Kommunales

Die Gebäude sind nur bedingt geeignet für deutsche Ansprüche. Auch wirkt die ganze Umgebung eher trostlos. (Foto: Simon Hupfer)

03.01.2014

Ungeliebtes Erbe

Bald steht das riesige Areal der US Army in Bamberg leer – doch die Konversion ist schwieriger als gedacht

Manche wenige Entscheidungen und Ereignisse in der Geschichte einer Stadt weisen die Richtung der Entwicklung für Jahrhunderte. München zum Beispiel konnte sich – wie viele Residenzen und Reichsstädte – erst in dem Augenblick zur modernen Großstadt entwickeln, als die Befestigungsanlagen im 19. Jahrhundert fielen. Der Wiederaufbau deutscher Städte nach den Flächenbombardements im Zweiten Weltkrieg wiederum diktierte die städtebauliche Richtung der nächsten Jahrzehnte.
Zum vorläufig letzten historischen Schnitt geriet für einige Kommunen der Abzug alliierter Truppen nach 1989 und die Bundeswehrstrukturreform, mit der Abwicklung von 31 Standorten. Seither wurden und werden in diesen Städten enorme Flächen frei. Dazu gehören mitunter Immobilienbestände, deren schiere Masse kleinere Kommunen an ihre Grenzen bringen. Aber gleichzeitig eröffnen sich damit städtebauliche Entwicklungsmöglichkeiten, die Stadtplaner, Architekten und Politiker ausnahmsweise ohne Übertreibung als „Jahrhundertchance“ beschwören: Das gilt besonders für Städte, die am Ende ihrer räumlichen Entwicklungsmöglichkeiten angekommen schienen, wie das etwa bei Fürth der Fall war.
Das Zauberwort heißt „Konversion“: So bezeichnen die Experten Nutzungsänderung von Flächen und Gebäuden. In Bayern erfolgte derartige Umnutzungen von Millitärflächen zum Beispiel bereits in Kitzingen und Erlangen. In Fürth umfassen die Konversionsflächen mehr als 270 Hektar. Darauf sind mittlerweile komplette neue Stadtteile mit Wohnungen, Grünflächen und Gewerbe entstanden. In Würzburg werden die früheren Leighton Barracks zum Campus Hubland Nord der Universität.
Bamberg wiederum steht vor der größten Erweiterung seit der ersten Nennung eines Castrum Babenberch im Jahre 902 n. Chr.. Dagegen war die barocke Überformung der Mittelalterstadt eine Kleinigkeit. Wenn die Amerikaner im Herbst 2014 die Flagge zum letzten Mal einholen, steht über Nacht eine ganze Stadt leer, in der einmal fast 3000 Menschen lebten. Es handelt sich um ein 3,6 Quadratkilometer großes Areal mit einer Fläche (448 Hektar) von der Größe der Altstadt (425 Hektar).

Ein hipper neuer Stadtteil?


Lokalpolitiker liebäugeln mit einem hippen neuen Stadtteil. Harald Lang, Konversionsbeauftragter der Stadt, der bereits den Umbau des Erlanger Militärgeländes zum Vorzeige-Stadtteil begleitete, gibt allerdings zu bedenken, dass allein die Planungen dafür gut 15 Jahre in Anspruch nehmen würden. Aber schon am Tag nach dem Abzug der Army stellen sich erhebliche Aufgaben: Die vielen leer stehende Gebäude müssen weiter unterhalten und vor Vandalismus geschützt, ausgedehnte Grün-, Rasen- und Sportflächen weiter gepflegt werden.
Noch ist alles in tadellosem Zustand, weil die Amerikaner sich den Unterhalt jährlich rund 22 Millionen Dollar kosten lassen. Alle Wohngebäude, mehrere Schulen, Restaurants, eine Kirche, Büros, große Werkshallen, denkmalgeschützte Kasernengebäude, eine wettkampftaugliche hypermoderne Sporthalle, versiegelte Flächen, Grünbereiche und Waldgebiete fallen zunächst in das Eigentum des Bundes. Allein die Abnahme der Gebäude soll ein halbes Jahr dauern. Dazu kommen Untersuchungen auf Altlasten und Schadstoffe. Welche Mittel zum Kauf erforderlich sind, wird dann ein Wertgutachten der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben erweisen.
Dass Bamberg schließlich den Zuschlag erhält, ist wahrscheinlich, aber nicht sicher. Harald Lang dämpft Erwartungen zur raschen Vermarktung der 1800 Einzelapartments, 720 Wohneinheiten für Familien, 30 Doppelhaushälften und drei Einfamilienhäuser: Die gesamte Infrastruktur – Leitungen, Kanäle – entspricht nicht deutschen Vorschriften. Außerdem sind die Wohnungsgrundrisse zugeschnitten auf amerikanische Lebensgewohnheiten: kein Flur, offener Wohnbereich, kleine Küche. Deshalb lassen sich die Wohnungen nicht sofort verkaufen.

Langweilig wie in Idaho


Dem seit Jahrzehnten anhaltenden Trend zur Abwanderung der Bevölkerung ins Bamberger Umland wegen des steten Mangels an bezahlbaren Wohnungen in der Stadt wird man freilich nur mit attraktiven Wohnungsangeboten begegnen können, ist Konversionsreferent Christian Hinterstein überzeugt. Wer zieht schon freiwillig auf ein Kasernengelände, das geprägt ist von der trostlosen Monotonie einer amerikanischen Kleinstadt in Ohio oder Idaho?
Gelingt die Umwandlung, könnte Bambergs Einwohnerzahl von derzeit 70 000 auf 75 000 steigen. Allerdings geht man langfristig von einer rückläufigen demografischen Entwicklung aus. Doch das sind nur Prognosen. Politiker und Stadtplaner kommen nicht umhin, mutig sehr weit reichende Entscheidungen für die Entwicklung Bambergs zu treffen. Angesichts der Tragweite setzt man deshalb von Anfang an auf eine breite Bürgerbeteiligung. In regelmäßigen Veranstaltungen wird über den aktuellen Stand informiert; Experten stellen Pläne zur Diskussion, Bürger können eigene Anregungen einbringen.
Dabei kristallisieren sich drei Nutzungswünsche heraus: Mehr bezahlbare Wohnungen, neue Grün- und Sportbereiche, ferner Flächen für Universität und Studierende. Doch die Universität winkte schon ab. Man setzt lieber, so Pressesprecherin Tanja Eisenach, auf „eine räumliche Weiterentwicklung im Innenstadtbereich, um unserem Nutzungskonzept einer ,Universität in der Stadt’ Rechnung tragen zu können“. Immerhin kann man sich, angesichts viel zu weniger Studentenwohnungen, im neuen Stadtteil „studentisches Wohnen“ vorstellen. Eigenes Engagement schließt die Universität dabei aus, „da dies nicht zu ihren Aufgaben gehört“. Viele Wohngebäude der Amerikaner wären allerdings zur kurzfristigen Zwischennutzung als Studentenunterkünfte hervorragend geeignet.
Ein städtebaulicher Wettbewerb, der bis März 2015 stattfinden soll, deutet aber nicht auf schnelle oder unbürokratische Lösungen hin. Bei den Bürgern herrscht schon jetzt Unverständnis, dass trotz gravierenden Mangels an bezahlbaren Wohnungen die leer stehenden Blöcke im Herbst 2014 nicht sofort zur Verfügung stehen sollen. (Rudolf Maria Bergmann)

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