Kommunales

26.08.2011

Unverständnis bei Experten

Nach dem Rausschmiss eines kranken Buben aus seiner Münchner Kita

Recht bekommen und Recht haben sind bekanntlich im Leben oft zwei Paar Schuhe. Das zeigt jüngst ein Urteil des Münchner Landgerichts, das es für rechtens hielt, dass eine private Kindertagesstätte (Kita) ein fünfjähriges Kind rausschmiss. Begründung: Es sei hochgradig allergisch. Die berufstätigen Eltern wehrten sich – vergebens. Der Bub durfte am 30. Juni zum letzten Mal die Einrichtung besuchen.
Horst Fleck aus Ottobrunn regt das furchtbar auf: „Gegen solche Vorfälle kämpfen wir seit Jahren an.“ Fleck ist Vorsitzender des Landeselternverbands für Kitas in Bayern und findet das Münchner Beispiel ein „großes Ärgernis“. Natürlich müsse man Kleinkinder bei ansteckenden Krankheiten wie Masern oder Lausbefall aus der Gruppe nehmen – kurzzeitig. „Medizinisch gesehen habe ich aber hier ein Problem: Ein allergisches Kind steckt niemanden an“, gibt Fleck zu bedenken. „Außerdem frage ich mich, was das Kind macht, wenn es in die Schule kommt: Will man es da auch ausgrenzen?“
Gerade für Fünfjährige, da sind sich Pädagogen wie Psychologen einig, ist der Besuch einer Kita und der damit verbundene Austausch mit Gleichaltrigen ungemein wichtig. „Wir reden den ganzen Tag von Integration und Inklusion, und dann passiert so was. Das ist total kontraproduktiv. Zumal es wohl nirgends einen sterileren Ort gibt als eine Kita, wo jeden Abend geputzt wird“, weiß Fleck aus eigener Erfahrung. Er ist ständig in bayerischen Kitas zu Gast.
Der Landeselternverband für Kitas in Bayern plädiert seit Längerem dafür, Verträge der Kitas zu prüfen und gegebenenfalls neu zu überdenken. Seit Einführung des neuen Kita-Gesetzes vor fünf Jahren, im Zuge dessen viele private Träger auf den Markt drängten, komme es laut Fleck immer häufiger vor, dass gewisse Kinder im Vorfeld nicht aufgenommen werden – zum Beispiel wegen regelmäßiger Medikamenteneinnahme. „Ich kenne Fälle von Trägern aus Schwabing, da werden Kinder handverlesen.“
Aus ihrer täglichen Erfahrung in der Abteilung Kindertageseinrichtungen im Jugendamt der Stadt Nürnberg sieht Elisabeth Werner-Hager das Ganze etwas differenzierter. „Wenn wir chronisch kranke Kinder aufnehmen, die unter Allergien oder etwa Epilepsie leiden, stellen wir vorab sicher, dass das Stammpersonal von einem Arzt eingewiesen wurde – damit es im Notfall weiß, wie reagieren.“ Schließlich hätten Mitarbeiter auch Ängste, Ungeschulte fühlten sich im Umgang mit kranken Kindern schnell überfordert.
Das Problem stelle sich bei großen Einrichtungen nie, sagt das Nürnberger Jugendamt. Problematisch seien hingegen kleine Träger. „Wenn an einem Tag kein Stammpersonal da ist, das sich auskennt, müssen Eltern an dem Tag ihr Kind wieder mit nach Hause nehmen. Wir erwarten eine gute Zusammenarbeit mit den Eltern, die müssen auch unsere Situation verstehen“, fordert Werner-Hager.
Im Raum Nürnberg ist es so, dass im Schnitt auf eine Kita-Betreuerin 10 Kleinkinder kommen. Werner-Hager: „Wenn es natürlich den vom Personal leistbaren Rahmen sprengt, müssen wir irgendwann mit den Eltern reden, ob es nicht vielleicht andere, geeignetere Einrichtungen gebe.“ Etwa Behindertengruppen. Ein echtes Problem, weiß Werner-Hager aus eigener Erfahrung, seien Eltern, die nicht ehrlich sind und bei der Anmeldung ihres Kindes Krankheiten verheimlichen. Und erst scheibchenweise mit der Wahrheit rausrücken. Dann könne sie einen Ausschluss durchaus verstehen.
Das bayerische Sozialministerium möchte den Fall gar nicht bewerten – und sieht die Zuständigkeit eindeutig bei den Kommunen und bei privaten Trägern. Das Ministerium gibt aber zu bedenken, dass Eltern ganz grundsätzlich einen Rechtsanspruch gegenüber den Kommunen – in dem Fall gegenüber der Stadt München – haben, dass ihr Kind ab drei Jahre irgendwo unterkommt. Da sei es noch nie zu Klagen gekommen. Stellt sich angesichts langer Wartelisten nur die Frage: Wann und wo? (Claudia Schuh)

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