Kommunales

Glücksspielautomaten: Wie regelt man ihre Zulassung? (Foto: dapd)

21.04.2011

Ungeliebte Zockerstätten

Die Kommunen fühlen sich von Land und Bund beim Kampf gegen die rasant wachsende Zahl von Spielhallen allein gelassen

Der Glücksspielmarkt soll neu geordnet werden. Die Bundesregierung plant eine Änderung der Spielverordnung und will den maximalen Gewinn beziehungsweise Verlust an Automaten senken. Den Kommunen hilft das aber nur wenig. Sie kämpfen gegen eine stetig steigende Zahl von Glücksspielautomaten, die sich seit 2000 fast verdoppelte.
Wolnzach liegt in der Hallertau. Man verbindet mit ihr Hügel und Hopfen, aber keine blinkenden Automaten. Vielleicht gerade deswegen erscheint der Markt mit seinen 10.000 Einwohnern für Spielhallenbetreiber ein lukrativer Standort zu sein, den sie sich gegebenenfalls mit anwaltlicher Unterstützung sichern wollen. Die Lokalpresse berichtete von einem „sehr unerfreulichen Gespräch“, das Bürgermeister Jens Machold (CSU) vor der jüngsten Bauausschusssitzung durchzustehen hatte. Darin wollte der Rathauschef die Haltung seiner Verwaltung zu einer neuen Spielhalle deutlich machen. Die Gegenseite machte ihm aber deutlich, dass sie im Falle einer Ablehnung klagen werde, wie der Donaukurier berichtet. Der Bauausschuss lehnte das Vorhaben dennoch ab. Betreiber wollen beruhigen
Die Verwaltung glaubt sich damit auf der sicheren Seite. Nicht nur, weil das Landratsamt in Pfaffenhofen an der Ilm die Genehmigungsbehörde ist und Wolnzach lediglich eine – wenngleich die entscheidende – Stellungnahme abgab, sondern wegen der direkten Nähe der Wohnbebauung zu den möglichen Standorten der Spielhalle, wie Verwaltungsleiter Georg Schwärzer auf Nachfrage erklärt. Er sagt auch: „Spielhallen sind in Wolnzach kein Problem.“
Das ist in Nürnberg anders. Zwischen 2002 und heute sei die Zahl der Spielhallen um 58 Prozent gestiegen, erläutert der stellvertretende Leiter des Ordnungsamts, Robert Pollack. Für seine Behörde sieht er wenig Chancen, ihre Zahl einzuschränken. Pollack hat seine Mitarbeiter auf Kontrollgängen begleitet. Verstöße gebe es wenige. „Ich sehe auch, wie ruhig die Betreiber bleiben, wenn wir kommen.“ Pollacks Meinung nach müssten Gewinnmöglichkeiten und Spieldauer bei den Automaten eingeschränkt werden.
Sein Kollege Josef Weber vom Nürnberger Stadtplanungsamt ist auch nicht wirklich zufrieden mit dem rechtlichen Instrumentarium, das ihm zur Verfügung steht, um die Ansiedlung von Spielhallen zu kontrollieren. Der Königsweg dazu sind Bebauungspläne. Sie empfiehlt das bayerische Innenministerium in einer Handreichung an die Kommunen. Praktiker wie Weber sehen Probleme. „Eine Veränderungssperre auszusprechen und einen Bebauungsplan aufzustellen ist ein aufwändiges Verfahren“, gibt er zu bedenken. Zwei Jahre dauert es, bis ein Bebauungsplan alle Verfahrensschritte durchlaufen hat. Das bindet Arbeitskraft und verhindert auch nicht jede Spielhalle.
Das Dilemma der Kommunalverwaltungen ist, dass Spielhallen nicht nur in Gewerbegebieten, sondern auch in Misch- und Kerngebieten grundsätzlich zulässig sind. Das heißt, in bestimmten Bereichen, die planungsrechtlich für Handel, Gastronomie, Behörden, aber auch Wohnungen reserviert sind, dürfen Spielhallen eröffnet werden. Das Münchner Planungsreferat musste im Februar die baurechtliche Genehmigung für einen Komplex mit zwölf Hallen mit jeweils zwölf Automaten an der Hansastraße aussprechen. Öffnungszeiten: 23 Stunden. Nutzfläche über 2000 Quadratmeter. Der Betreiber verspricht „besten Service“. Die Lokalpolitiker waren entsetzt. Risiko: Schadenersatzklage
Theoretisch hätte die Münchner Behörde das Vorhaben auch ablehnen können. Mit dem immensen Risiko, nach einem aufwändigen Gerichtsverfahren Schadensersatz zahlen zu müssen. Viele der Gründe für eine Ablehnung stammen aus solchen Verfahren. Die Sprecherin des Münchner Planungsreferats, Katja Strohhäker, erklärt, dass zu befürchtende „negative Auswirkungen“ auf ein Stadtviertel gegen eine Spielhalle sprechen können. In der Fachsprache der Stadtplaner wird das mit dem Anglizismus „Trading-Down-Effekt“ umschrieben.
Man könnte sich auf den Standpunkt stellen, dass in Nürnbergs Südstadt bereits eine solche negative Entwicklung eingesetzt hat. Immer wieder beklagen sich Anwohner über die hohe Zahl von Spielhallen. Pollack vom Ordnungsamt weiß, dass die Bürger eine Abwärtsspirale befürchten und ihr „subjektives Sicherheitsgefühl“ unter der Situation leidet. „Laut Polizei gibt es aber keine wesentliche Erhöhung der Kriminalität“, schränkt er ein. Die Stadtverwaltungen müssen gerichtsfest beweisen, dass es einen Trading-Down-Effekt gibt. Gegen bestehende Spielhallen hilft das ohnehin nichts.
Grundsätzliche Überlegungen in den Rathäusern zielen auf die stärkere Einschränkung von Spielhallen ab. Weber vom Nürnberger Stadtplanungsamt fordert, sie auf Gewerbegebiete zu beschränken. Derartiges taucht in den Diskussionen um eine Änderung des Spielverordnung nicht auf. Die Frage ist, ob eine Einschränkung des maximalen Gewinns und Verlusts pro Stunde die Spielsucht einschränkt. Bei der letzten Novelle in Sachen Automatenspiel im Jahr 2006 wurde die Spieldauer verkürzt. Genutzt hat es nichts.
(Peter Oberstein)

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