrage werden neu überdacht
„Ich bin ein Freund leistungsgerechter Bezahlung“, so Kuhle. Der Mindestlohn würde die Fahrer aber dahingehend einschränken. „Es mindert beispielsweise die Motivation, an Silvester zu arbeiten, wo man früher viel Umsatz machen und damit auch viel verdienen konnte“, so der Verbandsvorsitzende weiter. „Man ist gefahren, wenn es sich gelohnt hat, sowohl Fahrer als auch Unternehmer hatten mehr Freiheit.“
Die neuen Bedingungen unter dem Mindestlohn veranlassten die Taxi-Unternehmer nun dazu, Angebot und Nachfrage neu zu überdenken und anzugleichen. Dieser Umstand ende schließlich in einer Einschränkung der Verfügbarkeit.
Private machen Taxifahrern Patientenfahrten streitig
Möglicherweise wäre diese Entwicklung nicht so drastisch, gäbe es nicht noch einen weiteren Aspekt, der die Problematik verschärft: Private Mietwagenunternehmen machen den Taxifahrern die Patientenfahrten streitig, das einstige Kerngeschäft ländlicher und kleinstädtischer Taxi-Unternehmen. Teils geschehe das auch mit unlauteren Methoden, so Taxifahrer Reuffurth. Reuffurth ist seit 30 Jahren im Taxi-Gewerbe und beschäftigt selbst mehrere Fahrer in Vollzeit, Teilzeit und auf Minijob-Basis. Sein Pflichtfahrgebiet ist der Main-Spessart-Kreis am nördlichen Rande Bayerns.
„Würden die Krankenkassen nicht mit den Mietwagenunternehmen paktieren, gäbe es das Problem nicht“, so Reuffurth. Dabei sei das Problem nicht einmal eine normale, marktübliche Konkurrenzsituation. Die Schwierigkeit liege vielmehr darin, dass private Mietwagenunternehmen Regelungen wie den Mindestlohn umgehen würden und nur dadurch konkurrenzfähig seien.
Viele Krankenkassen vergeben Patientenfahrten häufig nicht mehr an Vertragspartner vor Ort, was früher eben meist die Taxi-Unternehmen waren. Stattdessen schreiben sie die Fahrten im Internet aus – ähnlich wie Kommunen bei Vergaben im Bau-Sektor. „Der Billigste gewinnt“, sagt Reuffurth, und das seien eben meist nicht die Taxi-Unternehmen.
An Tarifpflicht und Mindestlohn gebunden
Als Taxi-Unternehmer sei er an die Tarifpflicht für Fahrten und den Mindestlohn gebunden. Erstere gelte für Mietwagenunternehmen ohnehin nicht, den Mindestlohn würden diese oft umgehen. So entstehe die Kluft im Preis zwischen Angeboten aus dem Taxi-Gewerbe einerseits und dem Mietwagen-Bereich andererseits. Die Mietwagenanbieter können den Preis immer weiter um noch fünf oder zehn Cent pro Kilometer drücken, bei Taxifahrern sei damit aufgrund ihrer fixen Kosten relativ schnell Schluss.
„Würden sich die Krankenkassen nicht nur am billigsten Preis orientieren, hätten wir Taxi-Fahrer auch wieder eine Chance, uns trotz Mindestlohn Rücklagen zu schaffen, von denen wir in schwächeren Zeiten Fahrzeuge bereithalten können“, sagt Reuffurth.
Die Problematik mit den Krankenkassen kennt auch Kuhle, der allerdings den verbandsinternen Konflikt zwischen Taxi-Fahrern und Mietwagenunternehmern nicht so dramatisch sieht. „Das Problem liegt eher bei den Krankenkassen, die sich weigern, Verträge zu schließen oder geschlossene Verträge einzuhalten“, gibt Kuhle zu bedenken. Richtig sei zwar, dass Mietwagenunternehmen den Kilometerpreis bei solchen Ausschreibungen senken könnten, was Taxi-Fahrern nicht möglich ist; doch auch hier sei irgendwann Schluss, wenn man solide wirtschaften will.
Schwarze Schafe im Mietwagensektor
Bei den Kassen selbst sieht man sich nicht in der Verantwortung, „schwarze Schafe“ im Mietwagen-Sektor zu identifizieren. „Die Möglichkeiten für eine Krankenkasse, die weitere Abwicklung des Fahrauftrages im Innenverhältnis des Leistungserbringers zu kontrollieren, sind naturgemäß sehr eingeschränkt“, so Ralph Berger von der Pressestelle Bayern der BarmerGEK. Man weise in den Ausschreibungen darauf hin, dass der gesetzliche Mindestlohn gilt, die Einhaltung „mag der zuständige Verband besser beurteilen können als wir“.
So oder so bleibt die Situation auf dem Land auf absehbare Zeit schwierig. Versuchen kann man es mit einem Anruf beim örtlichen Taxi-Anbieter trotzdem. Uwe Reuffurth springt auch in der Nacht für einen unvorhergesehenen Fahrgast gern ins Auto: „Auch auf die Gefahr hin, dass dann keiner mehr da ist, wenn ich komme.“
(Bianca Haslbeck)
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