Kommunales

„Airport München-West“ nennt sich der Memminger Flughafen selbstbewusst. Doch bis zur Landeshauptstadt sind es über 100 Kilometer. (Foto: Dany)

11.02.2011

Unsanft gelandet in der Wirklichkeit

Der Flughafen Memmingen hat die hoch gesteckten Erwartungen nur teilweise erfüllt

Der Flughafen Memmingen soll ausgebaut werden. Für den Airport-Betreiber ist das eine Notwendigkeit angesichts der angeblich positiven Entwicklung. Die Flughafengegner dagegen fordern, dass der „klimaschädliche und unrentable“ Flugbetrieb nicht mit Steuergeldern und zu Lasten der Anwohner fortgesetzt werden soll.
„Das Fliegen zum Schnäppchenpreis hat in Memmingen schon die irrwitzigsten Blüten hervorgebracht“, erzählt Dieter Buchberger: Jugendliche, die zum Spaß nach Berlin in die Disko jetten, Kegelausflügler, die jetzt nach Hamburg anstatt wie früher nach Oberstdorf gehen oder Shopping-Touren reicher Hausfrauen nach London. „Das sind wohl die wichtigen Verkehrsaufgaben, die der Allgäu Airport erfüllt“, spottet das Vorstandsmitglied der Initiative Bürger gegen Fluglärm e.V..
Seit die irische Billigfluglinie Ryanair ab Memmingen fliegt, schießen die Passagierzahlen in die Höhe. Der Airport soll jetzt ausgebaut werden. Insbesondere mit der geplanten Verlängerung des Betriebs in die „Nachtrandstunden“ hört für die Flughafengegner um Buchberger aber der Spaß auf. Anstatt bis 22 Uhr wie bisher sollen in Zukunft bis 23 Uhr, in Ausnahmefällen bis 23.30 Uhr Flugzeuge starten und landen dürfen. Unter dem Motto „Kein Nacht- und Frachtflug“ macht die Initiative deshalb gegen die geplante Erweiterung der Betriebszeit mobil: Sie könne den Einstieg in den Nachtflug darstellen und bedeute bereits in dieser Anfangsphase eine wesentliche Beeinträchtigung der Anwohnerinteressen. Die Flughafengegner hatten fast sechs Jahre lang gegen die zivile Nutzung des früheren Bundeswehr-Fliegerhorstes Memmingerberg gekämpft, konnten den 2007 offiziell in Betrieb gegangenen zivilen Regionalflughafen aber nicht verhindern.


Schlechtes Image bei Piloten


Auf einer öffentlichen Versammlung hat jetzt schon mal ein Fachanwalt über mögliche Rechtsmittel im bevorstehenden Planfeststellungsverfahren informiert. „Auch die Verbreiterung der Start- und Landebahn macht uns stutzig“, sagt Buchberger. Er befürchtet, dass damit der Weg für verstärkten Fracht-Flugbetrieb geebnet werden soll, was eine weitere Ausweitung der Betriebszeiten nach sich ziehen könne. Als Indiz hierfür könne außerdem gewertet werden, dass die Spedition Dachser, die in Memmingen ein Logistikzentrum unterhält, als Kommanditist an der Airport-KG beteiligt ist.
Auf Nachfrage klärt Ralf Schmid, Geschäftsführer der Allgäu Airport GmbH & Co. KG: „Die Start- und Landebahn ist bereits 60 Meter breit. Nur haben wir 15 Meter breite Seitenstreifen, die nicht genutzt werden können. Mit dem Umbau soll die Mittellinien-Befeuerung verbessert werden und eine nutzbare Breite von 45 Metern entstehen.“ Express-Frachtflüge gebe es jetzt schon und für einen Ausbau zum richtigen Fracht-Flughafen wie in Leipzig oder Köln fehlten „in Memmingen alle Voraussetzungen“, weist Schmid solche Befürchtungen zurück. „Man muss die Kirche schon im Dorf lassen“, klagt er, und hält der Bürgerinitiative „unverantwortliche Panikmache“ vor.
Neben der Betriebszeit-Verlängerung und dem Start- und Landebahn-Ausbau plant der Airport-Betreiber die Rollwege zu verbessern, das Terminal zu erweitern und ausreichende Park-Möglichkeiten zu schaffen, wobei auch ein Parkhaus errichtet werden soll. Außerdem sollen auf noch freien Flächen südlich der Start-Landepiste Unterstellhallen sowie ein Werft- und Wartungsbereich für Geschäftsflugzeuge entstehen. Insgesamt rund 15 Millionen Euro möchte der Airport in den nächsten Jahren in den Ausbau seiner Infrastruktur stecken. 3,3 Millionen davon soll der Freistaat an Subventionen beisteuern. 2009 sei die Zahl der Fluggäste laut Geschäftsführer um über 75 Prozent auf 812 000 und 2010 schon auf 911 000 angestiegen. Seine Bilanz des Jahres 2009 hat der Airport allerdings bis heute nicht veröffentlicht und die Passagier-Zuwächse sind vor allem auf das Engagement der irischen Ryanair zurückzuführen. Die Billigfluglinie hatte allerdings vorher dem Nachbar-Flughafen Friedrichshafen den Rücken gekehrt – was dort nicht ohne Folgen blieb – und im April 2009 in Memmingen den Flugbetrieb aufgenommen. Eine massive Abhängigkeit von Ryanair ist nicht zu leugnen. Obendrein genießt der Flughafen in Fachkreisen keinen besonders guten Ruf: Memmingen gehörte zu den sieben deutschen Flughäfen, die 2010 von der Pilotenvereinigung Cockpit einen Mängelstern aufgrund von Sicherheitsdefiziten bekamen.
Dass wirtschaftliche Nöte beschönigt werden sollen, steht für Ausbau-Gegner Buchberger außer Frage. Er hat errechnet, dass die Gesamtzahl der Flüge im Winterflugplan 2010/11 gegenüber dem Winter 2009/10 um 38 Prozent zurückging. Der Kommunalpolitiker befürchtet ein „Fass ohne Boden“. Für die Erweiterung sollen jetzt wieder Steuergelder als Zuschüsse fließen. Dabei seien schon bei Umbau und Inbetriebnahme im Jahr 2007 rund 6,5 Millionen Euro an Subventionen vom Freistaat geflossen. Kommunale Zuschüsse, so genannte Anschubfinanzierungen und Steuerausfälle durch Verlustabschreibungen müssten hinzu- gerechnet werden. „Die öffentliche Förderung von Regionalflughäfen ist widersinnig“, sagt Buchberger, „einerseits fördert man hierdurch den Treibhauseffekt mit Steuergeldern, andererseits verursacht dessen Bekämpfung volkswirtschaftliche Kosten durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz“. Weil der Verkehr zum Flughafen durch Memmingerberg so stark zugenommen hat, plane der Landkreis Unterallgäu bereits eine Umgehungsstraße. 500 000 Euro habe der Kreistag allein für Grundstückskäufe hierfür in den Haushalt gestellt, inklusive Bauarbeiten werde sich die Gesamtsumme wohl auf über 2 Millionen Euro belaufen.


