Kommunales

Die Gülle-Affäre stinkt nicht nur olfaktorisch zum Himmel. (Foto: Denk)

21.07.2017

Wegschauen, wenn es stinkt

Unrühmliche Rolle des Passauer Landratsamts in Umweltskandal

Die Gemeinde Hutthurm im Landkreis Passau wird zum zweiten Mal in Folge von einem Umweltskandal erfasst: Ein illegaler Kfz-Betrieb im Grünen hat mehr als zehn Jahre lang seine Abwässer in eine Güllegrube geleitet und teilweise in der Landwirtschaft entsorgt. Auch diesmal ist es ein Fall für den Staatsanwalt.

Kleinthannensteig nennt sich die Ortschaft bei Passau am Rande eines Landschaftsschutzgebiets, 250 Meter vom Moorflüsschen Ilz entfernt: eine Handvoll alter Bauernhöfe, gepflegte Austragshäuser, ein Fahrsilo und drei Güllegruben. Vor der größten stehen abgedeckt mit Plastikplanen und Holzlatten drei gelbe Container einer Entsorgungsfirma. Der gesicherte Inhalt beschäftigt Politik, Umweltbehörden und neuerdings Staatsanwaltschaft und Polizei.

„Im Frühjahr floss weißer Schaum über unsere Wiese“, sagt die Frau eines Landwirts. Ihr Mann hat danach heimlich eine Probe aus der Güllegrube des Nachbarn geschöpft und ins Labor bringen lassen. Die Chemiker fanden mineralölhaltige Rückstände. Verwunderlich war das nicht, denn in die Güllegrube floss seit zwölf Jahren keine Gülle mehr, sondern das Abwasser eines illegalen Kfz-Betriebs.

Bürgermeister verweist auf Behinderungen durch den Datenschutz


Pächter Manuel W., Vater einer vierköpfigen Familie, hatte sich auf dem ehemaligen Bauernhof eine Autowerkstatt eingerichtet. Das Geschäft lief großartig – bis auf das Abwasser. Es landete in der alten bäuerlichen Güllegrube - und wurde schließlich, so flog alles auf, teilweise auf den Feldern von gutgläubigen Bauern ausgebracht. Die Gemeinde und die Umweltbehörden haben offensichtlich weggesehen.

Hermann Baumann (CSU), der Bürgermeister der Marktgemeinde Hutthurm, zu der Kleinthannensteig gehört, behauptet: „Ich habe nicht gewusst, was der da unten treibt.“ Seine Gewerbestelle überprüfe bei der Anmeldung nicht, ob eine Nutzungsänderung beantragt worden ist. „Das lässt der Datenschutz nicht zu.“ Allerdings hat Baumann den Betrieb stillschweigend geduldet, obwohl er spätestens seit Mitte Juni 2017 um die Umweltproblematik wusste.

Die Güllegrube, in welche mangels Ölabscheider und Kanal das Abwasser des Kfz-Betriebs fließt, fasst 400 Kubikmeter. Das entspricht einem zwei Meter tiefen Pool von zehn mal 20 Metern. Am 17. Juni, einem schwülheißen Samstag, sollte der Missstand ausgerechnet auf einer Wiese der Zweiten Bürgermeisterin Edeltraud Stegbauer-Wagner (CSU) anrüchig werden. Denn Unternehmer Manuel W. wollte sich die teure Entsorgung wohl sparen.

Die Zweite Bürgermeisterin war an diesem Vormittag beim Einkauf, ihr Mann molk im Stall die Kühe, als ein 27-jähriger Bekannter des Kfz-Unternehmers hereinschaute und um freundliche Zustimmung bat: Ob er draußen auf der frisch gemähten Wiese zwei, drei Fässer von der Grube seines Auftraggebers ausbringen dürfe, es handele sich nur um alte Gülle und Dachrinnenwasser.

Kaum war Stegbauer-Wagner vom Einkauf zurück, klingelte ihr Telefon und ein aufgeregter Nachbar rief an: Ob sie denn nicht wisse, was da gerade auf ihrer Wiese ausgebracht werde: verseuchtes Abwasser aus der Güllegrube des Kfz-Betriebs. „Ich habe die Aktion sofort gestoppt“, erzählt sie. Vier Güllefässer voll, 40 000 Liter, hatte der gutgläubige Güllewagenfahrer nach eigenen Angaben schon ausgebracht; weitere 40 000 Liter habe er am Vorabend auf den Wiesen seines Vaters ausgebracht. Wenige Tage später standen Beamte vom Landratsamt auf dem Hof von Manuel W., legten seinen Betrieb wegen fehlender baurechtlicher Genehmigung still.

Grüne richten im Landtag Anfrage an die Regierung


Was jedoch den Umweltschaden und seine Konsequenzen anbelangt, reagierten Gemeinde und Landratsamt anfangs zurückhaltend. „Niemand hat beauftragt, eine beweiskräftige Probe von der Güllegrube oder von der Wiese zu nehmen“, wundern sich die betroffenen Nachbarn. Der Sprecher des Landratsamts, Werner Windpassinger, schrieb zunächst als Antwort auf die Rechercheanfrage: „Das Landratsamt Passau bleibt bei seiner Bewertung, dass bei der seinerzeitigen Sachlage keine weiteren Sicherungsmaßnahmen notwendig erschienen.“

Besagte Sachlage hat sich wohl schlagartig verändert. „Heute wurden vom Landratsamt sowohl aus der Grube (Inhalt) als auch an Flächen, wo Inhalt aus der Güllegrube ausgebracht wurde, Proben entnommen“, schob Windpassinger einige Tage später plötzlich eine Mitteilung hinterher. Der Sinneswandel könnte damit zusammenhängen, dass der für Umweltdelikte zuständige Passauer Staatsanwalt nach Lektüre der Lokalpresse die Polizei eingeschaltet hatte. Es werden Vorermittlungen geführt.

Inzwischen beschäftigt sich auch der Landtag mit dem Thema. Die Grünen-Abgeordnete Rosi Steinberger – sie war bereits vor einigen Jahren in der Aufklärung des ebenfalls in der Region stattfindenden Teerskandals aktiv – hat 21 Fragen an die Staatsregierung gerichtet. Zu klären sei unter anderem, wie hoch der Umweltschaden ist, wer die Verantwortung trägt und ob erneut die Behörden bewusst weggesehen oder versagt haben. (Hubert Denk)

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