Kultur

Heins Porträts bleiben an der Oberfläche – doch die ist nuancenreich Schicht um Schicht aufgebaut.

11.04.2014

An Oberflächen schürfen

In Aschaffenburg ist eine Ausstellung mit großformatigen Bildern von Jochen Hein zu sehen, einem Meister der Hell-Dunkel-Kontraste

Noch vor einigen Jahren war altmeisterliches Malen, überhaupt Gegenständliches, bei zeitgenössischen Künstlern kaum gefragt, ja sogar verpönt. Jetzt, nach viel Abstraktion, kehrt man offensichtlich zu Realistischem, zu Erkennbarem zurück. Freilich in anderer Weise als früher. Zu verfolgen ist ein solcher Wandel anhand der Werke von Jochen Hein, 1960 in Husum geboren. Unter dem Titel Die Natur des Menschen präsentiert er Porträts, Landschaften und Naturbilder, aber auch freie Arbeiten in der Aschaffenburger Kunsthalle Jesuitenkirche.
Hein will, wenn er einen Menschen, den Ausschnitt eines Parks, die See oder ein Stück Wiese darstellt, sich faszinieren lassen vom Gesehenen, von der Oberfläche, ohne dass er hinter das Geheimnis, den tieferen Sinn des Dargebotenen schauen möchte.
In der Ausstellung ist man jedenfalls erst einmal beeindruckt von den Riesenformaten. Die Apsis der Jesuitenkirche wird eingenommen von dem fünf Meter breiten, dreiteiligen Acrylgemälde Nordsee. Und die Mitte der Halle ist bestückt mit mannshohen Porträts von Familienangehörigen und Freunden Heins. Das Besondere daran ist: Lediglich Kopf und Hände leuchten vor tiefschwarzem Untergrund – Kleidung, Schmuck oder sonstige Attribute sind nicht zu sehen; eine zeitliche Zuordnung ist deshalb nicht möglich. Die hell leuchtenden Körperteile sind so ins Bild eingefügt, dass sie oft nur am Rand, nie mittig platziert erscheinen: Das ergibt eine starke Spannung innerhalb des sonst „leeren“ Bildraums.

In Strukturen denken

Worum es Hein geht, wird deutlicher in den seitlichen Abteilen der Ausstellung. Da sind hauptsächlich grüne Naturstücke zu sehen: Parks mit Weiher oder Alleen, Wiese und Wasserspiegelungen. Aufschlussreich dazu gehängt wurden verwandte Bilder in Schwarz/Weiß: Hein ließ Acryltusche auftropfen oder über den weißen Untergrund herunter laufen, bearbeitete die Spuren oft noch mit dem Pinsel. Diese freien Arbeiten rufen Assoziationen hervor zu Wasserspiegelungen, Baumreihen, zu Blicken durch Geäst.
Im Grund interessiert Jochen Hein das Licht, das Hell-Dunkel-Strukturen hervorruft – wie beim Glitzern auf den Wellen, wie der Durchbruch von Sonne durch Lichtungen im Wald, wie das Geflecht von Ästen gegen einen helleren Himmel. Hein sagt, er denke in Hell-Dunkel, in Strukturen – und dies verifiziert er an seinen Hauptmotiven. Dabei spielt er zwischen genau und spontan, spürt für sich eine gewisse Nähe zum Impressionismus.
Dass er von sich behauptet, er sei kein Maler, sondern eher ein Zeichner, mag man bei seinen fast greifbar fotorealistischen Bildern nicht glauben. Die Meeresoberflächen in den verschiedenen Blautönen, mit der mal bewegten, mal ruhigen See, den Wellen, die von Hell- bis Dunkelblau bis hin zu Grautönen changieren, mit den weißen Schaumkronen oder glitzernden Sonnenspiegelungen: All dies erzeugt unterschiedliche Stimmungen, und alles dies geschieht durch den Kontrast von Hell und Dunkel, durch Bewegung und Verharren.

Schicht um Schicht

Auch wenn es sich empfiehlt, diese Bilder mit Abstand zu betrachten, lohnt es, an die Porträts näher hinzutreten. Dann kann man die übergenaue Malweise Schicht um Schicht beobachten. Wie immer wieder abgekratzt und darüber neu Farbe aufgetragen wird, wie das bewirkt, dass jede Einzelheit auf der Haut, im Auge, im Haar fassbar, erkennbar wird, dass der Inkarnat aus dem Schwarz, dem Dunkel des Bildgrundes herausleuchtet, dass die Persönlichkeit des Dargestellten lebendig zutage tritt. Als Grundlage dafür verwendet Hein spontane Fotos.
Hein malt Farben, Licht auf Dunkel, ohne eine übergeordnete Deutung zu geben. Ihn interessiert die Wirkung. Und so probiert er es auch einmal mit Verschleierung, indem er darüberlackiert, wie bei der Serie Sepultura, wo auf den ovalen Bildnissen die erkennbaren Merkmale von Gesichtern mehr und mehr verschwimmen. (Renate Freyeisen) Bis 4. Mai. Kunsthalle Jesuitenkirche, Pfaffengasse 26, 63739 Aschaffenburg. Di. 14 – 20 Uhr, Mi. bis So. 10 – 17 Uhr. www.museen-aschaffenburg.de

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