Kaum Gewinn für Tourismus


Verschärft worden ist die finanzielle Situation beim Airport durch den Weggang von Air Berlin. Und nachdem Ryanair demnächst seine Verbindung nach Bremen aufgeben wird, gibt es von Memmingen aus keine innerdeutschen Flüge mehr. Geschäftsführer Schmid ist fieberhaft auf der Suche nach Ersatz. „Air Berlin hat mehrfach moniert, dass die geltende Betriebszeit späte Anschlussflüge vom Umsteigeflughafen Berlin ins Allgäu oft verhindert habe. Das geplante Zeitfenster gibt uns mehr Flexibilität und Planungssicherheit.“ Angesichts der neuen Luftverkehrsabgabe seien die Verhandlungen mit den Airlines aber schwierig.
„Kein Unternehmen wird für die Flughafennutzung wesentlich mehr zahlen wollen als Ryanair“, schätzt wiederum Buchberger. Die Abhängigkeit von der irischen Billigfluglinie hält er für fatal: Der Memminger Flughafen generiere pro Fluggast nur 10 Euro Umsatz. Dagegen seien es in Friedrichshafen 20 und in Innsbruck sogar 30 Euro. Memmingen sei der Billigdiscounter unter den Flughäfen. Der Ingenieur wird nicht müde, weitere „Schwindel-Argumente“ der Airport-Betreiber zu entlarven: Mit dem Flughafen sei ein Kaufkraftgewinn für die Region versprochen worden. Eine Untersuchung aus dem Jahr 2008 zeige aber, dass der „Incomingbereich“ bei Inlandsflügen nur ein Drittel ausmache. Zwei Drittel der Passagiere fliegen von Memmingen weg. „Bei Auslandsflügen reduziert sich das vermutlich unter zehn Prozent. Wer fliegt schon von Alicante oder Oslo nach Memmingen“, fragt Buchberger. Ryanair vermarkte Memmingen deshalb unter dem Beinamen „München West“. Das ist, ganz nebenbei bemerkt, mehr als dreist: Beide Orte liegen über 100 Kilometer auseinander.
Auch die propagierte Wirkung für den Tourismus sei „unter ferner liefen“. Man bräuchte sich nur den Fahrplan des Shuttle-Service ansehen: Der fährt nach Ulm, Augsburg und München. Anstatt in die Allgäuer Berge gebe es einen Service nach St. Anton in Tirol. Selbst Ryanair-Vertriebsleiterin Henrike Schmidt findet, dass bei der Vermarktung des Allgäus als Ski-Destination „noch Luft nach oben“ sei.
Bei der Kontroverse um Kosten und Nutzen der Flughafenerweiterung dürfte Schmid wieder auf die Unterstützung der Politik bauen können: Memmingens Oberbürgermeister Ivo Holzinger (SPD) hält die geplante Ausweitung der Flugbetriebszeiten am Allgäu Airport auf 23 Uhr „grundsätzlich für vertretbar“, sagte er dem Radiosender RT1 Südschwaben. Die Gefahr eines echten Nachtflugbetriebs sieht er als „nicht gegeben“. Es gehe um die Abwägung der Interessen der Bürgerschaft, die möglichst wenig Lärm möchte, andererseits um einen „funktionierenden, konkurrenzfähigen Flughafen“. Sein Stadtrats-Kollege Buchberger hat dagegen einen düsteren Verdacht: „Nachdem ja auch die geplante dritte Startbahn im Münchner Flughafen sehr umstritten ist, könnte bei deren Ablehnung der ganze schmutzige Verkehr, also Billigtouristen, Nacht- und Frachtverkehr, von München langfristig nach Memmingen ausgelagert werden.“ (Christian Dany)

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