Kommunales

Die Idylle trügt: In Hammelburg gärt ein Streit um den Verkauf des städtischen Weinguts Schloss Saaleck. (BSZ)

23.09.2011

Zwist um fränkische Kellerei

Den Zoff zwischen Kommunen und Bieter um den Verkauf des Weingutes Schloss Saaleck muss nun Brüssel schlichten

Normalerweise geht es während der Weinlese in der unterfränkischen Kleinstadt Hammelburg eher idyllisch zu. Doch dieser Tage steht das Telefon des Bürgermeisters nicht mehr still. Der Grund: Die Würzburger Kanzlei Baumann klagt im Namen eines unterlegenen Bieters gegen die Veräußerung des städtischen Weinguts des Schlosses Saaleck in der ältesten Weinstadt Frankens. Wolfgang Baumann wirft dem Stadtrat vor, das Grundstück weit unter Verkehrswert verkauft und keine korrekte Ausschreibung durchgeführt zu haben. Deswegen hat der Jurist im August zuerst eine Kommunalaufsichtsbeschwerde und im September zusätzlich eine Klage wegen rechtswidriger öffentlicher Beihilfe bei der Europäischen Kommission in Brüssel eingereicht. Das Stadtoberhaupt Ernst Stross (SPD) versteht die Welt nicht mehr: „Es hatten alle die gleiche Chance.“
Die Stadt sah sich nach 47 Jahren Eigenbetrieb einfach nicht mehr in der Lage, die Weinkellerei zukunftsfähig zu gestalten. In den vergangenen Jahren drückten die Verluste zu sehr auf das Stadtsäckel, und bei den Gebäuden bestand dringender Sanierungsbedarf. Daher wurde der Besitz in einem Fachmagazin für Weinbau ausgeschrieben und ein Vergabeverfahren durchgeführt. Der Stadtrat nahm im Anschluss eine Bepunktung vor, die den Kaufpreis und das Konzept in die Bewertung mit einschloss. Im Juli dieses Jahres beschlossen die Stadtpolitiker, den Grund für 850 000 Euro an die Bieterin mit dem dritthöchsten Gebot abzutreten.
Während das Landratsamt Bad Kissingen und die Regierung von Unterfranken die Rechtmäßigkeit dieses Vorgangs nicht beanstanden, regt sich bei Baumann und seinem Mandanten darüber Unmut. In der Stellungnahme des Regierungsbezirks wurde nach Ansicht des Rechtsanwalts nicht ausreichend geprüft, wieso der Verkaufspreis sodeutlich vom Verkehrswert abweicht. Ein Gutachter hatte die Vermögensgegenstände auf rund 1,4 Millionen Euro geschätzt, weshalb Baumann den Entschluss von Kreis und Bezirk für „offenkundig falsch“ hält. Außerdem habe keine richtige Ausschreibung stattgefunden, das Angebot sei lediglich in einer „Provinzzeitung“ veröffentlicht worden. Sein Mandant habe zwar eine noch niedrigere Offerte gemacht, aber seien das Konzept mit Zusatzleistungen von über 1 Millionen Euro und die Übernahme des Personals nur unzureichend anerkannt worden.
Hammelburg soll das Gut unter Wert verkauft haben
„Die Stadt wollte wohl, dass es ein Unterfranke übernimmt“, vermutet Baumann. Schultheiß Stross bestreitet das: „Wir wollten einzig und allein, dass die Interessenten in der Lage sind, den Betrieb langfristig weiterzuführen.“ Die Ausschreibung sei in einer bekannten Zeitschrift für Weinanbau veröffentlicht worden, es habe Anfragen aus ganz Deutschland gegeben. Der Kläger habe lange einen guten Eindruck gemacht, dann aber den niedrigsten Vorschlag abgegeben.
Darum könne Stross nicht verstehen, warum dieser über seinen Rechtsbeistand jetzt eine EU-Beschwerde wegen Unterwertverkauf eingelegt habe. Ob die städtischen Angestellten, wie von Baumann behauptet, sich tatsächlich weigerten, mit den neuen Betreibern zusammenzuarbeiten, werde sich erst zeigen: „Wir warten noch darauf, wie sich die Mitarbeiter entscheiden“, beruhigt der Ortsvorsteher. Die Abteilungsleiterin für kommunale und soziale Angelegenheiten des Landratsamts Bad Kissingen, Nadine Bock, meint, ein Vergabeverfahren sei überhaupt nicht nötig. „Dies bedarf es lediglich bei Dienstleistungen und nicht bei Veräußerungsgeschäften.“ Den Bewerbern sei klar gewesen, auf welche Spielregeln sie sich einlassen. Zudem verkenne Baumann, dass ein Verkehrswert nicht der Marktwert ist. Darüber hinaus sei jedem Käufer auferlegt worden, die Beschäftigten zu übernehmen.
Der Beschluss des Stadtrats müsste respektiert werden, sonst werde das Gremium überflüssig, meint Bock. Die Regierung von Unterfranken sieht keinen Anlass für rechtsaufsichtliche Maßnahmen. Damit stützt sie die Entscheidung der Stadt und des Landkreises. In einer vierseitigen Stellungnahme wurde dargelegt, warum die Veräußerung „im Ergebnis“ nicht zu beanstanden sei. Beispielsweise seien die vom Kläger hinzugerechneten künftigen Personalkosten von der Regierung nicht zu berücksichtigen, sagt Pressesprecherin Lydia Neubert. Der Regierungsbezirk kommt ebenfalls zu dem Schluss, dass die besonderen Vergabebestimmungen im Rahmen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen in diesem Fall nicht anwendbar sind.
Weiter habe der Verkehrswert einen Toleranzspielraum, dessen Breite sich nicht allgemein bestimmen lasse. Aufgrund der eingeschränkten Nutzung, der defizitären Vergangenheit und der Übernahme des Personals in der Weinkellerei könne sich dieser Wert auch nach unten bewegen. Deshalb sei dieser durch das Bieterverfahren ermittelt worden, bei dem im Übrigen alle Gebote – erheblich von den 1,4 Millionen abwichen. Die neuen Besitzer tröstet diese Auffassung: „Wir arbeiten, ernten und verkaufen schon“, klagt Winzerin Ulrike Lange. Ob bei der Familie und beim Bürgermeister bald wieder Ruhe einkehrt, ist fraglich: Bis Brüssel ein Urteil fällt, können noch locker zwei Jahrgänge geerntet werden.  (David Lohmann)

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