Kommunales

Grenze zwischen Thüringen und Bayern: Knapp 1400 Kilometer zieht sich das "Grüne Band" auf der einstigen DDR-Staatsgrenze von der Ostsee bis ins Vogtland und erstreckt sich dabei über mehr als 100 verschiedene Biotoptypen. (Foto: dpa)

09.04.2014

Vom Todesstreifen zur Lebenslinie

Im Schatten von Stacheldraht und Selbstschussanlagen haben sich an der einstigen innerdeutschen Grenze seltene Tier- und Pflanzenarten angesiedelt

Der Plattenweg, auf dem einst DDR-Grenzsoldaten patrouillierten, ist erhalten. Auch der Sperrgraben zeichnet sich 25 Jahre nach dem Mauerfall ab - hier in der Landschaft nahe dem südthüringischen Ort Straufhain, unweit von Coburg in Oberfranken. Aber der Todestreifen, an dem die Grenzsoldaten auf DDR-Bürger schossen, hat sich in ein Idyll verwandelt. Naturfreunde wie Katrin Kowol vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) sind entzückt. Sie erklimmt eine kleine Anhöhe neben dem Kolonnenweg: "Da sind sie!" Zwischen den braunen Grashalmen vom Vorjahr leuchten die lila Blüten der Küchenschelle. Ein Anblick, der selten geworden ist.
"Solche wertvollen Offenlandbiotope gab es früher überall in der Kulturlandschaft", erzählt die Geografin. "Doch durch die intensive Landwirtschaft sind sie selten geworden." Für die Tier- und Pflanzenwelt war das Grenzregime mit Stacheldraht, Minen und Selbstschussanlagen mitten in Deutschland ein Segen. Denn dort fanden viele Arten ein Refugium, die andernorts verschwunden sind und gar auf der Roten Liste stehen. Braun- und Schwarzkehlchen, Grauammer und Sperbergrasmücke seien hier etwa an der thüringisch-bayerischen Grenze zu Hause, berichtet Kowol. Ebenso wie Streifenbläuling, Kommafalter und Braunauge.
Knapp 1400 Kilometer zieht sich das "Grüne Band" von der Ostsee bis ins Vogtland - und erstreckt sich dabei über fast 150 verschiedene Biotop-Typen. Naturnahe Fluss- und Ufergebiete im norddeutschen Tiefland gehören ebenso dazu wie Magerrasen und Bergwiesen in den Mittelgebirgen von Harz und Thüringer Wald, Niedermoorlandschaften ebenso wie "Pionierwälder", in denen sich der Wald ganz natürlich entwickelt.
Doch das war nicht selbstverständlich. Nach der Wiedervereinigung wurden Teile der ehemaligen Grenze umgeackert und durch Straßen zerschnitten. Der Bund hat etliche Flächen privatisiert - eine Praxis, die erst Ende 2005 gestoppt wurde. Nach langen Verhandlungen wurden zwischen 2009 und 2011 die restlichen Bundesflächen im Grünen Band - rund 7000 Hektar - an die Länder übertragen, um sie dauerhaft für den Naturschutz zu sichern. Die Bedeutung des Grünen Bandes ist inzwischen auch in Berlin anerkannt. Das Bundesumweltministerium spricht von einem "Biotopverbund von nationaler Bedeutung".
Der Anteil zerstörter Abschnitte hat sich laut der jüngsten Bestandserfassung etwas verringert - auf 13 Prozent. Das entspreche rund 2300 Hektar, erläutert Daniela Leitzbach vom BUND-Projektbüro Grünes Band in Nürnberg. Einige Lücken klaffen auf einer Länge von mehr als 20 Kilometern. "Unser großes Ziel ist es, das Grüne Band komplett durchgängig zu machen", erläutert Leitzbach. Sie sieht in dem Biotopverbund nicht nur einen Rückzugsraum seltener Tier- und Pflanzenarten, von denen mehr als 1200 im Grünen Band heimisch sind. Vielmehr diene es auch als Korridor zwischen verschiedenen Schutzgebieten und Lebensräumen.
Die Umweltschützer versuchen daher, weitere Flächen am Grünen Band anzukaufen oder sie zumindest etwa durch extensive Bewirtschaftung aufzuwerten - nicht immer zur Freude betroffener Landwirte. "Grünbrücken an Straßen können zudem die Zerschneidung verringern", erklärt Leitzbach. Ein weiteres Ziel ist, den Biotopverbund insgesamt unter Schutz zu stellen - als Nationales Naturmonument. Hier seien die Länder gefordert.
Und die Idee des Grünen Bandes ist längst eine europäische geworden. Als größter Biotopverbund Europas soll es sich entlang des einstigen Eisernen Vorhangs vom Nordpolarmeer bis zum Schwarzen Meer auf einer Länge von mehr als 12.500 Kilometern erstrecken - und durch mehr als 20 Staaten führen. Der ehemalige deutsch-deutsche Grenzstreifen steht dafür Pate.
(Andreas Hummel, dpa)

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