Kommunales

Die Gemeinschaftsunterkunft (das große weiße Gebäude) liegt in der Ortsmitte von Geisenhausen. (Foto: BSZ)

28.07.2017

„Wir stehen mit dem Rücken zur Wand“

Bürgermeister warnen vor der wachsenden Zahl an Fehlbelegern in den Gemeinschaftsunterkünften

Kaum eine etablierte Partei möchte das Thema „Fehlbeleger“ im Wahlkampf anfassen. Aber da tickt eine politische Zeitbombe. In der Gemeinschaftsunterkunft von Geisenhausen im Landkreis Landshut leben etwa 140 Flüchtlinge. Rund 30 von ihnen, also mehr als jeder Fünfte, sind als Asylbewerber anerkannt – und damit sogenannte „Fehlbeleger“, weil sie jetzt eigentlich die Unterkunft verlassen und sich eine Wohnung suchen müssten.

Doch freie und vor allem günstige Wohnungen gibt es nicht mehr in der rund 7000 Einwohner zählenden Gemeinde. Geisenhausen gehört bereits zum Einzugsbereich der Landeshauptstadt München und auch die Kreisstadt Landshut boomt und wächst. „Vor zwei Jahren haben wir ein neues Wohnbaugebiet ausgewiesen“, berichtet Bürgermeister Josef Reff (Freie Wähler). „Innerhalb von sechs Monaten waren alle freien Parzellen verkauft.“

Moderate Baulandpreise


Das ist nicht verwunderlich angesichts von noch vergleichsweise moderaten Baulandpreisen von 170 bis 180 Euro je Quadratmeter, wo man in München das Doppelte bis Dreifache bezahlt. Aber es macht eben auch den Bau von Sozialwohnungen unattraktiv. „Ich habe derzeit acht Wohnungen in diesem preisgebundenen Segment“, so der Bürgermeister. „Die sind alle belegt und die Warteliste von Berechtigten ist endlos lang. Wir stehen mit dem Rücken zur Wand.“

Momentan funktioniert es ja noch mit der Fehlbelegung. „Aber was passiert, wenn doch die Flüchtlingszahlen wieder steigen?“, bangt der Rathauschef. Die Bundes- und auch die Staatsregierung wollen das Thema lieber nicht aufs Tableau bringen. Aber in Italien gehen die Flüchtlingszahlen aufgrund der immer effektiver funktionierenden Seenotrettung im Mittelmeer rasant nach oben. Und die Regierung in Rom wie auch die Flüchtlingsorganisationen finden, dass Deutschland reich genug sei, möglichst rasch und viele Migranten zu übernehmen.

Der Beteuerung will niemand glauben


„Der Regierungspräsident von Niederbayern hat mir zwar im persönlichen Gespräch versichert, dass man den Gemeinden die Flüchtlinge nicht einfach wieder vors Rathaus stellen würde“, verrät Josef Reff. Aber so recht glauben mag er der Beteuerung nicht. Wenn neue Asylbewerber ankommen, spätestens dann müssen die Fehlbeleger zwangsläufig raus. „Doch wohin?“, fragt sich der ratlose Bürgermeister. Die einzigen drei Obdachlosenunterkünfte sind bereits durch Einheimische – zwei einzelne Erwachsene und eine Familie – belegt.

Es bliebe also nur noch die Möglichkeit, Container im Gewerbegebiet aufzustellen. „Was das für Reaktionen in der Bevölkerung auslösen wird, mag ich mir gar nicht ausmalen“, sagt Bürgermeister Reff. Und noch rede man bei den 30 Fehlbelegern nur um die anerkannten Bewerber – meist sind es Männer – selbst. „Theoretisch dürfen die ja jetzt alle auch noch ihre Familien nachholen – das wären dann über 100 Menschen.“ Angesichts dieser drohenden Gefahr müsse jetzt Druck auf die Abgeordneten im Landtag ausgeübt werden, dass dieses Problem endlich angesprochen und gelöst wird.

Die FW-Fraktion im Landtag hat bereits einen Dringlichkeitsantrag im Landtag eingereicht, der fordert, für alle seit Januar 2014 nach Bayern gekommenen Fehlbeleger auch weiterhin die Verantwortung zu übernehmen und die Verantwortung für potentielle Obdachlose nicht allein den Kommunen zu überlassen. Nach Berechnungen von Joachim Hanisch, dem kommunalpolitischen Sprecher der Freien Wähler, ist bis zum Jahresende bayernweit mit mehr als 70 000 Personen in dieser Gruppe zu rechnen.
„Zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Mietpreise, die der Freistaat bisher gezahlt hat, um die Asylbewerber unterzubringen, bisweilen deutlich überhöht angesetzt waren“, so Hanisch. „Wenn die Kommunen auf diesem Niveau nunmehr bleiben müssen, verzerren sie die Mietpreise vor Ort weiter deutlich nach oben.“
(André Paul)

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