Kommunales

Beim Landes-Sportverband ist man überzeugt: „Auf längere Zeit ist eine Sporthalle als Wohnunterkunft für Menschen nicht geeignet.“ (Foto: dpa)

09.10.2015

"Wir müssen langsam mal wissen, wie es weitergeht“

Jörg Ammon, Vizepräsident des Bayerischen Landes-Sportverbands, über die fehlende Perspektive, ob und wann die Vereine ihre beschlagnahmten Hallen zurückbekommen

Seit Monaten sind in Bayern Sporthallen als Unterkünfte für Asylbewerber belegt. Bis jetzt haben die Vereine dafür auch großes Verständnis aufgebracht. Doch ein Ende ist nicht abzusehen, im Gegenteil. Und wann wieder normaler Vereinssport stattfinden kann, steht in den Sternen. An der Basis, sagt BLSV-Vize Jörg Ammon, wächst die Unruhe.

BSZ Herr Ammon, wie ist derzeit die Stimmung an der Basis der Sportvereine?
Ammon Nach wie vor sehr hilfsbereit – aber das ist auch abhängig von der Perspektive in den Sportvereinen für die nächsten Wochen und Monate. In den vergangenen Monaten, als der Großteil der Flüchtlinge in die Sporthallen einquartiert wurde, konnten wir sehr gut ins Freie ausweichen, weil es warm war. Das geht auch jetzt noch, momentan ist es draußen ja noch eher mild. Aber bald werden die meisten Sportarten temperaturbedingt im Freien nicht mehr möglich sein, im Winter dann nahezu gar nichts mehr. Unsere Mitglieder müssen jetzt schon bald mal wissen, wann sie wieder normal trainieren können.

BSZ Hätte eine weitere Belegung von Sporthallen mit Flüchtlingen negative Konsequenzen für das Vereinsleben?
Ammon
Die Mitglieder stellen sich natürlich Fragen, schließlich zahlen die ja auch Beiträge und möchten dafür eine Gegenleistung. Auch die Übungsleiter überlegen, ob sie bei einer Fortsetzung der momentanen Zustände noch eine Perspektive haben. Das gibt schon Spannungsverhältnisse.

BSZ Wie viele Turn- und Sporthallen werden denn derzeit in Bayern belegt?
Ammon In absoluten Zahlen lässt sich das schwer sagen. Es ist zwar ein eher niedriger Prozentsatz – aber betroffen sind eben vor allem die großen Hallen, in denen mehrere Sportarten ausgeübt werden können. Und es trifft eher die Großstädte, weil dort mehr Flüchtlinge untergebracht werden. In München oder Nürnberg kann man als Sportler aber nicht so leicht in die Natur ausweichen wie auf dem Land. Und es sind ja auch nicht nur die Vereine mit ihrem Training betroffen.

BSZ Sondern, wer noch?
Ammon Der ganze Wettkampfbetrieb der Sportfachverbände kommt in den gesperrten Hallen zum Erliegen. Es finden keine Punktspiele mehr statt, es können keine Meisterschaften mehr abgehalten werden. Aber genau in den Herbst- und Wintermonaten laufen die Turniere auf vollen Touren.

BSZ Haben die Sportvereine bisher irgendeine Entschädigung erhalten?
Ammon Bis jetzt noch nicht. Klar, die Politik setzt auf die Verantwortungsgemeinschaft und das ist ja auch in Ordnung, das Verständnis ist groß. Aber wie gesagt: Wir müssen jetzt schon langsam mal wissen, wie es weitergeht, das kann doch kein Dauerzustand sein! Meine persönliche Meinung ist, dass eine Turn- beziehungsweise Sporthalle auf längere Zeit auch keine geeignete Unterbringungsmöglichkeit für Menschen darstellt.

BSZ Das bayerische Innenministerium hat aber nochmals bekräftigt, dass es Beschlagnahmungen von privaten Immobilien als Ausweichquartier – anders als in Hamburg, Berlin, Bremen und Nordrhein-Westfalen – im Freistaat nicht geben wird. Gleichzeitig reißt der Zuzug nach Deutschland nicht ab.
Ammon Man muss gemeinsam eine Lösung finden, aber ich sage es noch mal: Auf längere Zeit ist eine Sporthalle als Wohnunterkunft für Menschen nicht geeignet, man kann dort nicht dauerhaft nächtigen.

BSZ Wie ist der Umgang der Behörden mit den Vereinen?
Ammon Bei uns in Nürnberg klappt die Kommunikation sehr gut, wir waren ja auch eine der ersten Städte im Freistaat, wo Flüchtlinge in Sporthallen einquartiert wurden. Man darf ja auch nicht vergessen, dass die Mitarbeiter der Kommune häufig selbst nur einen halben Tag Vorlauf bekommen, um die Leute unterzubringen, dafür läuft das alles sehr ruhig und koordiniert ab. Wir stehen auch im telefonischen Kontakt. Und aus dem ländlichen Raum ist mir nichts Gegenteiliges bekannt.

BSZ Man fordert nicht nur Opfer von Ihnen, gleichzeitig ruhen staatlicherseits auch große Hoffnungen auf den Vereinen hinsichtlich der Integration. Wie ist da der Sachstand?
Ammon Über den Sport kann Integration gut funktionieren, denn der Sport spricht alle Sprachen, wie es so schön heißt. Wir helfen mit Sportangeboten in den Flüchtlingsheimen als kurzfristige Maßnahme, damit die Leute sich auch mal auspowern können und es zu keinem, salopp gesprochen, Lagerkoller kommt. Das klappt besonders gut bei den Kindern, Buben und Mädchen bewegen sich auf der ganzen Welt gern. Langfristig können wir die Migranten in den Vereinen auch gut mit unserer Werteordnung vertraut machen, mit dem respektvollen Miteinander, mit der Gleichberechtigung von Mann und Frau.

BSZ Wie schaut es dafür mit der finanziellen Unterstützung seitens des Freistaats aus?
Ammon Wir befinden uns in Gesprächen, ein entsprechendes Programm wird gerade zusammengestellt. Eine konkrete Summe kann ich allerdings noch nicht nennen, das kommt auch auf das Volumen der Aufgaben an. Reiner Beschäftigungssport in den Flüchtlingsheimen ist etwas anderes als konkreter Integrationssport mit Trainern, Übungsleitern und Sportpädagogen.
BSZ Welche Sportart kommt bei den Flüchtlingen denn besonders gut an?
Ammon Klar, der Fußball liegt ganz vorn, aber auch andere Ballsportarten. Überraschenderweise erfreut sich auch Tennis einer gewissen Nachfrage.

BSZ Und Schwimmen – speziell für Frauen und da wiederum gemeinsamer Schwimmsport für beide Geschlechter?
Ammon Das ist allerdings ein schwierigeres Thema, da muss – kulturbedingt – noch sehr viel Überzeugungs- und Aufklärungsarbeit geleistet werden.

(Interview: André Paul)


Kommentare (2)

  1. Ex-CSU Wähler am 12.10.2015
    Was wollt Ihr denn?
    Jetzt haben wir doch endlich die schlanke Verwaltung auch in
    Bayern!!!
  2. Christian am 09.10.2015
    Diesen Winter gibts keinen Hallensport mehr.
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